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Mehrsprachig Aufwachsen Probleme in der mehrsprachigen Erziehung - nicht aufgeben!

Mutter lernt mit Kind
© Photographee.eu / Shutterstock
Wenn Kinder mehrsprachig aufwachsen sollen, gibt es manchmal Probleme und mitunter kommen Zweifel auf. Kein Grund, aufzugeben! Eltern.de gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen zur mehrsprachigen Erziehung.

Soll man Fehler korrigieren?

Ja. Allerdings ist ein belehrendes Verbessern meist kontraproduktiv, wirkt einschüchternd und führt dazu, dass der Nachwuchs völlig verstummt. Bieten sie stattdessen die richtige Formulierung oder das richtige Wort an, ohne das Gespräch zu unterbrechen: "Was möchtest du essen?" "Fischkäse!" "Du meinst Frischkäse? Er steht hier drüben. Bitte, hier hast Du den Frischkäse."

Gibt es eine stärkere und eine schwächere Sprache oder kann mein Kind später beide Sprachen gleich gut?

Viele Eltern fragen sich: Gibt es eine stärkere und eine schwächere Sprache? So gestellt lässt sich diese Frage nach Ansicht von Sprachwissenschaftlern kaum beantworten. Weil Kinder ihre Mehrsprachigkeit ökonomisch nutzen, entwickeln sie in den jeweiligen Sprachen unterschiedliche Fähigkeiten. Was sie in der einen Sprache besonders gut ausdrücken können, daran hapert es in der anderen. Und was in der anderen ohne Probleme über die Lippen geht, bringen sie sonst nur schwer heraus. Wenn der kleine Jeff also auf Englisch schon recht gut Bleistift ("pencil") und Füller ("pen") auseinander halten kann, ihm das auf Deutsch aber schwer fällt, ist das noch lange kein Grund zur Sorge und zunächst einmal normal. Vielleicht bildet er dafür im Deutschen grammatikalisch öfter korrekte Sätze oder spricht fließender. Also: Zweisprachig aufwachsende Kinder besitzen nicht eine schwache und eine starke Sprache. Sie verfügen über die einen Stärken in der einen, über die anderen in der anderen Sprache.

Zwei Muttersprachen?

Jeder weiß, wie es sich anfühlt, in seiner Muttersprache zu sprechen - und wie, wenn man in eine Fremdsprache wechselt. Mitunter fühlt man sich unwohl, kann nicht alles so ausdrücken, wie man es möchte. Und wie geht es Kindern, die von Anfang an zweisprachig groß werden? Entwickeln sie zwei Muttersprachen? Oder sind sie in keiner der beiden wirklich zu Hause? Die US-Psychologin Laura Ann Petitto findet eine eindeutige Antwort: Kinder, die früh in intensiven Kontakt mit einer zweiten Sprache kommen, entwickeln zwei Muttersprachen in einem Gehirn: Durcheinander Fehlanzeige. Zudem ermutigend für Eltern, die sich erst nach einigen Jahren zu einer zweisprachigen Erziehung entscheiden: Nach den Forschungsergebnissen der Psychologin können selbst Kinder, die schon etwas älter sind, eine zweite Sprache noch perfekt lernen. Allerdings nur dann, wenn sie in wirklich intensiven Kontakt mit ihr kommen, beispielsweise in der Familie oder durch längere Aufenthalte bei den Großeltern im Ausland.

...und wenn es doch nicht so richtig klappt?

Zwar sagt ein Sprichwort: "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr." Für mehrsprachig aufwachsende Kinder aber trifft das nur bedingt zu: Selbst dann, wenn Eltern das Gefühl haben, ihr Kind hat in einer der Sprachen noch gravierende Schwächen, sollten sie sich dadurch nicht entmutigen lassen. Was zählt, ist, dass die zweite Sprache im Kind "angelegt" ist, es mit ihr vertraut ist und sie als normal empfindet. Vielleicht fehlt einfach ein passender Anreiz, sich mehr anzustrengen, weil die Kinder im Kindergarten sowieso nur Deutsch sprechen. Oder die italienische Oma wohnt zu weit weg, so dass es für das Kleine nur wenig interessant ist, sich italienische Worte einzuprägen, um sich mit "Nonna" unterhalten zu können.

