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Der Zauderer
Muss er? Muss er nicht? Das kann man bei einem Zauderer nie so genau sagen. Wahrscheinlich weiß er es selber nicht. "Muss mal", brüllt er in der Schlange an der Käsetheke, sofort lässt Mama Gouda Gouda sein und sucht die Kundentoilette. Sie wischt, was vor ihr vermutlich seit dem letzten verkaufsoffenen Samstag keiner mehr so richtig gründlich getan hat, die Klobrille ab, schält das Kind aus Schneeanzug und Strumpfhose, hält es über die Brille, weil es die, trotz der mütterlichen Reinigungsbemühungen, "Iiiiih ssseiss eklig" findet. Der Zauderer konzentriert sich minutenlang auf Verdauungstrakt und Harnwege, bekommt einen roten Kopf vor Anstrengung - und muss dann doch nicht.
Der Topf-Gucker
Er kann gar nicht genug davon bekommen. Während seiner Sitzungen und nach erfolgreichem Abschluss bewundert er immer wieder das Ergebnis seiner Bemühungen. Er sitzt selten aufrecht auf dem Topf, meistens hat er den Kopf zwischen die Beine geklemmt, um ja nichts zu verpassen.
Schon lange bevor er selber keine Windel mehr braucht, beweist der Topf-Gucker seine Vorliebe für sanitäre Anlagen: Sobald er sich irgendwie fortbewegen kann, folgt er jedem Toilettenbesucher beharrlich bis zur Kloschüssel; in unbeobachteten Augenblicken versenkt er gerne Gegenstände darin, die den ordnungsgemäßen Abfluss dann erheblich behindern - was für den Topf-Gucker jedesmal ein besonders erfreuliches Ereignis ist.
Der Anarchist
Er macht, wo er geht und steht. Im überfüllten Schwimmbad vor den Kiosk. Bei den Nachbarn auf die Terrasse. In die Klötzchenkiste des Bruders. In den Sandkasten. Von der Rutschbahn auf dem Spielplatz. Er warnt nicht vor, er kündigt nicht an, er zieht (meistens jedenfalls) die Hosen herunter und legt los. Danach schippt er weiter Sand, rutscht Rutsche oder spielt Klötzchen, als ob nichts gewesen wäre. Der Anarchist verfügt über keinerlei Unrechtsbewusstsein, Nachfragen über seine Motive quittiert er mit einem Schulterzucken oder dem lapidaren Hinweis "Halt Pipi musst".
Der Kommentator
Er redet ständig darüber. Egal ob er gerade selber mal muss oder wer anders. "Stinker macht?", erkundigt er sich interessiert bei der älteren Dame, die den Waschraum des Restaurants verlässt. "Muss kakern", verkündet er lauthals und ist dabei ohne jedes Gefühl für Stimmungen. So sprengt er zum Beispiel auch schon mal die feierliche Trauung seiner Tante. Häufig verbreitet unter den Windellosen ist übrigens die Mischung aus Topf-Gucker und Kommentator. Den Kopf tief über die Schüssel gebeugt, beschreibt er alles, was da so rauskommt. Wer sich dabei in seiner Nähe aufhält, weiß deshalb immer ganz genau, ob "große Wurst", "nur paar Tröpfchen" oder "viele kleine Wursts" das Ergebnis seiner Bemühungen sind.
Der Verweigerer
Er möchte am liebsten gar nicht müssen. Regelmäßige behutsame Nachfragen über möglicherweise anstehende dringende Geschäfte weist er mit heftigem Kopfschütteln und zusammengepressten Lippen weit von sich. Bestehen die sturen Eltern nach Stunden trotzdem mal auf der Notwendigkeit einer Sitzung, rennt der Verweigerer, so schnell er kann, weg, versteckt sich unter dem Sofa und schreit dermaßen laut, dass die Eltern beim nächsten Zusammentreffen von den Nachbarn mit misstrauischen Blicken durchbohrt werden.
Fängt ein Erziehungsberechtigter den Verweigerer endlich ein, wirft der sich vor das Klo, strampelt so heftig, dass man seine Hosen unter keinen Umständen herunterziehen kann - und macht hinein. Danach wirkt er irgendwie erleichtert und beruhigt die Eltern: " Endlich Pipi macht!"
Der Genießer
Er kann, wie der Name schon sagt, genießen und schweigen. Stundenlang sitzt er auf Topf oder Kloring, rote Ränder am Po scheinen ihn dabei nicht im Geringsten zu stören, er ist mit wichtigeren Dingen beschäftigt: Er singt, "Waddehaddedudeda" zum Beispiel oder vom Mops, der in die Küche kam und dem Koch ein Ei stahl. Er malt mit Wachsmalkreide die Badezimmerfliesen an. Er isst in Ruhe einen Fruchtzwerg. Er brummt wie ein Schwerlaster. Er zerlegt die Hochzeitsbarbie der Schwester in Einzelteile. Er sortiert seine Überraschungseier-Überraschungen Stück für Stück ins Töpfchen oder liest in einem Spielzeugkatalog.
Genießer sind übrigens, das ist ein Erfahrungswert, in der Regel männlich und behalten ihre Vorliebe für ausgiebige Sitzungen meistens bei.
Der Wichtigtuer
Der trägt seinen Topf, leer oder voll, den halben Tag durch die Wohnung. Jede mögliche Darmtätigkeit, den kleinsten Druck auf der Blase verkündet er mit großer Geste. Am liebsten muss er vor Publikum müssen. Er verbringt ganze Kindergeburtstage auf dem Klo, nur weil er es nicht lassen kann, die Geburtstagskind-Mama immer wieder davon zu überzeugen, dass er schon wieder muss.
Ein Wichtigtuer kann keine Pizzeria betreten, ohne sich bei dem Kellner noch vor dem ersten Stück Margherita zu erkundigen, wo er hier hingeraten ist: "Kann ich bei dir auch aufs Klo gehen?"
Wichtigtuer erkennt man sehr früh: Sie fuchteln schon auf dem Wickeltisch aufgeregt mit ihren Windeln, leer oder voll, herum, und ihr erstes Wort, noch vor Auto oder Mama, ist "Aa".
Der Spieler
Über ihn möchte man am liebsten vornehm schweigen. Der Vollständigkeit halber nur so viel: Er spielt immer überall mit allem. Seine Eltern erkennt man daran, dass sie ohne eine Vorratspackung Feuchttücher nicht das Haus verlassen.