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Selbstfürsorge Denk mal an dich!

Selbstfürsorge: ein Frau lehnt bei Sonnenaufgang gegen ein Geländer mit einem Becher in der Hand
© Nina Buday / Shutterstock
Brote schmieren, Brüche kürzen, Kummer coachen, ganz nebenbei Haushalt und Job am Laufen halten: Die meisten Mütter (und auch viele Väter) sind geborene Kümmerer. Nur ein wichtiger Mensch fällt oft durchs Raster: sie selbst. Unsere Autorin Verena Carl, Mutter zweier Schulkinder, hat ein Jahr lang ausprobiert: Wie viel Selbstfürsorge passt in mein dicht gepacktes Leben, und was ist das eigentlich – Egotrip oder Seelentankstelle für alle?

Zum Beispiel die Sache mit der Jacke. Spielplatznachmittag, Spätherbst, alles dabei, von der Matschhose bis zum Extra-Eimerset, nur Mama steht im Regen und bibbert. Weil sie wieder im Sweatshirt rausgelaufen ist, Hauptsache, die Kinder sind startklar und mollig eingepackt. Oder der Reiseproviant: Brote geschmiert, Flaschen aufgefüllt, aber dann muss Mama auf der Zugfahrt lieb bitten, dass ihr jemand einen Schluck aus der Buddel abgibt. Denn an sich selbst hat sie nicht gedacht. Ab und zu ein Abend mit Freundinnen oder ein familienfreies Wochenende soll alles rausreißen, was sie sich sonst zumutet. Generalüberholung in 48 Stunden. Ganz schön stressig.

Selfcare? Keine Zeit für so etwas

Kennt ihr? Ich kannte das gut. Jahrelang. Ab und zu begegnete ich in Gesprächen dem Begriff "Selbstfürsorge" (oder in der cooleren Variante: Selfcare) und dachte mir: Pff, und wann soll ich das noch unterbringen, bitte? Es schien mir ein Punkt mehr auf der endlosen To-do-Liste zu sein, eine Sache für Menschen, die nur um sich selbst kreisen und zu viel Zeit haben, um über ihre eigenen Befindlichkeiten nachzudenken. Und auch wenn ich es nicht laut sagte, dachte ich dabei vor allem an Singles und Kinderlose.

Vielleicht war ich sogar ein bisschen stolz auf mein ewiges Ausgelaugtsein, wie auf einen heimlichen Verdienstorden: Hier schuftet Mama selbstlos an allen Fronten. Bis zu dem Abend, an dem ich mit meiner Freundin, der Psychologin und Autorenkollegin Anne Otto, beim Wein zusammensaß. Ähnliches Leben, ähnlicher Stresspegel. Und wir beschlossen: Irgendwas muss anders werden. Nicht nur für uns selbst. Denn eine selbstfürsorgliche Haltung, so erklärte sie mir, ist eben kein Egotrip. Sie führt auch zu einem respektvolleren Umgang mit anderen. Klang gut. Nur wie? Anne hatte sofort Ideen – von Meditation bis zu ganz handfesten Tätigkeiten. Ausprobieren und sehen, wie es in mein Leben passt, zu meiner Familie, zu mir. Aus dieser Idee ist erst ein einjähriges Experiment, dann ein Buch geworden. Was davon für Eltern besonders gut funktioniert? Wir zeigen euch die besten Methoden zum Nachmachen.

Meditation:

Sei dir selbst ein guter Freund – in 15 Minuten

Meditation ist ein weites Feld. Mal ist das Ziel, den Kopf freizubekommen von kreisenden Gedanken, mal, Liebe und Freundlichkeit für sich selbst und andere zu kultivieren. Letzteres nennt sich "Metta-Meditation", kommt aus dem Buddhismus, und angeleitete 15-Minuten-Clips zum Mitmachen gibt’s per Youtube oder Spotify. Anfangs fand ich es gewöhnungsbedürftig – schließlich soll man bestimmte Satzformeln nachsprechen, als wäre man in der Kirche oder im Kloster, aber allein vor einem digitalen Endgerät. Erst einmal für sich selbst ("Möge ich friedvoll, glücklich und leicht in Körper und Geist sein"/"Möge ich fähig sein, mich mit den Augen des Verstehens und der Liebe anzusehen"). Danach als gedachten Segenswunsch an eine nahestehende Person ("Mögest du …") und schließlich für jemanden, mit dem man es gerade schwer hat.

