Warum Kinder träumen?
Träume kommen vorwiegend in der zweiten Nachthälfte, während der REM-Schlafphase, vor. Der Begriff "REM-Schlaf" kommt aus dem Englischen und bedeutet: "Rapid Eye Movement", also schnelle Augenbewegungen. Vor allem am frühen Morgen lassen sich bei Kindern Zuckungen der Lider beobachten. Das ist die Zeit, in der am stärksten geträumt wird. In der ersten Hälfte der Nacht, der so genannten Tiefschlafphase, träumt man kaum. Meistens kann man sich direkt nach dem Aufwachen noch gut an den Traum erinnern und die Inhalte erzählen. Im Laufe des Tages verblassten dann die Erinnerung an das Geträumte.
Die Kindheit ist der Lebensabschnitt, in dem am intensivsten geträumt wird. Kinder verfügen über erstaunlich viel Phantasie. Sie entdecken jeden Tag etwas Neues. Die vielen Eindrücke werden in bunten Träumen verarbeitet.
Unterschiedliche Traumarten
In der Traumforschung gibt es drei Arten von Träumen:
Alltagsnahe oder positive Träume geben Erlebnisse des Vortages wieder. Die Orte und Situationen sind der Wirklichkeit entnommen. Solche Träume geben Einblick in die Auffassungsgabe und die Interessen des Kindes. Nach dem Aufwachen haben Kinder ein zufriedenes Gefühl. Für die Entwicklung und die Persönlichkeit des Kindes sind diese Träume sehr wichtig.
Phantastische Träume führen in die ungewöhnlichsten Traumlandschaften. Sie verraten viel über die Einbildungskraft und Kreativität des Kindes. Wünsche und Sehnsüchte, die im wirklichen Leben unmöglich scheinen, werden in phantastischen Träumen wahr. Bis ins kleinste Detail können diese Träume ausgemalt sein, denn der Phantasie sind in der Taumwelt keine Grenzen gesetzt. Viele kleine Träumer nehmen sich vor, am nächsten Abend gleich wieder in berauschende Welten abzutauchen. Die Erinnerungen an Abenteuer und Luftschlösser können das Kind den ganzen Tag begleiten.
Alpträume verschrecken und verunsichern das Kind. Der deutsche Begriff "Alp" geht auf ein koboldhaftes, gespenstiges Wesen zurück, das sich nachts auf den Schlafenden setzt und bei ihm ein bedrückendes Gefühl von Angst hervorruft. Ähnlich empfinden wohl auch kleine Kinder Aplträume. Sie rufen nach Hilfe und weinen.
Oft wachen Kinder orientierungslos auf und brauchen einige Zeit, um wieder zu sich zu kommen. Alpträume können wie ein Abbild der Wirklichkeit erscheinen und machen auch nach dem Erwachen Angst.
Im Kindesalter sind Alpträume sehr häufig. Mit den meisten Alpträumen bewältigen Kinder Ereignisse des Tages und Veränderungen im Leben. Daher können sie sogar positiv sein, weil sie helfen, Belastendes besser zu ertragen.
Hilfe bei Alpträumen
Alpträume können so intensiv und belastend sein, dass Kinder große Angst vor dem Einschlafen haben. Sie befürchten, dass Monster und schreckliche Gestalten wiederkehren.
• Oft ist es hilfreich ein kleines Lämpchen im Kinderzimmer brennen zu lassen. Viele Kinder fürchten sich vor tiefer Dunkelheit.
• Wichtig ist es für Kinder, einen nächtlichen Begleiter zu haben. Der Teddy oder das Schmusetuch können gute Beschützer durch die lange Nacht sein.
• Denken Sie an abendliche Rituale, wie die Gute-Nacht-Geschichte. Kinder brauchen einen beruhigenden Tagesausklang, der ihnen Geborgenheit schenkt.
• Lassen Sie sich vor dem Schlafengehen erzählen, was Ihr Kind am Tag erlebt hat. So können sich Probleme noch vor dem Schlafen lösen und müssen nicht im Traum verarbeitet werden.
• Wenn Ihr Kind nachts zu Ihnen ins Bett huscht, weil es schlecht geräumt hat, werden Sie es instinktiv beschützen. Lassen Sie sich den Traum erzählen und nehmen Sie Ihr Kind unbedingt ernst.
• Vergewissern Sie sich gemeinsam, dass sich im Zimmer nichts Böses versteckt hält. Gerade kleine Kinder sind nicht fähig, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden.
• Viele Kinder warten nach dem Aufwachen auf die Frage: "Was hast Du heute Nacht geträumt?" Es ist wichtig, sich in die Welt des Kindes zu versetzen.
