Artikelinhalt
- Was ist Montessori-Spielzeug?
- Montessori-Spielzeug für Babys: Sehen, greifen, begreifen
- Spielzeug nach Montessori für Kinder ab 1 Jahr: Das Runde passt nicht ins Eckige
- Montessori-Spielzeug ab 2 Jahren: Für mehr Fingerspitzengefühl
- Wie kann man Kinder ab 3 Jahren mit Montessori-Spielzeug unterstützen?
- Montessori-Materialien selber machen – Tipps und Inspirationen
Von der bedürfnisorientierten Erziehung bis zum kindgerechten Montessori-Kinderzimmer – die Erkenntnisse der Medizinerin und Reformpädagogin Maria Montessori zum Wesen des Kindes sind zwar schon über 100 Jahre alt, prägen aber heute mehr denn je unseren Blick auf Kinder. Der Kern ihrer Pädagogik: Kinder sind Individuen, die eine liebevolle Umgebung und Freiraum brauchen, um sich zu gesunden, selbstständigen Persönlichkeiten zu entwickeln. Sie sind kleine Weltentdecker:innen, die die Welt über Sinneseindrücke begreifen und selbst am besten wissen, welche Reize sie für ihre Entwicklung brauchen.
“Hilf mir, es selbst zu tun!”, ist ein häufig zitierter Montessori-Leitsatz, der den Erziehungsauftrag nach Montessori gut zusammenfasst: Schaffe für dein Kind eine kindgerechte Umgebung und gib ihm den Zugang zu Arbeitsmaterialien, die zu seinen Bedürfnissen passen. Dann lass ihm die Freiheit, das Material selbstbestimmt zu erkunden und zu bearbeiten. Und es wird von selbst, ohne Druck von oben, an den Erfahrungen wachsen und sich zu einem rundum gesunden, selbständigen Menschen entwickeln. Die von Montessori als so wichtig empfundene “Arbeit am Material” ermöglicht es dem Kind, seine Kenntnisse zu ordnen, Klarheit zu gewinnen und letztlich innerlich zu wachsen.
So weit so gut, aber wie sieht dieses Montessori-Material denn nun genau aus? Wir haben einige Beispiele für typisches Montessori-Spielzeug gesammelt.
Was ist Montessori-Spielzeug?
Eines vorneweg: Montessori ist kein geschützter Begriff. DAS Montessori-Spielzeug gibt es also nicht. Wie Maria Montessori es selbst ausdrückte: “Für Kinder kann alles ein Mittel zur Persönlichkeitsbildung sein.” Montessori selbst nutzte als Sinnesmaterialien zum Beispiel Geräuschedosen, die den Hörsinn der Kleinen fördern, Geruchsdosen und Geschmacksfläschchen oder den Rosa Turm und die Braune Treppe zur Schulung der visuellen Wahrnehmung.
Neben dem Sinnesmaterial verwendete Montessori außerdem:
- Perlenmaterial (Förderung der Feinmotorik und des Zahlenverständnisses)
- Sprachmaterial (Buchstabenformen oder Wortkarten)
- Material zur kosmischen Erziehung (kleine naturwissenschaftliche Experimente)
- Materialien zum Mathematikverständnis (Perlen, Stangen, Stäbchen)
Heute lassen sich viele Spielzeughersteller bei der Entwicklung ihrer Spielsachen von der Montessori-Pädagogik inspirieren. Nach den Erkenntnissen Montessoris muss dieses pädagogische Spielzeug wie folgt beschaffen sein:
- Es sollte vordergründig den Tast-, Hör,- Seh-, Geruchs- oder Geschmackssinn anregen.
- Es muss die Neugierde des Kindes wecken und ihm ermöglichen, zu tieferen Erkenntnissen vorzudringen, zum Beispiel über Struktur, Dimension oder Bewegungs- und Gleichgewichtssinn.
- Klar und einfach: Nicht zu viele Reize auf einmal, um die geistige Arbeit für das Kind nicht zu erschweren.
- Nach Montessori brauchen Kinder Spielzeug, welches ihnen “geordnete Reize” bietet. Also die Möglichkeit, sich eine Ordnung selbst zu erarbeiten. Geeignet sind zum Bespiel die Prinzipien der Paar- und Kontrastbildung oder Abstufung.
- Montessori-Spielzeug soll Kinder zu einer aktiven Beschäftigung anregen und dazu selbstständig etwas zu tun. Kein Spielzeug, das passiv macht oder nur der kurzfristigen Ablenkung dient.
