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Laissez-faire-Erziehungsstil Erziehung ohne Regeln – nachlässig oder genau richtig?

Laissez-faire-Erziehungsstil: Mädchen tanzt barfuß auf regennasser Straße
© Иванна Емельянова / Adobe Stock
Der Laissez-faire-Erziehungsstil bedeutet vollkommene Freiheit der Kinder, während die Eltern sich maximal zurücknehmen und auf jegliche Erziehungsmaßnahmen verzichten. Ist das zu nachlässig oder fördert es die Selbstständigkeit?

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Der Begriff Laissez-faire stammt aus dem Französischen und bedeutet sinngemäß „machen lassen“ – und genau darum geht es bei diesem Erziehungsstil: Die Eltern lassen ihre Kinder uneingeschränkt ihre eigenen Entscheidungen treffen und greifen nicht regulierend ein. Sie strahlen weder Autorität aus noch sind sie nachgiebig; die Kindererziehung beruht hier auf Gleichgültigkeit. Das scheint nicht unproblematisch: Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass die elterliche Passivität der Laissez-faire-Erziehung eher Nachteile für die kindliche Entwicklung mit sich bringt und möglicherweise zu Verhaltensauffälligkeiten wie Bindungsproblemen oder einem gesteigerten Aggressionspotenzial führen kann. Wie die Erziehungsmethode genau funktioniert, erfahrt ihr hier!

Was ist ein Erziehungsstil?

Erziehungsstile fassen in der Psychologie, der Pädagogik und der Soziologie wiederkehrende Verhaltensmuster der Erziehenden in Klassifikationen – also anhand bestimmter Merkmale – zusammen. Der Erziehungsstil bezeichnet demnach die Art und Weise, wie Elternteile oder Erziehungsberechtigte ein Kind erziehen. Er beschreibt die Grundhaltung der erziehenden Person und beruht auf wiederkehrenden Handlungen in bestimmten Situationen. Geprägt wird er durch Einstellungen und Werte, aber auch durch Erfahrungen aus der eigenen Kindheit der Erziehenden. Der Erziehungsstil beeinflusst das Verhalten und die Entwicklung des Kindes und prägt maßgeblich die Beziehung zwischen Eltern und Kind.

Konkret: Das Erziehungsverhalten kann beeinflussen, wie Regeln und Grenzen innerhalb der Familie gesetzt oder Konflikte gelöst werden, wie Kommunikation stattfindet und wie viel Entscheidungsfreiheit und Selbstständigkeit dem Kind gewährt wird. Unterschieden werden Erziehungsstile zudem von Erziehungskonzepten und Erziehungsphilosophien: Diesen liegen auf Zielen und Werten basierende Verhaltensaufforderungen zugrunde, während Erziehungsstile nicht gezielt eingesetzt und reflektiert werden. So spricht das bedürfnisorientierte Erziehungskonzept klare Handlungsempfehlungen an Eltern aus, ein autoritärer Erziehungsstil bezeichnet hingegen nur das Verhalten der Erziehenden.

Lese-Tipp: Autoritär, permissiv oder demokratisch? Lies hier mehr über die Entstehung, Bedeutung sowie die Nach- und Vorteile der verschiedenen Erziehungsstile!

Was ist der Laissez-faire-Erziehungsstil?

Wie die Bezeichnung schon nahelegt, ist der Laissez-faire-Erziehungsstil vor allem durch eine Grundhaltung des Nicht-Einmischens geprägt: Bei dieser Erziehungsmethode überlassen die Eltern ihre Kinder weitestgehend sich selbst und „lassen sie machen“; daraus ergibt sich eine maximal passive Rolle der Erziehenden ohne Autorität. Es handelt sich also eher um eine Nichterziehung: Es gibt nur wenig bis gar keine Einmischung oder Lenkung seitens der Eltern und die Kinder treffen alle Entscheidungen selbst. Auch wird das Verhalten der Kinder nicht positiv oder negativ bewertet – was diesen Stil eher gleichgültig als nachgiebig macht. Diese Form der Kindererziehung soll – theoretisch – zum einen die Selbstständigkeit der Kinder stärken und zum anderen eine möglichst freie Entfaltung der kindlichen Persönlichkeit ermöglichen. In seiner ausgeprägtesten Form ist der Laissez-faire-Stil allerdings eher eine Vernachlässigung als eine bestärkende Methode.