Therapeuten und Psychologen warnen Eltern jedoch davor, sich als Traumdeuter zu verstehen. Eltern können fragen: "Wie sah das Ungeheuer denn aus?" Oder: "Du bist ganz schnell gelaufen?" Doch sollten Sie es vermeiden, wilde Theorien über das Geträumte vor Ihrem Kind aufzustellen. Kinder sind noch zu jung, um Traumdeutung richtig zu verstehen. Eine Interpretation von Träumen würde sie eher verunsichern als ihnen helfen.
Alpträume wegen traumatisierender Erlebnisse
Inhalte kindlicher Alpträume lassen nicht gleich Rückschlüsse auf das wirkliche Leben zu. Sie können aber Anhaltspunkte für Situationen im Alltag geben, mit denen das Kind nicht klar kommt.
Überlegen Sie, woher die nächtlichen Ängste Ihres Kindes kommen. Spannungen und Konflikte in der Familie oder im Kindergarten belasten kleine Kinderseelen. Häufig werden einschlägige Ereignisse, wie die Geburt eines Geschwisters, ein neuer Lebenspartner, Beginn des Kindergartens, im Traum verarbeitet.
Manchmal führen aber auch schwerwiegende Ursachen zu Alpträumen: Scheidung, Umzug, Gewalt und sexueller Missbrauch traumatisieren ein Kind über Jahre. Wird Ihr Kind auffallend oft und regelmäßig von Alpträumen heimgesucht, sollten Sie sich an einen Kinderarzt wenden. Fragen Sie die Erzieher im Kindergarten, ob es Probleme im Umfeld Ihres Kindes gibt. Sind Träume stark belastend für ein Kind und wirken sich auf das kindliche Verhalten am Tag aus, ist es hilfreich professionelle Unterstützung von Therapeuten und Psychologen in Anspruch zu nehmen.
Interview mit dem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Richard Koch
Eltern.de wollte von dem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Richard Koch wissen,
was das Träumen für Kinder und Eltern bedeutet.
Ab welchem Alter wird geträumt?
Die internationale Studiengemeinschaft für pränatale Psychologie hat herausgefunden, dass schon im Mutterleib geträumt wird. Durch Messungen der Hirnaktivität konnte man feststellen, dass sich ab der 24. Schwangerschaftswoche der Schlaf von Babys in REM- und Tiefschlafphasen teilt. Säuglinge schlafen nicht nur mehr, sie haben auch doppelt so viele REM-Phasen wie Erwachsene.
Welche Funktion hat der Traum?
Zum einen werden Erlebnisse und Eindrücke, Freud nannte sie Tagreste, in Träumen verarbeitet. Zum anderen lernen Kinder im Traum. Schlafbiologen haben herausgefunden, dass im Traum dieselben Hirnareale wie im Wachzustand, wenn Kinder spielen, stimuliert sind. REM-Phasen sind wichtig für den kindlichen Lernprozess.
Wie sollen Eltern mit Kinderträumen umgehen?
Kleinkinder sind erst im Vorschulalter in der Lage, zwischen Traum und Realität zu unterscheiden. Erst mit fünf, sechs Jahren haben 90 Prozent der Kinder verstanden, Traum und Wirklichkeit zu trennen. Umso wichtiger ist es, Träume von Kindern nicht aus der Sichtweise von Erwachsenen zu betrachten und herunter zu spielen.
Warum haben Kinder Alpträume?
Das ist entwicklungsbedingt. Die Babys kommen auf die Welt. Sie sind nicht mehr im behüteten Mutterleib. Alles ist neu und fremd für sie. Das Trauma der Geburt muss bewältigt werden. Jeden Tag wird etwas Neues gelernt. Tagreste werden in Träumen bewältigt, die nicht immer positiv sind.
Müssen sich Eltern bei Alpträumen ihrer Kinder Sorgen machen?
Nein. In der Regel besteht kein Grund zur Sorge. Alpträume sind Teil der kindlichen Entwicklung. Anders ist es, wenn sich die Träume der Kinder auf das Verhalten am Tag niederschlagen, wenn Alpträume über einen längeren Zeitraum wiederkehren und stark belasten. Eltern sollten aufhorchen, wenn ihnen etwas sehr komisch und fremd vorkommt und sich Rückschlüsse auf traumatisierende Erlebnisse ziehen lassen können. Das erfordert viel Einfühlungsvermögen und die Unterstützung von Fachleuten. Anlaufstellen sind kinderpsychologische Beratungsstellen und Kindertherapeuten.
Sehr geehrter Herr Koch, vielen Dank für das Gespräch!