Ganz ehrlich: Zuerst hatte ich dabei so ein Fremdschäm-Gefühl von "Wo ist hier die versteckte Kamera?", schließlich habe ich aber gemerkt: Eine Viertelstunde pro Tag Zeit und Raum schaffen, in dem ich das Verständnis für mich und andere kultiviere – das sorgt tatsächlich für ein gutes, sonniges Grundgefühl. Gerade auch für die, die einen sonst zuverlässig auf die Palme bringen, und sei es nur, weil sie in anderen Handlungs- und Denkmustern gefangen sind. In einer Zeitspanne, die man sonst gerade mal zum Duschen benötigt. Wem das auf Dauer doch zu eintönig ist, zu esoterisch oder beides – mir ging es ein bisschen so – , dem seien zum Beispiel die Meditationsangebote der Psychotherapeutin Christine Brähler (christinebraehler.com) empfohlen. Sie arbeitet nach der MSC-Methode (steht für "Mindful Self Compassion") und hat denselben Grundgedanken, nur ohne Räucherstäbchen-Vibes: Es hilft uns, wenn wir uns selbst mit den liebevollen Augen eines mitfühlenden Freundes betrachten, gerade dann, wenn wir uns unzulänglich fühlen – und wem geht das nicht gelegentlich so, auch in Situationen mit den eigenen Kindern oder dem Partner? Auf ihren Audio-Fantasiereisen sollte ich keine Formeln nachsprechen, sie lädt dazu ein, sich ein innerliches Wohlfühl-Setting vorzustellen und in sich hineinzuspüren. Fand ich inspirierend.

Das sagt die Wissenschaft: 

Von wegen Eso-Hokuspokus! Verschiedene Untersuchungen, etwa eine Studie der Uni Bern, zeigen, dass Grübeleien und Selbstvorwürfe weniger werden, wenn sich Menschen in Freundlichkeit sich selbst gegenüber üben, und dass es sie robuster macht gegenüber Stress. Es ist nicht einmal nötig, jeden Tag zu üben: Nach einem Monat intensiver Beschäftigung komme ich heute nur noch in besonders herausfordernden Situationen auf diese Technik zurück.

Meine Wertung: 4 von 5 Herzen

Slow Art:

Die eigene Wahrnehmung schulen – an einem halben bis ganzen Tag

Bevor ich Mutter wurde, habe ich oft und gern Zeit allein verbracht. Ich bin sogar solo verreist, zumindest übers Wochenende. Der Rhythmus von Kontakt und Rückzug tut mir gut. Wenigstens zwei Stunden allein im Museum habe ich mir aber auch noch hin und wieder freigeschaufelt, als ich Kinder bekam. In meiner Heimatstadt Hamburg habe ich’s ja nicht weit zur Kunsthalle. Jetzt habe ich gelernt: Das kommt einer Selbstfürsorgetechnik schon ziemlich nahe, die sich "Slow Art" nennt. Grundgedanke: Such dir intuitiv drei Werke aus (Bild, Skulptur, Installation) und beschäftige dich damit jeweils 20 Minuten, ganz intensiv. Geh näher ran, weiter weg, beobachte, was du wahrnimmst und fühlst, ohne zu werten oder zu analysieren. Ganz für dich. Dazu muss man nicht mal über Kunst wissen, im Gegenteil, zu viel Verkopftheit stört die Erfahrung eher. Der Effekt: Instant-Erholung – weil so ein intensives Hinschauen ein erholsamer Kontrast ist zum üblichen Hin- und Herswitchen. Ich war so froh, als nach dem letzten Lockdown die Museen wieder aufmachen durften!

