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Kinderwunsch als Single "Dann mache ich das eben alleine!" – gar nicht so einfach, findet eine Solomutter

Eine Mutter trägt ihren Sohn auf dem Rücken
© photophonie / Adobe Stock
Kinderwunsch als Single? Im Interview erzählt eine Solomutter, was es heißt, alleine ein Baby zu bekommen – und was jede Frau vorher bedenken sollte.

Frauen, die als Single allein eine Familie gründen, werden Solomütter genannt, im Englischen "Single Mom by Choice". Sie bekommen ihr Kind mit Hilfe einer Samenspende, ganz ohne Partner:in. Rike* ist so eine Solo-Mama. Ihr Sohn ist jetzt neun Jahre alt, sie hat sich für diese Art der Familiengründung entschieden, als der Weg noch ziemlich unbekannt war. Sie liebt ihren Sohn und steht zu ihrer Entscheidung. Trotzdem will sie andere Frauen über die Konsequenzen so einer Entscheidung aufklären. Im Interview erzählt die Solomutter von den besonderen Herausforderungen – und welche Familienform sie heute stattdessen empfehlen würde.

ELTERN.de: Sie sind der Meinung, dass der "Hype um die Familienform der Solomutterschaft Züge annimmt, die am Ende das Kind vergessen". Was genau stört sie?

Rike: Auf Instagram werden mittlerweile viele Kurse angeboten, wie man den Weg zur Solo-Mutterschaft hinbekommt. Als müsse man nur sein Mindset stärken. So entsteht der Eindruck, jede kriegt das so einfach gewuppt. Das stimmt nicht. Man braucht viel Power und Reflexionsfähigkeit. Das Mindset allein reicht nicht, das ist eine Lebensaufgabe. Es ist schön, dass die Familienform gezeigt wird, und zur Normalität wird. Aber man darf es nicht schönreden.

Inwiefern werden dabei die Bedürfnisse des Kindes vergessen?

Damals vor zehn Jahren war das Thema Solomutterschaft noch unbekannt. Es war ein Tabuthema. Ich bin Therapeutin, deshalb war mir klar: Natürlich kläre ich mein Kind ganz früh auf. Es sollte nicht mit einer Lüge groß werden. Mein Sohn konnte gerade sprechen, da hat er gefragt: Wo ist Papa? Obwohl ich mich vorbereitet hatte, war ich total geschockt. Ich dachte einfach, das kommt später. Ich habe ihm das kindgerecht erklärt. Er fand es lange Zeit richtig doof. Das ist es, was ich schwierig finde. Es heißt so oft, gerade von Solomüttern, dass das Kind keinen Vater braucht. Aber wir wissen vorher nicht, was für ein Kind wir bekommen, welche Bedürfnisse dieser Menschen haben wird. Das stört mich so an diesem Hype – dass da die Haltung herrscht "Dann mache ich das eben alleine!". Aber welche Konsequenzen das hat, ist vielen nicht bewusst.

Welche Konsequenzen sind das?

Zum einen: Ich weiß vorher nie, wie das Kind das finden wird. Natürlich ist mein Sohn damit aufgewachsen und für ihn ist es in gewisser Weise normal. Trotzdem hat er ein großes Bedürfnis nach männlicher Nähe. Und wenn ich merke, dass ich ihm das nicht erfüllen kann, entsteht auch ein Schuldgefühl, darüber, was ich ihm da zumute. Das muss man wissen.

Außerdem bin ich als Solomutter zu 100 Prozent für mein Kind verantwortlich und habe vielleicht überhaupt keine Zeit mehr für mich. Was, wenn ich doch noch mal Lust auf eine Partnerschaft habe? Es wird ja oft gesagt, der:die Partner:in kann später noch kommen. Aber wie soll ich die Zeit und Energie finden, jemanden neu kennenzulernen? Am Anfang, bevor das Baby geboren ist, sagen alle ihre Hilfe zu. Aber dann sind die meisten doch schnell verschwunden, jede:r hat mit dem eigenen Leben genug zu tun. Eine Solomutter muss schauen, wie sie das hinkriegt, ohne Unterstützung zu haben – und trotzdem genug Selbstfürsorge betreibt, um nicht auszubrennen.