Eltern können hier ein bisschen nachhelfen, zum Beispiel mit einer Ferienreise zur Tante in die Provence, mit Büchern in russischer Sprache, italienischen Comics oder Gute-Nacht-Geschichten auf Englisch. So bieten sie dem Kind die Gelegenheit, mit der vermeintlich schwächeren Sprache in intensiven Kontakt zu kommen. Und wenn auch das nicht hilft, bleibt ein Trost: Spracherwerb funktioniert dynamisch. Mit dem Älterwerden ändern sich oft auch die Lebensumstände der Kinder - die Anreize, eine Sprache zu perfektionieren, kommen dann nicht selten von selbst. Vielleicht lernt das Kind im Urlaub eine Englisch sprechende Freundin kennen und die beiden beginnen eine Brieffreundschaft. Was die Mutter aus Großbritannien in mühevoller Kleinarbeit versucht hatte, ihrer Tochter beizubringen, lernt sie nun scheinbar nebenbei und ohne jegliche Schwierigkeiten. Das Motto für alle verzagten Eltern also: Gelassen bleiben!

Das gilt auch, wenn das Kind eine Sprache scheinbar "verweigert": Die vierjährige Sarah beispielsweise antwortet konsequent nur auf Englisch, wenn sie auf Deutsch angesprochen wird. Kleinkind Timo beteiligt sich, wenn die ganze Familie am Frühstückstisch russisch spricht, nicht wie sonst am Gespräch, sondern kaut stumm an seinem Marmeladen-Brötchen. Aber heißt das gleichzeitig, dass das Kind die Sprache nicht versteht? Nein, sagt die Sprachwissenschaft: Diese unterscheidet nämlich zwischen den so genannten "produktiven" und "rezeptiven" Mehrsprachigen. Während produktive in mehreren Sprachen aktiv sprechen, schreiben oder auch lesen, tun die rezeptiven dies nur in einer und beschränken sich ansonsten aufs Zuhören. Auch, wenn sie sich nicht mitteilen - sie verstehen, das weiß man heute. Vielleicht reagieren sie ja auf den griechischen Zuruf von Mama: Ein sicheres Indiz, dass der kleine "Verweigerer" der vermeintlich abgelehnten Sprache sehr wohl mächtig ist.

Bei aller Enttäuschung, dass das Kleine nicht in mehreren Sprachen drauf los plappert, sollte man wissen: Ein Wechsel vom rezeptiven zum produktiven Mehrsprachler ist auch im späteren Leben noch möglich. Ein Grund mehr, die mehrsprachige Erziehung nicht einfach abzubrechen, wenn die Kinder vorerst nur in einer Sprache formulieren. Der Erfolg bilingualer Erziehung lässt sich nicht kurzfristig messen. Manches früh Erlernte kommt erst nach Jahren zum Vorschein.

Und wenn die Kleinen mischen?

Zwar sind die Meinungen, ob es eher auf ein gutes oder ein schlechtes Verständnis der Sprachen hinweist, wenn ein mehrsprachiges Kind diese bunt durcheinander mixt, geteilt. Eltern zumindest machen Schöpfungen wie "Where is my Lastwagen?" oder "Papa, voglio un kleinen Keks con Schokolade." nicht selten Kopfschmerzen. Aus der sprachlichen Entwicklung des Kindes heraus aber lassen sich die amüsanten Sätzchen aus Kleinkinds Mund einfach erklären: Häufig mischen Kinder zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr. Das liegt daran, dass ihnen buchstäblich die Worte fehlen: Was sie in der einen Sprache noch nicht sagen können, das leihen sie sich aus dem Wortschatz der anderen. Nach Erkenntnissen der Sprachwissenschaft begreifen die Kinder die unterschiedlichen Sprachen allerdings trotzdem als getrennte Systeme. Und: Meist legt sich der mitunter wilde Misch-Masch spätestens dann, wenn die Knirpse ein oder zwei Jahre älter sind. Hinzu kommt, dass in Familien, die auf eine strikte Trennung der Sprachen achten, die Kinder nicht unbedingt weniger mixen. Kinder solcher Eltern, die auf strikte Trennung achten, kombinieren dagegen nicht unbedingt häufiger.

Allerdings gilt, dass Eltern, deren Kinder in Deutschland aufwachsen und einmal eine deutsche Schule besuchen sollen, ihrem Nachwuchs die Möglichkeit geben sollten, ausführlich Deutsch zu sprechen. Nur so kommen die Kleinen später in der Schule problemlos mit und können bestehen - und nur so gerät mehrsprachige Erziehung nicht zum Bärendienst an den Sprösslingen.

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