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Masern, Röteln, Windpocken. Ich bin froh, dass meine Kinder gegen diese Krankheiten geimpft sind. Es gibt mir Sicherheit und das Gefühl, mich richtig entschieden zu haben. Alles gut. Wäre da nicht das Thema Gebärmutterhalskrebs. Ja, ich hatte schon gehört, dass Mädchen sich dagegen impfen lassen können. Am besten kurz vor ihrem ersten Geschlechtsverkehr. Meine Tochter ist zehn. Zeit satt, dachte ich. Aber dann fragten mich immer mehr Mädchenmütter, ob wir Ida impfen lassen. Ehrlich gesagt: Keine Ahnung! Sogar mein Vater schickte mir plötzlich Berichte über die sogenannte „Krebs-Impfung“ und wollte wissen, ob seine Enkeltochter schon geschützt ist. Also verband ich ausnahmsweise Job und Privatleben und machte mich auf die Suche nach Antworten.
Wie wirkt die Impfung eigentlich genau?
Zuerst mal die harten Zahlen: Etwa jede sechste Frau infiziert sich im Laufe ihres Lebens mit „Humanen Papillomaviren“ (HPV), die Gebärmutterhalskrebs auslösen können. In Deutschland erkranken jährlich etwa 4600 Frauen an Gebär-mutterhalskrebs, etwa 1600 sterben. Und ja, die Mehrzahl der Erkrankungen könnte durch eine Impfung verhindert werden. Es sei erwiesen, so Professor Christian Dannecker, stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Klinikum der Universität München, dass 99 Prozent der Gebärmutterhalskrebs-Fälle bei Frauen entstehen, die mit Humanen Papillomviren (HPV) infiziert waren. Aber es bedeutet keinesfalls, dass alle Frauen mit einer HPV-Infektion Krebs bekommen. Tatsächlich kann das Immunsystem die meisten Erreger wieder abwehren.
Kann die Impfung meine Tochter wirklich schützen?

Klar frage ich mich (wie viele Eltern), warum eine Impfung dennoch notwendig sein soll. Die Zahlen hören sich nicht allzu dramatisch an, und irgendwie hofft man ja immer, dass es die eigenen Kinder schon nicht trifft. Geimpft wird nicht gegen alle HPV-Varianten, sondern in erster Linie gegen die gefährlichsten HPV-Typen. „Die Infektion mit diesen Viren kann zu Gebärmutterhalskrebs führen“, so Dannecker. Es sei erwiesen, dass das Risiko nach einer Impfung dramatisch sinkt. Bis zu 90 Prozent der Vorstufen von Gebärmutterhalskrebse können verhindert werden, erklärt mir der Gynäkologe. Zudem gelte die Impfung laut WHO als äußerst sicher. Und es gehe ja nicht nur um das Risiko, an Krebs zu sterben. Schon die Behandlung einer rechtzeitig erkannten Krebsvorstufe könne für eine junge Frau dramatische Konsequenzen haben, warnt Dannecker. Muss ein Teil des Gebärmutterhalses wegen einer Krebsvorstufe entfernt werden, steige bei einer späteren Schwangerschaft das Risiko für Früh- und Fehlgeburten.
Mit der Impfung warten, bis der erste Freund vor der Tür steht?

Und warum sollen die Mädchen neuerdings schon zwischen neun und 14 Jahren geimpft werden? Ein effektiver Schutz sei nur möglich, so Michael Wojcinski, Sprecher der AG Impfen im Berufsverband der Frauenärzte, wenn das Kind vor der Impfung noch keinen Kontakt mit HP-Viren hatte. Und der entstehe nicht nur durch Geschlechtsverkehr. Auch durch Petting und Oralverkehr könne man sich mit HPV infizieren. Also doch noch massig Zeit? Nicht unbedingt, warnt der Gynäkologe. Er könne zwar verstehen, dass es gerade Mädcheneltern schwerfällt, sich vorzustellen, dass die kleine Tochter vielleicht schon bald sexuellen Kontakt haben könnte. Aber das passiere eben heute zum Teil früher als bei uns damals. Hinzu kommt, dass viele Eltern mit ihren Töchtern erst zur Impfung gehen, wenn der erste Freund schon vor der Tür steht. Keine gute Idee für optimale Sicherheit, denn eine Impfung könne nur effektiv schützen, wenn die Serie abgeschlossen werde, erklärt mir Anja Takla, Impfexpertin am Robert Koch-Institut. Die zweite Dosis könne aber erst fünf bis sechs Monate nach der ersten Impfung verabreicht werden. Unwahrscheinlich, dass die Frischverliebten so lange warten.
Auch Jungen profitieren von der Impfung

Und was ist mit den Jungs? Wenn sie die Überträger sind, müssten doch eigentlich auch die Jungen geimpft werden, oder? Ganz genau, versichern meine Interviewpartner. Während ich innerlich die Wahrscheinlichkeit abschätze, dass mein 14-Jähriger Sohn mit seiner Freundin tatsächlich nur Eisessen war, begrüßt Wojcinski die Ausdehnung der offiziellen Impf-Empfehlung auf beide Geschlechter, um – wie zum Beispiel bei Masern – langfristig einen Gemeinschaftsschutz zu erreichen. Im Juni wurde sie von der Ständigen Impfkommission (STIKO) beschlossen. Aber Jungen können keinen Gebärmutterhalskrebs bekommen, halte ich dagegen. Das nicht, aber die HP-Viren seien auch für Krebsarten an Penis, Anus und in den Schleimhäuten von Mund, Rachen und Kehlkopf verantwortlich, erklärt der Frauenarzt. Und für harmlose, aber unangenehme Genitalwarzen, die bei beiden Geschlechtern auftreten können. „Es gibt keine Impfungen nur für Mädchen oder nur für Jungen, sondern nur gegen Bakterien oder Viren“, bringt Wojcinski es auf den Punkt. Das stimmt, denke ich, als ich das Gespräch beende. Und was sage ich nun Idas Opa? In erster Linie eines: Wir müssen nicht nur für deine Enkelin eine Entscheidung treffen, sondern auch für deinen Enkel. Wollen wir nicht, dass andere Jungs unsere Tochter anstecken, müssen wir auch verhindern, dass unser Sohn seine künftigen Freundinnen ansteckt, oder?
Kurz und knapp: alle Infos zur HPV-Impfung
- Altersempfehlung: Möglichst zwischen 9 und 14 Jahren, spätestens bis zum 18. Geburtstag
- Impfstoffe:
1. Gardasil (schützt gegen sieben HPV-Typen, die Gebärmutterhalskrebs, und gegen zwei HPV-Erreger, die Genitalwarzen verursachen) und
2. Cervarix (schützt gegen zwei Hochrisiko-HPV-Typen, kein Schutz gegen Genitalwarzen)
- Häufigkeit: Nach der ersten Immunisierung folgt die zweite Impfung nach 5 bis 6 Monaten (je nach Impfstoff und Alter auch eine dritte).
- Impfempfehlung für Jungen: 2018 beschloss die STIKO, die Impfempfehlung auf Jungen auszudehnen.
- Impfrate, Deutschland gesamt: 31,3 Prozent (Stand 2017) der 15-jährigen Mädchen haben die Impfserie abgeschlossen und sind damit effektiv geschützt.
- PAP-Test: Die Impfung ersetzt nicht den PAP-Abstrich bei der Vorsorgeuntersuchung, da ein Restrisiko für Gebärmutterhalskrebs bleibt.
Weitere Informationen zu HPV für Jugendliche und Eltern findest du auf der Seite der Initiative „Liebesleben“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.