Das sagt die Wissenschaft: 

Das Leben ist Multitasking, Elternsein besonders. Doch Neuropsychologen sagen: Das ständige Springen zwischen Reizen produziert Stresshormone, die uns wuschig machen. Das überträgt sich im schlechtesten Fall auf unsere ganze Familie. Wir brauchen also Pausen, in denen unser Geist schweifen kann. Ist kein Museum in der Nähe, tut’s auch ein Bildband. Kunst ist nicht euer Ding? Alternativ kann man auch Satz für Satz und Wort für Wort ein Gedicht oder einen Roman lesen, achtsam essen (Slow Food), bewusst den Körper trainieren, etwa bei Yoga oder Kraftübungen, ohne sich dabei abzulenken.

Meine Wertung: 5 von 5 Herzen

Bewusst träumen:

Nacht für Nacht

Endlich mal durchschlafen – der größte Wunschtraum von Baby-Eltern, auch für sich selbst. Aber auch später im Familienleben gibt es Phasen, in denen man den Eindruck hat: Nur nachts darf ich ganz bei mir sein. Nutzen wir die Chance! Denn auch Leute, die behaupten, nie zu träumen, können lernen, sich an die Bilder der Nacht zu erinnern. Und davon profitieren. Sich schon vor dem Einschlafen bewusst darauf einstellen ("Mal sehen, was mir heute das Kopfkino zeigt!"), morgens nach dem Aufwachen noch fünf Minuten liegen bleiben und ordnen, was davon übrig ist, am besten gleich aufschreiben. Für ein paar Wochen habe ich tagsüber ganz nebenbei – auf dem Weg zur Arbeit, beim Putzen oder Einkaufen – darüber nachgedacht, was mir die Szenen sagen wollen, vor allem Bilder, die sich wiederholten. Große, verstaubte Wohnungen, die ich im Traum aufschließe? Vielleicht vernachlässigte Interessen, Anteile von mir selbst, die gerne wieder mit Leben gefüllt werden möchten. Mühselige Reisen mit unklarem Ziel? Könnte das ein Hinweis sein, dass eine berufliche Neuorientierung ansteht?

Das sagt die Wissenschaft: 

Manche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen betrachten Träume als eine Art Abfallprodukt des Geistes. Aber selbst wenn, wäre es schade drum. Denn andere, wie der führende deutsche Schlaf- und Traumforscher Michael Schredl, sagen: Träume können einen Hinweis geben auf Themen, die uns – oft unbewusst – umtreiben, verborgene Gefühle, die uns manchmal auf Ideen zur Problemlösung bringen. Dazu braucht es keine Expertise von außen, wir selbst sind uns die besten Traumdeuter. Und außerdem ist ein Traumtagebuch eine Art Lizenz, sich selbst wichtig zu nehmen. Kommt bei uns Eltern sonst oft zu kurz.

Meine Wertung: 4 von 5 Herzen

Achtsam Essen:

Schlemmerbuffet statt Einheitsbrei

Wenn in den letzten Jahren in meinem erweiterten Freundeskreis das Thema Essen auf den Tisch kam, bereitete mir das gemischte Gefühle: Ungläubigkeit, Wurstigkeit, Scham. Denn auf einmal schien jeder eine eigene Philosophie zu haben. Clean Eating, Biokiste oder Vegan klang gesund und Fridays-for-Future-tauglich, aber auch ganz schön kompliziert. Schon aus zwei Gründen hatte ich Bauchschmerzen: meine Tochter und mein Sohn. Die sind beide eher Fleisch-ist-mein-Gemüse-Typen, mögen’s gerne rustikal und am liebsten überbacken. Als selbstlose Allesesser passten mein Mann und ich uns einfach an. Und jetzt Annes Vorschlag: einen Monat lang achtsam essen, also nur das, was mir guttut und schmeckt? Was für ein Mehraufwand! Dann merkte ich: Nicht doch, einige Ideen lassen sich überraschend gut im Alltag umsetzen. Erstens: Vor jeder Mahlzeit kurz in sich hineinhorchen, wie überhaupt das Körpergefühl ist, wie groß der Hunger, statt nebenbei in sich reinzuschaufeln, was auf den Tisch kommt. Simpel, aber wirkungsvoll. Zweitens: mehr Kombimöglichkeiten multiplizieren den Genuss. Zum Beispiel süß und salzig, so wie Käsebrot mit Apfelspalten – muss ja keiner mitmachen. Oder Baukastenprinzip: Abends für die anderen warm kochen, einen Salat dazu, und selbst nur das Grünzeug mit Schafskäse pimpen und die Pasta links liegen lassen. Ich habe sogar ein bisschen abgenommen, das war willkommener Beifang, aber darum ging es nicht. Eher um das gute Gefühl: Mama darf auch mal eine Extrawurst.