- Es sollte vielseitig sein und dem Kind die Wahl lassen: Welches Bedürfnis möchte es gerade befriedigen? Welche Tätigkeit tut seiner Entwicklung gerade gut?
- Es muss ein Spielzeug sein, mit dem die Kleinen ohne jegliche Anleitung selbst etwas machen können. Durch die Möglichkeit der Fehlerkontrolle sollten sie in der Lage sein können, ihre Arbeit zu reflektieren und zu perfektionieren (zum Bespiel bei Steck- und Puzzlespielen oder symmetrischer Anordnung).
- Sinnesmaterialien nach Montessori sind Naturmaterialien wie Holz, Sand, Pappe oder Textilstoffe. Da Kinder beim Entdecken der Lernmaterialien alles sehr intensiv anfassen und auch gerne Mal in den Mund nehmen, sind natürliche, schadstofffreie Materialien die beste Wahl. Grundsätzlich ist aber jedes Material mit interessanter Haptik geeignet.
Der kleinste gemeinsame Nenner aller dieser Anforderungen besteht in der Selbstbestimmung des Kindes. Montessori-Spielzeug sollte dein Kind dazu befähigen, sich die Welt aktiv selbst anzueignen und so seinen natürlich gegebenen Wissensdurst zu stillen. Welches Wissen es sich dabei aneignet, ist von Alter zu Alter verschieden. Maria Montessori betrachtet vorwiegend Kinder ab 3 Jahren. Doch Montessori-Spielzeug kann auch für Babys oder Kinder ab 1 Jahr schon interessant sein. Denn auch sie entdecken ihre Umwelt neugierig und freuen sich über Erfolgserlebnisse.
Montessori-Spielzeug für Babys: Sehen, greifen, begreifen
Im ersten Lebensjahr lernt ein Mensch so viele neue Fertigkeiten wie in kaum einem anderen Jahr seines Lebens. Neben der Motorik sind es vor allem der Seh-, Hör- und Tastsinn, auf denen jetzt das Augenmerk liegt. Der Säugling eignet sich die Welt an, in dem er alles, was er erfährt in Kategorien einteilt und so eine Ordnung in seine Wahrnehmung bringt.
Montessori-Spielzeug hat für Babys in diesem Stadium die Funktion, die motorischen Fähigkeiten und die Wahrnehmung anzusprechen und zu fördern, ohne das Kind dabei zu überfordern. Spannend für Babys sind zum Beispiel Montessori inspirierte Mobiles, die es dem Baby ermöglichen, zwischen Hell und Dunkel zu unterscheiden oder solche, die mit geometrischen Formen und Farbschattierungen spielen. (Welche Mobiles für Babys es außerdem gibt und worauf es bei der Auswahl ankommt, erfahrt ihr in unserem Baby-Mobile Vergleich.)
Ab dem 4. Monat wird es für Babys zunehmend spannender, Gegenstände mit all ihren Sinnen zu entdecken. Mit einem kleinen Spielzeug-Set, das deinem Baby verschiedene Formen zum Ertasten und unterschiedlich klackernde Geräusche zum Hören anbietet, und welches es auch mit dem Mund bedenkenlos erkunden kann, seid ihr für die Babyzeit gut versorgt. Unbehandeltes Babyspielzeug aus 100 Prozent natürlichem Holz ist eine sichere Wahl und fördert den Tast- und Hörsinn sowie Hand-Auge-Koordination optimal.
Spielzeug nach Montessori für Kinder ab 1 Jahr: Das Runde passt nicht ins Eckige
Sortier- und Steckspiele, Holz-Puzzle, Stapeltürme – Montessori-Spielzeug für Kinder ab 1 Jahr fördert die Konzentrationsfähigkeit, Feinmotorik und Kreativität der Kleinen. Wer schon einmal beobachtet hat, wie glücklich ein 1-jähriges Kind ist, wenn es nach tagelanger “Arbeit” endlich den dreieckigen Holzklotz in das dafür vorgesehene Loch bekommen hat, wird sofort verstehen, wie befriedigend und aufbauend ein solches Steckspiel für die Kleinen ist. Und dazu rasseln die Holzklötze so lustig in der Box und lassen sich auch prima in die Höhe stapeln.
