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Autoritativer Erziehungsstil Ist liebevolle Strenge die beste Erziehungsmethode?

Autoritativer Erziehungsstil: Mann und Junge sitzen auf einem Sofa
© Syda Productions / Adobe Stock
Ein autoritativer Erziehungsstil kennzeichnet sich durch klare Regeln sowie eine vertrauensvolle und liebevolle Beziehung zwischen Eltern und Kind. Dieser Erziehungsstil wird als einer der besten angesehen. Warum, erfährst du hier!

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Liebevoll, aber mit klaren Regeln und Konsequenzen – so lässt sich der autoritative Erziehungsstil verkürzt zusammenfassen. Geprägt wurde der Begriff von der amerikanischen Entwicklungspsychologin Diana Baumrind, die in den 60er- und 70er-Jahren verschiedene Erziehungsstile herausgearbeitet und ihre Vor- und Nachteile untersucht hat. Verschiedene Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass die autoritative Erziehungsmethode überwiegend positive Auswirkungen für die Entwicklung von Kindern hat – im Gegensatz zu anderen Erziehungsstilen wie der autoritären oder permissiven Erziehung. Welche Vorteile autoritative Erziehung bieten soll und wie sie genau funktioniert, erklären wir dir hier.

Was ist ein Erziehungsstil?

Erziehungsstile fassen in der Psychologie, der Pädagogik und der Soziologie wiederkehrende Verhaltensmuster der Erziehenden in Klassifikationen – also anhand bestimmter Merkmale – zusammen. Der Erziehungsstil bezeichnet demnach die Art und Weise, wie Elternteile oder Erziehungsberechtigte ein Kind erziehen. Er beschreibt die Grundhaltung der erziehenden Person und beruht auf wiederkehrenden Handlungen in bestimmten Situationen. Geprägt wird er durch Einstellungen und Werte, aber auch durch Erfahrungen aus der eigenen Kindheit der Erziehenden. Der Erziehungsstil beeinflusst das Verhalten und die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und prägt maßgeblich die Beziehung zwischen Eltern und Kind.

Konkret: Das Erziehungsverhalten kann beeinflussen, wie Regeln und Grenzen innerhalb der Familie gesetzt oder Konflikte gelöst werden, wie Kommunikation stattfindet und wie viel Entscheidungsfreiheit und Selbstständigkeit dem Kind gewährt wird. Unterschieden werden Erziehungsstile zudem von Erziehungskonzepten und Erziehungsphilosophien: Diesen liegen auf Zielen und Werten basierende Verhaltensaufforderungen zugrunde, während Erziehungsstile nicht gezielt eingesetzt und reflektiert werden. So spricht das bedürfnisorientierte Erziehungskonzept klare Handlungsempfehlungen an Eltern aus, ein autoritärer Erziehungsstil bezeichnet hingegen nur das Verhalten der Erziehenden.

Lese-Tipp: Laissez-faire, permissiv oder demokratisch? Lies hier mehr über die Entstehung, Bedeutung und die Nach- sowie Vorteile der verschiedenen Erziehungsstile!

Was ist autoritative Erziehung?

Der Begriff autoritativ geht auf den Sozialphilosophen Max Horkheimer zurück: In seinem Essay "Autorität und Familie" aus dem Jahre 1930 bezeichnete er damit das Verlangen des Kindes nach autoritärem Verhalten der Eltern. Weiterentwickelt und ergänzt wurde der Begriff von der Entwicklungspsychologin Diana Baumrind, die den autoritativen Erziehungsstil als Mittelweg zwischen der klassischen autoritären und der permissiven (nachgiebigen) Erziehung etablierte. Das Prinzip ist eine ausgewogene Herangehensweise – eben der Mittelweg zwischen "zu streng" und "zu nachlässig": Eltern (oder Erziehende) stellen klare Erwartungen und Regeln auf, zeigen jedoch auch liebevolle Unterstützung und ein offenes Ohr für die Bedürfnisse ihrer Kinder. Die Kommunikation ist respektvoll und die Kinder werden ermutigt, Verantwortung zu übernehmen und ihre Meinungen zu äußern.

Auch wenn der Begriff des autoritativen Erziehungsstils von Baumrind geprägt wurde, ist die Idee dahinter nicht neu: Bereits in den 1930er-Jahren versuchte der Entwicklungspsychologe Kurt Lewin mit dem demokratischen Erziehungsstil eine "goldene Mitte" zwischen Strenge und Nachgiebigkeit in der Erziehung zu definieren. Der demokratische Erziehungsstil nach Lewin ähnelt der autoritativen daher in ihrer Ausprägung, setzt aber weniger auf Autorität und zielt stärker darauf ab, dass innerhalb einer Familie gemeinsam Entscheidungen getroffen werden und nicht die Eltern allein die Regeln vorgeben.

Was ist der Unterschied zwischen autoritativ und autoritär?