Die Bezeichnung Laissez-faire-Erziehungsstil geht auf den Sozialpsychologen Kurt Lewin zurück, der in den 1930er-Jahren – abgeleitet von seiner Klassifikation verschiedener Führungsstile – drei grundlegende Erziehungsstile herausgearbeitet hat:

  • den autoritären Erziehungsstil,
  • den demokratischen Erziehungsstil
  • und den Laissez-faire-Erziehungsstil.

Lewin gilt als Begründer der Erziehungsstilforschung und der modernen Pädagogik; viele spätere Konzepte von Erziehungswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen bauen auf seiner Arbeit auf. So findet sich der Laissez-faire-Erziehungsstil etwa im permissiven und missachtenden-negierenden Erziehungsstil nach Prof. Glen Elder wieder. Der Soziologie- und Psychologieprofessor entwickelte in den 1960er-Jahren eigene Erziehungsstile.

Übrigens: Fälschlicherweise wird der Laissez-faire-Erziehungsstil häufig mit antiautoritärer Erziehung gleichgesetzt. Doch bei antiautoritären Erziehungsmaßnahmenhandelt es sich nicht um einen Stil, sondern um einen Sammelbegriff für Erziehungskonzepte, die sich bewusst von autoritärer Erziehung abgrenzen wollen. Ähnlichkeiten bestehen aber durchaus: So setzt antiautoritäre Erziehung ebenfalls darauf, den Kindern möglichst viel Freiraum zu lassen und Regeln sowie Vorschriften spielen eine untergeordnete Rolle.

Lese-Tipp: Erfahre hier, warum autoritäre Erziehung ähnlich ungünstig wie Laissez-faire ist und ein demokratischer Erziehungsstil als guter Mittelweg gilt!

Wie funktioniert Laissez-faire-Erziehung?

Bei der Laissez-faire-Erziehung nehmen die Eltern eine maximal passive Rolle ein und verzichten auf Regeln oder Konsequenzen. Sie strafen nicht, aber sprechen auch kein Lob aus – und sie helfen und unterstützen nur, wenn das Kind explizit darum bittet (wenn überhaupt). Auch stellen Laissez-faire-Eltern keine Ansprüche oder Erwartungen an ihre Kinder oder versuchen, ihnen moralische Werte oder gesellschaftliche Normen zu vermitteln. Kurzum: Die Eltern nehmen keinen aktiven Einfluss auf die Erziehung ihres Kindes, wohl aber einen indirekten – denn diese Nichterziehung kann Nachteile mit sich bringen und negative Auswirkungen haben.

Merkmale des Laissez-faire-Erziehungsstils:

  • Maximale Passivität der Eltern: Die Eltern stellen keine Regeln auf und keine Anforderungen an ihre Kinder. Sie überlassen die Kleinen weitestgehend sich selbst und erwarten nichts.
  • Kinder können tun, was sie wollen: Durch die fehlenden Regeln und Konsequenzen kennen die Kinder keine Grenzen und können tun und lassen, was sie für richtig halten oder worauf sie (keine) Lust haben.
  • Keine Förderung oder Unterstützung: Beim Laissez-faire-Erziehungsstil werden Kinder nicht gefördert oder aktiv unterstützt; etwa beim Erlernen neuer Fähigkeiten oder den Schulleistungen.
  • Fehlende Orientierung und Struktur: Der Laissez-faire-Erziehungsstil gibt keine Richtung vor und verzichtet auf klare Strukturen im familiären Zusammenleben. Die Kinder können ihren Alltag nach ihrem Willen selbst gestalten. Außerdem werden keine Normen und Werte weitergegeben.
  • Weder Lob noch Strafe: Bei dieser Form der Kindererziehung wird das Verhalten der Kinder weder durch Lob bestärkt, noch durch Strafen sanktioniert.
  • Neutrale Eltern-Kind-Beziehung: Die Beziehung zeichnet sich weder durch Autorität noch durch Nachgiebigkeit aus. Stattdessen ist das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern ist bei einem Laissez-faire-Erziehungsstil von Gleichgültigkeit geprägt.