Das sagt die Wissenschaft: 

Zu viele Menschen, vor allem weiblichen Geschlechts, machen sich zu viele Gedanken um ihr Gewicht, etwa die Hälfte ist damit unzufrieden. Das ist traurig, macht Diätmittelhersteller reich und führt im schlimmeren Fall irgendwann zu Essstörungen. Ganz anders das Konzept des "intuitiven Essens", bei dem es nicht um die perfekte Taille geht, sondern um Körpergefühl und In-sich-Hineinhorchen. Habe ich wirklich Hunger, oder esse ich nur aus Gewohnheit, Langeweile, Frust? Was fehlt mir wirklich? Die Ernährungspsychologin Katja Kröller von der Hochschule Anhalt sagt: Eine Ernährungsumstellung muss zu den eigenen Lebensumständen und Vorlieben passen, sonst ist sie nicht nachhaltig. Eine Freundlichkeit und Zwanglosigkeit, die gerade gestressten Müttern schmecken dürfte.

Meine Wertung: 5 von 5 Herzen

Freudvoller arbeiten:

Im Wesentlichen entspannt

Ich arbeite gern. Kein Kunststück, schließlich ist es eine tolle Aufgabe, Texte zu verfassen über Themen, die einem am Herzen liegen. Zu lieben, was man tut, ist die beste Burnout-Prävention. Aber wie jeder Job hat auch dieser seine Stress-Seite: Als Freiberuflerin weiß ich nie, wo nächsten, übernächsten Monat das Geld herkommt und wie viel. Festangestellte Freundinnen mit Kindern haben nicht weniger Druck, nur unter anderen Vorzeichen: Gerade Mütter in Teilzeit schuften oft umso härter, um dem Team zu beweisen, dass man sie für voll nehmen kann. Selbstfürsorge im Arbeitskontext heißt also vor allem, das Hamsterrad zu bremsen. Indem man Pausen einplant (also nicht mittags durchkeult und nebenbei ein Sandwich schlingt), klar kommuniziert, wenn man überlastet ist. Mindestens genauso wichtig ist es, sich zwischendrin aufs Wesentliche zu konzentrieren: Was hat in deinem Leben gerade Priorität, was fehlt dir, und passen deine täglichen Aufgaben dazu? Die entlastende Antwort kann auch sein: Im Moment stehen meine Kinder an erster Stelle, und deshalb reicht es, in meinem Job am Ball zu bleiben, ohne mich innerlich zu mehr Ehrgeiz anzutreiben. Meine Entscheidung, mein Plan. Auch so fühlt man sich gleich weniger fremdbestimmt.

Das sagt die Wissenschaft: 

Eine Metastudie der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin und Arbeitsschutz zeigt, dass schon kurze Pausen (zehn bis 15 Minuten) einen messbaren Effekt auf die Regeneration haben. Aber auch Tätigkeitswechsel dienen der psychischen Gesundheit. Sehen wir’s also positiv: Es ist nicht nur Doppelbelastung, wenn man vormittags im Labor steht und nachmittags auf dem Spielplatz, sondern schafft auch inneres Gleichgewicht.

Meine Wertung: 4 von 5 Herzen

Ärgerfasten:

Hallo, innerer Beobachter!

Das Kinderzimmer sieht aus, als hätte ein Oger darin Party gemacht, der Kühlschrank ist geplündert, und beim Kinderarzt hängt man eine Stunde in der Telefonwarteschleife fest: Es gibt genug Gründe, sich ständig zu ärgern. Aber auch einen, es (erst mal) nicht zu tun. Ein Teil meines Experiments war, meinen inneren Beobachter zu schulen: mich morgens fünf Minuten hinsetzen, Augen zu, atmen, dabei wahrnehmen, wie ich mich fühle – freudig, niedergeschlagen, wütend – ohne zu werten. Und diese Distanz mitzunehmen in Situationen, die mich auf die Palme bringen. Erst mal durchzuatmen und zu schauen: Was fühle ich, ist das eigentlich angemessen, wie reagiere ich gut, statt zu schmollen oder loszupoltern. Das hat auch ganz gut geklappt – manchmal.

