Im ersten Jahr
Ohne dich will ich nicht sein
Auch Babys haben Präferenzen, mit welchen Kindern sie am liebsten Zeit verbringen. Ob daraus die Freundschaft fürs Leben wird? Piepegal!
Karl ist der beste Freund von Franz. Sagen würde er das nicht, keine Chance mit elf Monaten. Aber wenn seine Mama Franz im Kinderwagen an Karls Haus vorbeischiebt, versucht er regelmäßig, sich aus diesem zu stürzen – was er sonst nur vor der Bäckerei mit den leckeren Croissants macht. Wir können davon ausgehen, dass weder Karl noch Franz das Konzept von Freundschaft zur Gänze erfassen (wer tut das schon), aber dass die beiden sich irgendwie mögen, steht außer Zweifel.
Ab wann Kinder tatsächlich Freundschaft für Gleichaltrige empfinden und was das heißt, darüber wird sich in der Wissenschaft gestritten. Es tut aber auch nichts zur Sache, findet Professor Fabienne Becker-Stoll, die das Münchner Staatsinstitut für Frühpädagogik leitet, "weil wir wissen, dass schon ganz kleine Babys von anderen Kindern fasziniert sind, dass sie auf junge Gesichter offener reagieren als auf ältere. Und dass sie mit acht, neun Monaten in der Kita bereits Lieblingsspielkameraden haben können, auf die sie sich freuen und die sie vermissen, wenn sie nicht da sind."
Natürlich brauchen Babys keine Freunde, wie wir sie später brauchen – bei Liebeskummer oder Stress bei der Arbeit. Kleine Kinder brauchen vor allem feinfühlige Bezugspersonen, die ihre Bedürfnisse zuverlässig erfüllen und ihnen helfen, sich sicher an diese Welt zu binden. Aber gerade wenn das passiert ist, macht es Kinder glücklich und fördert ihre Entwicklung, wenn sie andere Kinder treffen.
Schon drei, vier Monate alte Babys haben Spaß in einer Spielgruppe. Wenn es regelmäßig die gleichen Kinder sind, die kommen, erkennen sie sich irgendwann zuverlässig wieder – auch wenn sie anfangs eher neben- als miteinander spielen und die Kontaktaufnahme vor allem darin besteht, einander den Ball wegzunehmen. Was aus dieser Freundschaft in zwei, zehn oder zwanzig Jahren wird, kann (und muss) keiner vorhersagen, weil gerade diese ganz frühen Beziehungen auf das regelmäßige Miteinander angewiesen sind. Beliebig sind sie trotzdem nicht.
Im Zweiten Jahr
Wie kleine Kinder Freunde finden
Kleine Kinder können Freundschaften außerhalb der eigenen Familie noch nicht selbst pflegen – zum Glück haben die Mäuse dafür ihre Eltern
Alle satt, alle wach, alle zufrieden?
Auf andere Menschen können sich Kinder viel besser einlassen, wenn ihre Grundbedürfnisse erfüllt sind: Deshalb beginnt ein perfektes Treffen am besten mit einer großen Tasse Kakao, einem Butterbrot und einer Schüssel Apfelschnitze. Im Anschluss ein Bilderbuch gucken, vielleicht eines, das alle schon kennen, und dann kann man ja noch sehen, was der Nachmittag so bringt.
Wo treffen?
Für ein erstes Treffen geht es tatsächlich besser nicht ins eigene Kinderzimmer. Denn den liebsten Teddy, die Puppe oder den Bagger mit dem Kita-Kumpel zu teilen, ist deutlich schwerer, als sich am Spielplatz gemeinsam an der Rutsche anzustellen. Und wenn es beim nächsten Treffen dann doch ins eigene Heim geht, übernimmt anfangs Mama oder Papa: Der Erwachsene grüßt freundlich, hilft beim Schuheausziehen, zeigt, wo sich Klo und Wickeltisch befinden, und lässt zwischendurch ganz spendabel eine Apfelschorle springen.
Wann treffen?
