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Zusammenhang mit der Pandemie? Immer mehr Kinder erkranken weltweit an Hepatitis

Ein Kind liegt krank im Bett
© DimaBerlin / Shutterstock
Anfang April wurden der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durch das Vereinigten Königreich über zehn Fälle schwerer akuter Hepatitis bei Kindern unter zehn Jahren ohne einen ursächlichen Zusammenhang gemeldet. Die Anzahl erkrankter Kinder ist unnormal hoch – im Laufe des Monats April kamen weltweit immer mehr Fälle hinzu. Was steckt hinter der mysteriösen Erkrankung?

Am 5. April 2022 wurden der WHO aus Schottland zehn Fälle einer schweren akuten Hepatitis gemeldet. Üblich seien für Schottland in der Altersgruppe unter zehn Jahren etwa sieben bis acht Fälle pro Jahr, so das Robert Koch-Institut. Weitere Untersuchungen und eine aktive Fallsuche ergaben allein im Vereinigten Königreich mehr als 100 Fälle. Mittlerweile wurden der WHO Fälle aus der ganzen Welt gemeldet.

Hepatitis: Weltweit meldeten 20 Länder Fälle – auch in Deutschland

Die aktuellen WHO-Daten vom 23. April 2022 zeigen unter anderem 13 Infizierte in Spanien, zwölf in Israel, sechs in Dänemark, und mittlerweile wurden auch Fälle in Deutschland bekannt. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC teilte derweil mit, dass in den USA 109 Fälle der mysteriösen Hepatitis-Erkrankung gemeldet wurden. Insgesamt melden 20 Länder weltweit Fälle der Hepatitis-Erkrankung.

Die Besonderheit: Es erkranken hauptsächlich Kinder unter zehn Jahren. Besonders schwere Verläufe treten bei Kindern unter fünf Jahren auf, so die WHO. Nahezu zehn Prozent der betroffenen Kinder benötigten in Folge einer Hepatitis-Infektion eine Lebertransplantation. Mindestens vier Kinder seien in den vergangenen Wochen an einer Leberentzündung gestorben.

Die aktuell laufenden Untersuchungen von Blut- und Stuhlproben im Auftrag des RKI sollen Erkenntnisse über auslösende Erreger schaffen. Erste Vermutungen von Expert:innen gehen in die Richtung der sogenannten Adenoviren als mögliche Auslöser der Erkrankung. Des Weiteren wird über mögliche Zusammenhänge mit der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen spekuliert.

Was sind Adenoviren?

Adenoviren sind eine Erregergruppe, die eine Vielzahl von Erkrankungen auslöst, unter anderem der Atemwege, des Magen-Darm-Traktes oder der Augenbindehaut und Hornhaut. Die Viren sind hoch ansteckend und widerstandsfähig. Am häufigsten kommen Infektionen der Augen oder Erkrankungen mit erkältungsähnlichen Symptomen vor. Es gibt keine ursächliche Behandlung gegen das Virus, nur die Beschwerden können gelindert werden. Infizierte Personen sollten eine Quarantäne einhalten, damit das hochansteckende Virus nicht weiterverbreitet wird. Grundsätzlich ist der Krankheitsverlauf jedoch mild.

Was ist Hepatitis, und welche Symptome treten auf?

Hepatitis ist der medizinische Fachbegriff für eine Entzündung der Leber, die oft durch eine Virusinfektion verursacht wird. Die bisher bekannten Viren werden mit A bis E gekennzeichnet. Die Schwere, der Verlauf und die Übertragung sind jeweils abhängig vom Typus. Die gefährlichsten unter ihnen sind die Hepatitis-B-, -C- und -D-Viren, denn sie können zu einer chronischen Erkrankung führen und sind langfristig für Leberzirrhose und Leberkrebs verantwortlich.

Eine Hepatitis kann sich jedoch ebenfalls durch Erbrechen, Durchfall, Fieber, Unwohlsein, Gelenk- und Muskelschmerzen, Veränderung des Geruchs- und Geschmacksinns, Oberbauchschmerzen, Appetitlosigkeit und Gelbsucht äußern. Gegen die Hepatitis-B-Viren empfehlen das RKI und die Ständige Impfkommission (Stiko) eine Impfung im Säuglingsalter. Eine Hepatitis A-Immunisierung wird besonders bei Risikopersonen und Reisenden empfohlen.

Was haben die Adenoviren mit den schweren Hepatitis-Erkrankungen zu tun?