Autoritäre Erziehung wird als streng, kontrollierend und wenig liebevoll charakterisiert – die elterliche Macht wird durch Strafen und Verbote durchgesetzt. Das Ziel: Absoluter Gehorsam und Folgsamkeit des Kindes, das kein eigenes Mitspracherecht hat. Die Autorität der Eltern darf zudem nicht infrage gestellt werden. Der autoritative Erziehungsstil hingegen setzt zwar ebenso auf klare Regelsetzung und deren Einhaltung, geht aber gleichzeitig liebevoll und einfühlsam auf die kindlichen Bedürfnisse ein. Der entscheidende Unterschied zwischen autoritativer und autoritärer Erziehung liegt in ebendiesem feinfühligen Umgang, der auf einer vertrauensvollen und wechselseitig empathischen Beziehung beruht. Die Wissenschaft bezeichnet dieses Verhalten als Responsivität, Rapport oder auch Kontingenz.

Wie funktioniert der autoritative Erziehungsstil?

Autoritative Eltern nehmen ihren Kindern gegenüber eine stark unterstützende Rolle ein und handeln jederzeit fürsorglich, wertschätzend und liebevoll. Gleichzeitig legen die Eltern klaren Regeln und Grenzen fest, deren Nichteinhaltung mit Konsequenzen geahndet wird. Dieser festgelegte Rahmen wird mit den Kindern offen und erklärend kommuniziert, damit sie die Konsequenzen ihres Verhaltens nachvollziehen können. Die Regelsetzung im autoritativen Erziehungsstil ist dabei allerdings nicht so starr wie bei der autoritären Erziehung: Bis zu einem gewissen Grad wird den Kindern zugetraut, eigene Entscheidungen zu treffen und Regeln werden unter Umständen auch wieder angepasst. So lenken autoritative Eltern ihre Kinder erzieherisch zwar gezielt in eine Richtung, gewähren ihnen aber auch Freiheiten, damit sie ihre Persönlichkeit entfalten, selbstständig handeln und Erfahrungen machen können.

Merkmale der autoritativen Erziehung auf einen Blick:

  • Offene Kommunikation (Responsivität)
    Alle Erwartungen und Anforderungen, die Eltern an ihre Kinder stellen, werden offen und klar kommuniziert. So wissen die Sprösslinge jederzeit, woran sie sind und was ihre Eltern von ihnen verlangen. Sind sie damit nicht einverstanden, können sie die offene Kommunikationskultur nutzen und ihre eigenen Gedanken dazu äußern. Die Erziehenden haben immer ein offenes Ohr und sind nicht daran interessiert, Entscheidungen über die Köpfe der Kinder hinweg zu fällen.
  • Gewisse Freiheiten
    Kinder genießen in einem bestimmten Rahmen die Möglichkeit zur freien Entfaltung, sie werden in Entscheidungen einbezogen und ihre Stimme findet bei ihren Eltern Gehör. Dieser Freiraum unterstützt die Persönlichkeitsentwicklung, Sozialkompetenz und Kreativität des Kindes.
  • Klare Regeln
    Das Einhalten der Regeln ist wichtig. Verstößt der Nachwuchs dagegen, muss er mit Konsequenzen rechnen. Diese sind für die Kinder im Vergleich zur autoritären Erziehung jedoch immer nachvollziehbar und wurden vorher besprochen. So wissen sie immer, welche elterliche Reaktion bei welchem Regelbruch zu erwarten ist.
  • Hinterfragung der Konsequenzen
    Autoritative Erziehung beinhaltet ein stetiges Anpassen und Abwägen, ob die aufgestellten Regeln und Konsequenzen noch gültig und angemessen sind. Der Erziehungsstil ist weniger starr als die autoritäre Erziehung und setzt drauf, dass Kinder die Konsequenzen ihres Verhaltens nachvollziehen können.
  • Liebevolle Beziehung
    Trotz relativ vieler Regeln erfahren autoritativ erzogene Kinder sehr viel Liebe, Zuneigung und Raum für Entwicklung. Die Eltern setzen verstärkt auf Lob und Wertevermittlung statt auf Verbote und Druck.
  • Emotionale Bindung
    Der respektvolle Umgangston und das gegenseitige Vertrauen sorgen in der Familie für eine enge emotionale Bindung, die meist bis in das Erwachsenenalter bestehen bleibt.

Der autoritative Erziehungsstil im Alltag: Was heißt das jetzt konkret?

In der Theorie klingt der autoritative Erziehungsstil fair und auch für die Kinder verständlich, doch wie sieht es in der Praxis und im Alltag aus?

Wir haben ein Beispiel: In einer Familie mit drei Kindern gibt es ein Spielzeug, mit dem alle Geschwister spielen wollen. Du erklärst ihnen, dass sie der Reihe nach damit spielen dürfen – jedes Kind für eine halbe Stunde. Es einem Geschwisterchen einfach wegzunehmen, ist nicht erlaubt. Hält sich ein Kind nicht an diese Regel, darf es an diesem Tag gar nicht mehr damit spielen.