Bekommen Sie manchmal zu hören "Du hast das doch selbst so entschieden"?

Ja, wenn ich früher überlastet war, gab es immer wieder Leute, die mir das vorgeworfen haben. Dabei hat sich auch der Großteil der Mütter mit Partner bewusst entschieden, ein Kind zu bekommen, und trotzdem fühlen sie sich manchmal überlastet. Es stimmt, ich habe mich entschieden, eine Solomutter zu sein. Dazu stehe ich. Aber gerade heute merke ich, dass mir die soziale Verantwortung manchmal zu viel ist und wie dankbar ich dafür bin, dass mein heutiger Partner mich in der Erziehung und Betreuung unterstützt.

Viele alleinerziehende Mütter sind in der Situation, dass die Väter nicht für ihre Kinder präsent sind. Was ist der Unterschied zur Solomutterschaft?

Als Solomutter fehlt mir beziehungsweise meinem Kind die andere Hälfte der Familie. Nicht nur der Vater, sondern auch Oma und Opa oder andere Verwandte. Es fehlt ein Mensch, der sich – in welcher Form auch immer – mit kümmert oder finanziell unterstützt. Denn das alles ist bei Samenspendern nicht der Fall. Vor allem aber fehlt ein Stück Identität.

Wie wirkt sich das auf Ihr Kind aus?

Manchmal ist mein Sohn traurig und fragt sich, wie sein Vater wohl aussieht. Natürlich hat er ein recht darauf, die Personalien zu erfahren, sobald er 16 Jahre alt ist. Aber das heißt nicht, dass er seinen Vater kennenlernen wird. Wenn der Mann nicht will, hat mein Sohn keine Chance – und dann fehlt ihm ein Teil seiner Identität. Das finde ich einen ganz wichtigen Punkt, wenn man über Solomutterschaft nachdenkt. Ich habe mich damals damit beruhigt, dass mein Kind den biologischen Vater ja kennenlernen kann. Aber das stimmt nicht unbedingt.

Über die womöglich große Anzahl an Halbgeschwistern, die ein durch Samenspende gezeugtes Kind haben kann, machen sich auch die wenigsten im Vorfeld Gedanken. Wäre Co-Parenting eine Alternative?

Ich glaube tatsächlich, dass das eigentlich eine bessere Lösung ist für alle Beteiligten. Zum einen teile ich die Verantwortung. Zum anderen ist für das Kind klar, von wem es abstammt. Es gibt einfach einen größeren familiären Kontext. Und es gibt die Möglichkeit, dass ich als Elternteil ab und zu regenerieren und mich mal auf etwas anderes konzentrieren kann. 

Was raten sie Single-Frauen mit Kinderwunsch?

Ich weiß, wie man drauf ist, wenn man diesen Kinderwunsch hat. Es ist ein Tunnelblick. Ich war gar nicht mehr zurechnungsfähig. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen: Ein Kind allein macht dich nicht glücklich. Frage dich wirklich, welche Konsequenzen hat das alles für mein Kind? Welche hat es für mich? Man denkt beispielsweise, man könne normal weiterarbeiten, es gibt ja Betreuung.

Was ist aber, wenn es deinem Kind zu viel ist, acht bis zehn Stunden fremdbetreut zu werden? Du kannst nicht davon ausgehen, dass dein Leben im Großen und Ganzen so weitergeht, wie du dir das vorstellst. Ich finde, jede sollte sich unabhängig vom Kinderwunsch damit auseinandersetzen, wie sie ihr Leben zufrieden gestaltet und ob die Entscheidung zur Solomutterschaft wirklich sozial, finanziell und psychisch getragen werden kann. Auch mit den Herausforderungen, die durch Unterstützung und liebe Menschen zu meistern sind, möchte ich keinen Tag auf mein Kind verzichten.

*Name von der Redaktion geändert

ELTERN

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