Mit einem Jahr nehmen Kinder Spielzeug gerne in den Mund. Umso wichtiger ist es, dass es aus hochwertigem, splitterfreiem Holz und ungiftigen Farben auf Wasserbasis besteht. Achte auf CE-Prüfsiegel und das GS-Zeichen für geprüfte Sicherheit, um sicher zu gehen, dass das Spielzeug getestet und für kindersicher befunden wurde. Im besten Fall haben Lernmaterialien aus Holz, wie der Eichhorn Regenbogen, keine scharfen Ecken und Kanten und bleibt auch nach langer Benutzung noch splitterfrei. Grimms Spiel und Holz Design gehört übrigens zu den Spielzeugherstellern, die Montessori explizit als leitenden Ansatz für ihr Holzspielzeug benennen. Weitere Tipps für altersgerechtes Spielzeug für 1-Jährige bekommst du hier.
Montessori-Spielzeug ab 2 Jahren: Für mehr Fingerspitzengefühl
Ein 2-jähriges Kind wird von Tag zu Tag geschickter und entwickelt ständig neue Fähigkeiten und Interessen. Feinmotorisch sind 2-Jährige bereits in der Lage, den Deckel von einem Glas abzuschrauben, an Knöpfen zu drehen oder Perlen auf eine Schnur zu fädeln. Um die Feinmotorik, Konzentration und Problemlösungsfähigkeit deines Kindes noch zu fördern und ihm befriedigende Erfolgserlebnisse zu verschaffen, bietet sich Spielmaterial an, das laut Maria Montessori dem Perlenmaterial zuzuordnen wäre. Weil aber auch bei 2-Jährigen Spielzeug nach wie vor im Mund landen kann, sollten die Perlen zum Auffädeln so groß sein, dass dein Kind sie nicht verschlucken kann. So zum Beispiel bei diesem Holzperlen-Fädelspiel, das 40 bunte Holzperlen in Tierform und vier Schnürsenkel enthält.
Ein Fädelspiel, das ganz ohne Perlen auskommt, ist das Käse-Maus-Fädelspiel: Wie kommt die Maus durch den Käse? Hier kann dein Kind rational Größe und Form der Käselöcher und die Länge der Mäuseschnur analysieren und gleichzeitig kreativ nach Wegen suchen, die Maus durch die Löcher zu fädeln. Das Spielzeug besteht aus unbehandeltem Buchenholz aus nachhaltiger Forstwirtschaft.
Wie kann man Kinder ab 3 Jahren mit Montessori-Spielzeug unterstützen?
Laut Montessori nehmen Kinder zwischen 3 und 6 Jahren sich selbst und ihr Handeln immer bewusster wahr. Sie möchten jetzt endgültig Ordnung in das bringen, was sie in den ersten Lebensjahren erfahren haben. Und das geschieht durch konzentriertes Arbeiten mit höchster Genauigkeit und häufiger Wiederholung, bis sie etwas perfekt beherrschen. Sei es Kugeln nach Farben oder Mengen zu sortieren, Perlen mit der Pinzette zu greifen oder auf einem Löffel zu balancieren (wie bei diesem Sortierspiel) oder verschiedene Formen zusammenzusetzen wie bei diesem Legespiel von Goki. Das richtige Montessori-Spielzeug für Kinder ab 3 Jahren ist geduldig und ermöglicht es Kleinkindern, hochkonzentriert an der Perfektionierung ihrer Fähigkeiten zu arbeiten.
Grundsätzlich ist nun ein gutes Alter, um das Kind für die ersten Zahlen und Buchstaben zu sensibilisieren. Montessori-Spielzeug, das visuell das Mathe-Verständnis fördert, macht es den Kindern später leichter, in der Schule rechnen zu lernen und Zahlen und Formen besser zu begreifen. Das kann mit einer expliziten Mathe-Spielbox mit Rechenstäbchen und Zahlenkarten passieren. Oder etwas abstrakter mit einem Geometriebrett, auf dem dein Kind sowohl kreativ werden, als auch die Konzepte von Symmetrie, Winkeln und Brüchen lernen kann.
Im Alter zwischen 3 und 6 Jahren nimmt erstmals auch das Zusammenspielen mit anderen eine große Rolle ein. Innerhalb der Familie kannst du mit den richtigen Spielen das Sozialverhalten deines Kindes genauso fördern wie sein logisches Denken. Bei dieser Montessori-Sortierbox von Sunarrive geht es darum, abwechselnd auf Zeit Holzbausteine in die vorgegebene Farbreihenfolge zu bringen. Ist eine Reihenfolge fertig, kann der Kasten umgedreht werden, um mithilfe der Symbole auf der Rückseite die Erfolgskontrolle durchzuführen. So kann dein Kind dieses sowohl alleine als auch mit Freunden und Familie spielen.