Viele Kita-Zwerge haben Terminkalender, die Manager blass werden lassen: Musikkreisel, Kinderturnen, Kleinkindschwimmen. Aber Kinder brauchen Zeit, sich ergebnisoffen zu treffen, langweilige Montag-Dienstag-Mittwoch-Donnerstag-Freitag-Nachmittage eignen sich perfekt, damit sie frei spielen können. In Sachen Sozialkompetenz lernen sie da sowieso viel mehr.
Teilen für Anfänger
In einer idealen Welt gibt es nicht nur genug Windenergie und Essen für alle, sondern auch ausreichend Bauklötze und Einhörner im Kinderzimmer. Und auch wenn es ein Armutszeugnis ist, dass wir Großen das oft nicht ohne Konflikte und Verteilungskämpfe hinkriegen, kleine Kinder können das noch gar nicht können. Sie brauchen einfühlsame Erwachsene, die ihre Konflikte moderieren, ihnen zeigen, wie man das mit der Parkgarage managt. Dass ein Porsche klimatechnisch kacke und der rote Mini sowieso ähnlich cool ist – und das in drei Minuten einfach getauscht wird.
Schüchtern sein ist okay,
weil es eher die Ausnahme ist, wenn Zweijährige schon allerbeste Freunde haben. Und wenn sich der Nachwuchs nicht traut zu fragen, ob er mitspielen darf bei den Windelkickern? Hilft es oft anzubieten, gemeinsam ein Stück näher ranzugehen. Man kann ja einfach erst mal zuschauen.
Im dritten Jahr
Fünf Fragen zum Thema Kinderfreundschaft
Meine beste Freundin – was heißt das konkret für meine Dreijährige?
Sie hat ein anderes Mädchen gefunden, das sie mag. Weil man wunderbar mit der anderen spielen und in der Pause Marmeladenbrote teilen kann. Was Freundschaft bedeutet, dass andere Menschen andere Bedürfnisse haben und man dafür auch mal zurückstecken muss, fangen Kindergartenkinder gerade erst an zu begreifen. Ist ihnen auch egal. Sie leben im Hier und Jetzt, und das macht mit einer besten Freundin richtig Spaß.
Ab sofort und für immer – wie lange halten Kinderfreundschaften?
Seit dem ersten Tag in der Krippe sind Paul und Paula beste Freunde. Inzwischen studieren sie Architektur, wohnen in derselben WG und hängen auf Erstsemester-Partys ab. Erst mochten sich vor allem ihre Eltern, irgendwann waren auch sie unzertrennlich. Natürlich gibt es solche Geschichten – sie sind aber die Ausnahme. Weil kleine Kinder so rasend schnell groß werden, sich verändern und immer wieder neue Freunde spannend finden.
Wer kann mit wem?
Ganz banal: Die Tüftlerin findet in der Bauecke Gleichgesinnte, sportliche Kinder rotten sich im Tobezimmer zusammen und der Vielredner quatscht andere Quasselstrippen bei den Bilderbüchern zu. Kinder, die ähnlich ticken, sind perfekt, weil sie nicht viel erklären müssen und sofort losspielen können. So ist es oft, aber nicht immer, weil für schüchterne Zeitgenossen wilde Rabauken oftmals sehr spannend sind – und umgekehrt.
Was tun, wenn ich den Freund meines Sohnes nicht mag?
Einatmen, ausatmen. Auch wenn es für Eltern schwer ist, nachzuvollziehen (und auszuhalten), was ihre Kleinen an manchen Kindern so toll finden, irgendein ein aktuelles Bedürfnis befriedigen sie wohl. Besser als Kindern neue Freunde madigzumachen, ist, sich erst mal unvoreingenommen mit ihnen auseinanderzusetzen. Oft hat Ablehnung ja auch was mit den eigenen Vorurteilen zu tun. Wenn nicht: Omm. Doofe Freunde kommen – und gehen. Versprochen.
Kein Freund in Sicht – alles okay mit meinem Kind?
Völlig, weil im Kindergarten noch lange genug Zeit dafür ist und ein bevorzugter Spielkamerad in den Jahren davor zwar wunderbar, aber eher die Ausnahme als die Regel ist.
Lesetipp: Für viele Kinder ist ein imaginärer Freund für eine Zeit lang der liebste Begleiter. Ob du dir deshalb Gedanken machen solltest, erfährst du hier.