Das sagt die Wissenschaft: 

Durch chronischen Stress, auch inneren, wird unser Blut mit Cortisol überflutet. Folge: Durch den Kampf- oder Fluchtmodus bekommen wir einen Tunnelblick, nehmen das Gegenüber eher als Feind wahr. Das ist auch körperlich langfristig schädlich. Mentale Übungen wie der innere Beobachter können diesen Teufelskreis durchbrechen.

Meine Wertung: 4 von 5 Herzen

Natur erleben:

Deine Spuren im Sand

Wie gut, dass ich beim ersten Mal allein war! Irgendwie peinlich, an einem nasskalten Herbsttag mit nackten Füßen und geschlossenen Augen an einem Baumstamm in einem niedersächsischen Wald zu lehnen, während gerade eine fröhliche Wandergruppe vorbeizieht. Die hielten mich sicher für eine schrullige Alte. Aber schon während meiner Oktober-Aufgabe (es ging um ein intensives Naturerlebenis mit allen Sinnen) dachte ich: Das ist eigentlich eine Variante von Akku-Aufladen, die auch Kindern Spaß machen müsste. Weil man als Erwachsene wieder lernt, die Natur als Abenteuerspielplatz zu erfassen, im Wald, am Strand, an einem Flussufer: mit den Fingerspitzen fühlen, wie unterschiedlich Blätter sind, nackten Boden unter den Sohlen spüren, sich an Bäume lehnen, die Augen zumachen, Geräusche und Gerüche wahrnehmen. Sich treiben lassen, zulassen, dass man sich verirrt. Für diesen Fall hatte mein Computerspiel-affiner Zwölfjähriger geraten: "Wenn du in einem Labyrinth bist, entscheide dich: entweder immer links abbiegen oder immer rechts, so kommst du raus." Nach einem Tag fernab meiner Großstadtwohnung fühlte ich mich jedenfalls, als hätte ich gerade mindestens eine Wellnesswoche hinter mir. Nächstes Mal nehme ich meinen Sohn mit, dann soll er auch mal ausprobieren, ob die Orientierung im Wald so klappt wie auf dem Bildschirm.

Das sagt die Wissenschaft: 

Vor allem für Stadtmenschen sind Naturerlebnisse ein sehr erholsamer Kontrast für Körper und Geist. Japanische Gesundheitswissenschaftler (da kommt der Trend zum "Waldbaden" her) konnten nachweisen, dass die Zusammensetzung der Waldluft günstig wirkt für Atemwege und Lunge, das Herz-Kreislaufsystem stärkt und sogar Depressionen lindern kann. Also ab und zu raus, und sei es nur in den Stadtpark, denn Grün wirkt auch in kleinen Dosen. Die Gesundheitspsychologin Antje Flade konnte zeigen, dass allein die Anwesenheit einer Pflanze in einem Krankenzimmer die Genesung beschleunigt.

Meine Wertung: 5 von 5 Herzen

Do it yourself:

Selbstfürsorge, selbstgestrickt

Wenn es meiner Teenagertochter nicht gut geht, dann bäckt sie. Gerne auch Weihnachtskekse mitten im Sommer. Guter Trick: Mechanische Tätigkeiten mit den Händen mit sichtbarem Ergebnis können erden, runterbringen, ein gutes Gefühl verschaffen. Eigentlich also ein toller Ansatz, meine Selbstwirksamkeit zu schulen – und so besorgte ich mir nach Jahrzehnten zum ersten Mal wieder ein Strickzeug. Leider muss ich sagen: Das ging nicht gut aus. Meine Aufgabe frustrierte mich, strengte mich an, machte mich unglücklich. Weil mir die Routine fehlte, weil ich einfach mehr der Kopf- als der Handmensch bin, lieber Worte verknüpfe als Maschen. Auf einer anderen, unerwarteten Ebene hat das DIY-Experiment aber gut funktioniert: Gemeinsames Tun ist eine gute Gesprächsgelegenheit, gerade mit größeren Kindern. Beim Gemüseschnippeln, Wände neu streichen oder Fahrrad flicken öffnen sie sich eher als beim gut gemeinten Verhör am Esstisch ("nun erzähl doch mal, wie war’s in der Schule.") Das läuft zwar weniger unter Selbstfürsorge. Aber, wie Kollegin Anne sagt: eine liebevolle Haltung sich selbst gegenüber strahlt auch auf andere aus. Passt!