Der Laissez-faire-Erziehungsstil im Alltag: Was heißt das jetzt konkret?

Das Kind möchte nur Schokolade zum Abendessen, bis Mitternacht aufbleiben und keine Hausaufgaben machen? Das wäre für Eltern mit einem Laissez-faire-Erziehungsstil kein Problem – sie setzen ihrem Nachwuchs keine Regeln vor. Außerdem müssen die Kleinen ihre eigenen Entscheidungen treffen, da die passiven Eltern ihnen keine Richtung vorgeben: Jacke an oder nicht? Gummistiefel oder Turnschuhe? Fernsehen – ja oder nein? Das Kind entscheidet.

Welche Auswirkungen hat der Laissez-faire-Erziehungsstil?

Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, dass der Laissez-faire-Erziehungsstil – ebenso wie autokratische, autoritäre und vor allem vernachlässigend-negierende Erziehung – keine Vorteile für Kinder bringt. Eher im Gegenteil: Wächst ein Kind völlig frei von Regeln auf, kann dies in verschiedenen Problemen und Verhaltensauffälligkeiten, wie einem gestörten Sozialverhalten, Bindungsschwierigkeiten oder Orientierungslosigkeit, münden. Und auch ein gesteigertes Aggressionspotential steht im Zusammenhang mit übermäßig strengen Regeln oder dem kompletten Fehlen von Grenzen.

  • Gestörtes Sozialverhalten: DieKinder haben Schwierigkeiten, sich in gesellschaftliche Strukturen einzufügen und die dort geltenden Regeln einzuhalten. Das kann zu Konflikten und negativen Konsequenzen führen – etwa bei schlechten Schulleistungen. Gleichzeitig kann eine niedrige Frustrationstoleranz vorliegen; das heißt, persönliche Rückschläge und Misserfolge können nicht gut ausgehalten und überwunden werden.
  • Bindungsschwierigkeiten: Kinder aus Laissez-faire-Familien verfügen mutmaßlich häufiger über Bindungsschwierigkeiten. Das äußert sich im Kindesalter möglicherweise mit fehlenden Freunden und im Erwachsenenalter mit problematischen Partnerschaften.
  • Orientierungslosigkeit: Geben die Erziehenden keine Werte oder Richtungen vor, können die Kinder unter einer gewissen Orientierungslosigkeit leiden. Was wollen sie werden, was ist ihnen wichtig? Im besten Fall unterstützen Eltern ihre Kinder dabei, dies für sich selbst herauszufinden – dabei geben sie die Leitplanken vor, während das Kind eigene Erfahrungen machen kann. Laissez-faire-Eltern haben daran allerdings kein Interesse und bieten durch fehlenden Austausch keine Möglichkeit der kindlichen Weiterentwicklung.

Vorteilhaft ist Laissez-faire eigentlich nur für die Eltern: Sie gehen den Weg des geringsten Widerstandes, indem sie ihrem Kind keine Grenzen aufzeigen und so jegliche Konflikte meiden. Dass es auch anders geht, zeigt etwa ein autoritativer Erziehungsstil: Kinder, die eine gesunde Balance zwischen Fürsorge und klaren Grenzen erfahren, haben demnach ein höheres Selbstwertgefühl, zeigen bessere Schulleistungen und sind allgemein zufriedener.

Fazit

Ein Laissez-faire-Erziehungsstil grenzt an Vernachlässigung, denn die Eltern übernehmen keine Verantwortung für ihre Kinder und überlassen sie weitestgehend sich selbst. Das kann im Kindesalter zu Überforderung und im Erwachsenenalter zu einem gestörten Sozialverhalten, Bindungsproblemen und fehlender Orientierung im Leben führen.

Quellen:

ELTERN

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