Mit "Muckdiwupp - auf nach Pifo!" erzählt die polyamore Familie Michalski, bestehend aus Saskia, Lui und Marcin, die Geschichte einer genderfreien Hauptfigur mit dem Namen Muckelino. "Dem (Vor-)Lesenden wird überlassen, ob Muckelino männlich, weiblich oder divers gelesen wird", heißt es auf der Internetseite zum Buch. Im Handlungsverlauf werden diverse Familienmodelle vorgestellt – unter anderem homosexuelle, trans, alleinerziehende und polyamore Eltern. Im Interview gaben die Autor:innen einen Einblick in den Entstehungsprozess des Kinderbuchs und verraten, warum es unbedingt mehr solcher Bücher in den Regalen geben muss.
ELTERN: Oft zitiert wird von euch der Satz: "Wenn wir mal Kinder haben, möchten wir ihnen ein Buch vorlesen, in dem sie sich und ihre Familien wiederfinden können." War das also euer Antrieb für das Kinderbuch?
Lui: Genau, also erst einmal ist in dem Buch sehr viel von uns drin. Wir haben uns früher immer kleine Mucks gemalt und irgendwann haben wir dann entschlossen, daraus ein Kinderbuch zu machen, weil uns generell viel daran liegt – unter anderem mit unserem Instagram-Account – die Gesellschaft bei Themen wie Polyamorie aufzuklären. Und wie es auch zitiert wird, dachten wir uns: Wir möchten irgendwann einmal Kinder.
Es gibt viele polyamore Familien mit Kindern und wir wollten damit auch genau diesen Kindern eine Identifikationsfigur liefern. Schließlich haben wir dann über ein Jahr lang ein Kinderbuch entwickelt und veröffentlicht – und in dem Buch geht es nicht nur um Polyamorie, es geht um ganz viele verschiedene diverse Familienformen. Das heißt, heterosexuelle, homosexuelle, polyamore und alleinerziehende Familien kommen darin auch vor.
ELTERN: Was hat euch zu den Geschichten innerhalb des Buchs inspiriert?
Lui: Da ist sehr viel von unserer eigenen Beziehung mit drin. Die Namen, die Kosenamen, die Kuscheltiere, die ganzen Aufhänger – all das hat sehr viel mit unserer Beziehung zu tun. Und abgesehen davon hat uns natürlich ganz klar die Diversität der Realität inspiriert.
Denn in Wahrheit ist es so, dass Familien ganz unterschiedlich aussehen. Wir haben zum Beispiel in unserem Umfeld schwule und lesbische, aber auch alleinerziehende Eltern. In Kinderbüchern gibt es aber oftmals nur Mama, Papa, Hund. Uns war es wichtig, die Realität abzubilden.
ELTERN: Wie sieht der Markt in puncto queere Kinderbücher denn aktuell aus?
Lui: Das Thema ist natürlich schon immer mehr im Kommen, gerade die letzten zwei, drei Jahre ist da eine Menge auf den Markt gekommen. Das ist super und freut uns. Ich glaube, wenn man sich denn dafür interessiert, dann kann man schon einen Stapel von zehn, vielleicht sogar 15 tollen Kinderbüchern in diese Richtung zusammenstellen. Aber gerade die Repräsentation, was Polyamorie angeht, ist gleich Null. Oder war es, bis wir unser Buch herausgebracht haben. [lacht]
ELTERN: Warum ist ein Buch wie "Muckdiwupp" so wichtig?
Saskia: Zum einen ist es wichtig, dass wir dieses Buch vielfältig einsetzen können, sowohl im Bildungssektor, also in Kitas und Schulen, aber genauso in anderen sozialen Einrichtungen und eben auch in Familien, sodass Kinder von Anfang an Vorbilder bekommen und sei es auch "nur" in Form von Sichtbarkeit. Also das gezeigt wird, dass es okay ist und Kinder oder Menschen im Allgemeinen auch verstehen: Es ist okay, dass ich in einer Familie lebe, wo Papa und Papi existieren oder Mama und Mami. Oder eben auch: Es ist vollkommen in Ordnung, dass ich auch als Junge andere Jungs mag – das ist okay, weil es so etwas eben gibt, zum Beispiel in Kinderbüchern.
Es geht also darum, etwas als genau das zu behandeln, was es ist: etwas Normales. Und natürlich auch, dem Ganzen Raum und Sichtbarkeit zu geben, und zwar schon vom Kindesalter an, denn da fängt es an, dass Kinder merken, wenn sie "anders" sind. Unsere Kernaussage mit dem Buch ist: "Hey, mach dir keine Sorgen, wir sind alle zusammen anders, weil eben alle anders sind" Das wollen wir mitgeben und das ist auch das Wichtige daran. Es fehlen bis heute Vorbilder, es fehlt an der Normalität, einfach zu sagen: "Familien sind so und so und so." Und eben nicht: "Familien bestehen aus Mutter, Vater, Kind und dann gibt es noch diesen komischen Menschen, der hat zwei Mamas." Nein, das ist eben auch okay und normal und genau das wünschen wir uns, das irgendwann zu erreichen.
ELTERN: Wie würdet ihr die Entwicklung der Akzeptanz beurteilen?
Saskia: Ich bin auf einem LGBTQIA+-Workshop in einem Gymnasium, da geht es auch um Sprache und da merkt man: Wir sind noch lange nicht so weit. Noch immer sind homophobe Beleidigungen auf dem Schulhof der Standard und nicht die Ausnahme. Und es gibt eben auch heute noch Unsicherheiten, die Kinder aus dem Elternhaus mitnehmen.
Wenn der Vater zum Sohn sagt: "Bist du schwul, oder was?", dann nimmt das Kind das als etwas Negatives auf und ich bin da ganz ehrlich, ich sage immer, dass wir bei den Themen Queerness und Akzeptanz bei der nächsten Generation anfangen müssen. Wir hoffen einfach, dass wir mit unserem Buch dort ansetzen können. Beispielsweise ist unser Kinderbuch eines der wenigen, das auch nicht-binäre Menschen inkludiert, also Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen.
ELTERN: Gerade für nicht-binäre Menschen ist die wortreiche deutsche Sprache ja eher stumm.
Saskia: Und wir reden ja noch nicht einmal davon, dass Nicht-Binarität oder Queerness für die Gen Z irgendetwas Neues oder Wildes wäre. Fakt ist, die Thematik kommt in großer beziehungsweise sehr großer Form auf uns zu und ist in Teilen auch schon da. Trotzdem heißt es von vielen immer noch, das sei eine Modeerscheinung, was einfach nur Quatsch ist. Vielmehr sollte man sich fragen: Warum wollen manche Menschen, dass diese Lebensrealität weggeht? Warum sollte sie das überhaupt? Es ist absolut klar, dass sie es nicht tun wird.