Das sagt die Wissenschaft: 

Handarbeit heilt – das zeigen Studien mit Patienten, die an Angststörungen und Depressionen litten. Genauso wie grobmotorische Bewegungen (etwa beim Sport) führen feinmotorische Bewegungen dazu, dass Menschen sich als selbstwirksam empfinden. Im besten Fall entsteht daraus ein Familienprojekt, im schlechteren sollte man sich keinen Zwang antun: Soll ja keine stressige Extraaufgabe werden.

Meine Wertung: 3 von 5 Herzen

Mikro-Abenteuer:

Öfter mal was Neues

Einen von zwölf Versuchen gab es, bei dem dachte ich: Eigentlich ist es auch ein Akt der Selbstfürsorge, überhaupt Kinder zu bekommen. Die Aufgabe lautete, öfter mal etwas ganz Neues auszuprobieren. Also: eine Sportart, ein exotisches Restaurant, eine Reise an einen unbekannten Ort. Weil man sich lebendiger fühlt, wenn man die eigenen Routinen durchbricht, inspirierter, und weil es stolz macht, die eigene Komfortzone zu verlassen. Habe ich gemacht und mir zum ersten Mal ein SUP-Board ausgeliehen. War gut. Aber: Passiert das nicht sowieso im Elternleben, weil Kinder so viel neue Erfahrungen aller Art mit sich bringen, weil sie uns an unbekannte Orte führen, real und seelisch? Wäre ich nicht Mutter, ich hätte nicht die überwältigende Grenzerfahrung zweier Geburten gemacht, bis heute die Abseitsregel nicht verstanden und sicher keine Hausboottour unternommen. Mal sehen, was als Nächstes kommt.

Das sagt die Wissenschaft: 

Erinnerungen sind haltbarer als Anschaffungen. Der Psychologe Thomas Gilovich von der Cornell University (New York) hat herausgefunden, dass Reisen, Konzertbesuche oder Sportkurse länger für positive Gefühle sorgen als der Kauf etwa von Möbeln oder Kleidung. Und: Neue Tätigkeiten führen zu neuen Verschaltungen im Gehirn und wirken wie Fitnesstraining für die grauen Zellen. Wie gut, dass wir als Eltern viel davon ganz nebenbei mitbekommen!

Meine Wertung: 4 von 5 Herzen

"Ich bin dann mal bei mir" –

das Buch zum Versuch

Zwölf Monate, zwölf Methoden, von Meditation über Dankbarkeitsübungen bis zu Kontaktfasten: Als unsere Autorin Verena Carl (Journalistin und Schriftstellerin) und Anne Otto (Autorin und Psychologin) Anfang 2020 mit ihrem gemeinsamen Projekt "Selbstfürsorge" starteten, konnten beide noch nicht ahnen, worauf sie sich eingelassen hatten. Und wie nötig sie in der Pandemie Wege zum Stressabbau, zum Bei-sich-selbst-Ankommen und zu mehr Gelassenheit haben würden, erst recht als Mütter im Homeoffice-Homeschooling-Spagat. Trotzdem ist "Ich bin dann mal bei mir" (Beltz, 19 Euro, auch als E-Book) kein Coronabuch geworden. Die launig erzählten und ehrlichen Erfahrungsberichte, kombiniert mit psychologischem Know-how und vielen Anregungen, machen Lust auf langfristige Veränderung, ob mit Familie oder ohne, und räumen mit einem weit verbreiteten Vorurteil auf: Liebevoller Umgang mit sich selbst ist kein Luxus und kein Rückzug in einen privaten Wohlfühl-Kokon, sondern eine Haltung sich selbst und der Welt gegenüber, die das Potenzial hat, unser Miteinander positiv zu verändern. Können wir doch alle gut gebrauchen!

ELTERN

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