Logisches Denken, Kreativität und Fantasie, aber auch Hand-Augen-Koordination und Konzentration fördert das Akokie Steckspiel mit Bohrmaschine und Schraubendreher. Als Montessori-Spielzeug kann es deswegen bezeichnet werden, weil es so vielseitig ist und den Kleinen verschiedenste Möglichkeiten bietet, ihre Fähigkeiten zu trainieren und zu entfalten. Mit den beigelegten Karten können sie entweder 2D-Puzzle lösen oder sie schnappen sich den elektrischen Akkuschrauber oder den Schraubendreher und bauen ein 3D-Modell nach Bedienungsanleitung oder frei nach ihrer Fantasie. Ein großer Spaß, bei dem sich die Kleinen ganz groß fühlen können.
Wer sich nicht für buntes Kunststoff-Spielzeug im Kinderzimmer begeistern kann, für den sind die Kapla Steine eine nachhaltiges alternatives Spielmaterial. Auch diese fördern Fantasie, Logik und Geschicklichkeit, bestehen aber aus unbehandelten schlichten Pininenplättchen, die sich zu beindruckenden Kunstwerken zusammenlegen lassen. Zur Inspiration liegt ein Anleitungsheft dem Holzbaukasten bei, so dass Kinder einfach allein losbauen können. Der Vorteil der Kapla Steine gegenüber dem Akokie Steckspiel: Es gibt keine Verbindungsstücke, die verloren gehen oder sich im ganzen Kinderzimmer verteilen könnten.
Montessori-Materialien selber machen – Tipps und Inspirationen
Es hat seinen Grund, warum Maria Montessori in ihrem pädagogischen Ansatz von Material und nicht von Spielzeug spricht. Denn die Sinne und die Neugier eines Kindes werden schon von ganz einfachen Naturmaterialien wie Sand, Steinen, Federn oder Tannenzapfen angeregt. Und oft sind es die ganz banalen Alltagsgegenstände, mit denen Mama und Papa hantieren, die für die Kleinen am spannendsten sind.
Wichtig ist, dass das Material gesundheitlich unbedenklich ist und auch problemlos in den Mund genommen werden kann. Darüber hinaus kannst du beim selbstgemachten Montessori-Spielzeug deiner Fantasie freien Lauf lassen. Hier ein paar Beispiele:
- Nimm deinen Wäschekorb und sammle alle Bälle, die du im Haus finden kannst, darin. Je mehr Bälle verschiedener Größen und Haptiken, desto spannender für dein Baby.
- Da wir schon beim Wäschekorb sind: Wäscheklammern sind für Kleinkinder fast ebenso faszinierend wie Bausteine, denn daraus lassen sich die fantasievollsten Gebilde bauen. Auch als Rechenstäbchen oder zum Farbensortieren eignen sich die bunten Klammern.
- Geräuschedosen, wie Maria Montessori sie verwendete, können zuhause ganz einfach aus alten Joghurtbechern gebastelt werden. Einfach Materialien wie Reis, Nudeln oder Sand einfüllen und die Kinder horchen lassen.
- Ebenfalls ein Montessori-Klassiker, der Ausdauer und Auge-Hand-Koordination der Kleinen trainiert: Löffel- und Gießübungen. Hierfür brauchst du zwei (bruchfeste) Tassen oder Schalen, Löffel und feine Materialien, die Kinder mit dem Löffel von einer Schale in die andere transportieren können oder von einem Becher in den anderen gießen können.
Wenn du über etwas handwerkliches Geschick verfügst, kannst du ein Motorikboard selbst basteln. Hier haben wir clevere Lernwand-DIY-Ideen gesammelt, mit denen dein Kind spielerisch lernen kann, den Reißverschluss auf- und zuzumachen, verschiedene Schnallen zu öffnen oder Schnürsenkel zu binden.
Du suchst nach weiteren Ideen zu altersgerechtem, pädagogisch wertvollem Spielzeug, dann schau doch mal hier vorbei:
Auch Produktvergleiche zum Laufrad, Roller und anderen Fortbewegungsmitteln für Kleinkinder findest du auf ELTERN.
Quelle
Ludwig (Hrsg.): Grundgedanken der Montessori-Pädagogik: Quellentexte und Praxisberichte, Freiburg: Herder 2017.