So kommunizierst du Grenzen, die vorher festgelegt wurden und die damit einhergehende Konsequenz, wenn sich an diese Regel nicht gehalten wird. Die Kinder entscheiden, wie sie sich nun verhalten wollen. Selbstverständlich funktioniert das nicht für alle Altersstufen gleichermaßen: Ein Baby versteht diese Regel natürlich noch nicht, hier ist Flexibilität erforderlich.

5 Tipps für einen autoritativen Erziehungsstil im Alltag:

  1. Erkläre einfühlsam, nachvollziehbar und verständlich, welche Erwartungen du an dein Kind hast und welche Regeln und Grenzen es einhalten soll. Dein Kind soll im besten Fall verstehen, warum du diese Regeln wichtig findest. Beispiel: "Wenn du zu viel Zucker isst, schadet das deiner Gesundheit. Daher gibt es bei uns keine Süßigkeiten zum Frühstück."
  2. Konsequenzen sollten immerim Verhältnis zum Regelbruch stehen, für das Kind nachvollziehbar sein und vorher mitgeteilt werden. Verzichte auf impulsive Strafen und sei kompromissbereit.
  3. Schaffe eine liebevolle Umgebungund schenke deinem Kind Wärme, Sicherheit und Vertrauen.
  4. Sieh dein Kind als eigenständigen Menschen und ermögliche einen gewissen Grad an Entscheidungsfreiheit. Beispiel: Bestimmst du, dass dein Kind eine Jacke anziehen soll, überlasse ihm die Auswahl des Kleidungsstückes.
  5. Regeln sind nicht in Stein gemeißelt. Passe das Sicherheitsgerüst je nach Situation an und verschärfe oder lockere die Regeln. Begründe diese Entscheidung und sprich mit deinem Kind darüber. Beispiel: "Du bist jetzt älter und fährst schon sehr sicher mit dem Fahrrad, daher erlaube ich dir nun eigenständig in die Schule zu fahren."

Warum gilt der autoritative Erziehungsstil als am besten?

Während der autoritäre Erziehungsstil vor einigen Jahrzehnten als Nonplusultra galt und von Kindern – oft unter Gewaltanwendung – hauptsächlich Disziplin, Folgsamkeit und Gehorsam eingefordert wurden, haben kindliche Bedürfnisse und liebevolle Fürsorge heute einen hohen Stellenwert in der Erziehung. Dass das ein guter Weg ist, zeigen verschiedene Untersuchungen, die dem autoritativen (und in Teilen auch dem permissiven) Erziehungsstil eher förderliche Auswirkungen auf und Vorteile für die kindliche Entwicklung bescheinigen. Kinder, die eine gesunde Balance zwischen Fürsorge und klaren Grenzen erfahren haben und autoritativ erzogen wurden, hätten demnach ein höheres Selbstwertgefühl, zeigten bessere Schulleistungen, verfügten über eine ausgeprägtere Sozialkompetenz und seien allgemein zufriedener.

Der Laissez-faire-Erziehungsstil sowie autokratische, autoritäre und vor allem vernachlässigend-negierend Erziehung schneiden in wissenschaftlichen Untersuchungen hingehen nicht sonderlich gut ab. Erfährt ein Kind keine Liebe, Geborgenheit oder Wärme und wächst es völlig frei von Regeln oder in (zu) engen Grenzen auf, könne dies in einem geringen Selbstbewusstsein und Problemen, die eigenen Gefühle zu regulieren, münden. Kinder diemit übermäßig strengen Regeln oder dem kompletten Fehlen von Grenzen erzogen wurden, scheinen zudem ein gesteigertes Aggressionspotential aufzuweisen.

Gibt es auch Kritik an diesem Erziehungsstil?

Selbstverständlich – so wie an so ziemlich jedem Konzept. So kritisierte der Sozial- und Bildungswissenschaftler Klaus Hurrelmann, dass die Kombination aus Strenge und Fürsorge „überbehütend“ sei – und die Kinder so eher zur Unselbstständigkeit erzogen würden. Andere wiederum stören sich daran, dass Regelverstöße mit Strafen geahndet werden – denn hier könne es zu elterlichem Machtmissbrauch und Unverhältnismäßigkeit kommen. Die Frage, ob Strafen und Konsequenzen in der Erziehung sinnvoll oder eher von Nachteil für die kindliche Entwicklung sind, erhitzt in jedem Fall die Gemüter – entscheiden müssen das am Ende alle Eltern selbst. Was allen klar sein sollte, aber leider immer wieder erwähnt werden muss: körperliche oder psychische Gewalt ist keine angemessene Option in der Kindererziehung! Verschiedene Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Fachrichtungen bemängelten zudem immer wieder, dass die Erziehungsstil-Forschung insgesamt auf wackeligen Beinen stünde: die Theorien seien unzulänglich wissenschaftlich fundiert. Insgesamt abgelehnt wird das Konzept Erziehung zudem von Anhänger:innen der unerzogen-Bewegung.

Quellen:

ELTERN

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