Die histologischen Befunde deuten auf eine virale Entwicklung der Erkrankungsfälle hin. Die klassischen Hepatitis-Erreger A bis E konnten jedoch ausgeschlossen werden, so das RKI. In der Mehrzahl der Fälle sei das Adenovirus (eines bestimmten Serotyps 41F) nachgewiesen worden. Diese Infektionen verlaufen in der Regel leicht. Bei den meisten Menschen, die sich mit dem Virus infizieren, komme es zu keinen Komplikationen.

Die aktuell führende Hypothese zur Entstehung der akuten schweren Erkrankungen ist, dass ein Kofaktor bei Kindern mit einer Adenovirus-Infektion, die unter normalen Umständen leicht verlaufen würde, eine schwere Infektion oder immunvermittelte Leberschäden auslöst. Worum es sich bei dem Kofaktor handelt, ist noch nicht klar. Auch hier gibt es unterschiedliche Hypothesen. Auffällig ist, dass viele der ursächlichen Auslöser einen Zusammenhang zur Corona-Pandemie darstellen.

Was haben die akuten schweren Hepatitis-Erkrankungen mit der Corona-Pandemie zu tun?

Aktuell gibt es laut RKI vier Hypothesen zur Entstehung der Hepatitis-Erkrankungen bei Kindern:

  1. Eine erhöhte Suszeptibilität – die Reaktionsfähigkeit oder Resistenz – gegenüber den Adenoviren. Dies könnte dadurch entstanden sein, dass die meisten Kinder während der Pandemie mit vielen Erregern nicht in Kontakt kamen, die sie aber benötigen, um ein Abwehrsystem aufzubauen.
  2. Ursache könnte möglicherweise eine Infektion mit SARS-CoV-2 oder einer anderen Infektion sein.
  3. Ursache könnte eine Koinfektion – eine Infektion mit mindestens zwei unterschiedlichen Krankheitserregern – mit SARS-CoV-2 oder einer anderen Infektion sein.
  4. Ursache könnte eine Toxin-, Arzneimittel- oder Umweltexposition sein. Unter anderem kann Hepatitis durch verunreinigtes Wasser übertragen werden.

Die WHO berichtet in fast 20 der insgesamt 200 gemeldeten Fälle von einer Doppelinfektion. Demnach scheinen sich die betroffenen Patient:innen sowohl mit dem Adenovirus als auch mit dem Coronavirus infiziert zu haben. Ein Zusammenhang zu den Corona-Schutzimpfungen lasse sich bisher nicht herstellen, da die betroffenen Kinder zum Zeitpunkt der Erkrankung ungeimpft waren.

Worauf müssen Eltern jetzt achten?

Der Chefarzt für Kinder- und Jugendmedizin am Sana Klinikum Lichtenberg, Tobias Tenenbaum, empfiehlt bei der Infektion mit einem Magen-Darm-Virus, besonders die Haut und Bindehäute der Kinder zu beobachten. Verfärben sich diese gelblich, verdunkelt sich der Uris oder wird der Stuhlgang heller, sollte man den Kinderarzt aufsuchen. Eine ausgeprägte Hand- und Badhygiene kann außerdem die Infektionsgefahr verringern.

Wie schätzen Expert:innen die Lage ein?

Fälle schwer verlaufender Hepatitis-Infektionen ohne die Auslöser der A-E-Viren bei Kindern sind selten, so das RKI. Das bedeutet, dass die gemeldeten Zahlen ungewöhnlich sind. Noch könne man die Meldungen nicht klar einschätzen. Die Aufmerksamkeit der vergangenen Woche könnte ebenfalls dazu geführt haben, dass mehr Fälle gemeldet wurden als normal. Zwar sei die Erkrankung selten, komme jedoch auch in Deutschland immer mal wieder spontan vor.

Die aktuell verwendete Falldefinition ist aufgrund des unbekannten Erregers noch wenig spezifisch, was dazu führen kann, dass einige der gemeldeten Fälle am Ende doch eine andere Ursache aufweisen könnten. Zurzeit werde vonseiten der klinischen Zentren nicht von einer erhöhten Inzidenz von schweren Verläufen einer Hepatitis-Erkrankung bei Kindern gesprochen.

Verwendete Quellen: spiegel.de, tagesschau.de, rki.de, who.int, infektionsschutz.de, gesundheitsforschung-bmbf.de, gesundheitsinformation.de

slr ELTERN

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