Wenn unsere Kleinen weinen, dann ist das in Ordnung. Denn ihre Gefühle sind gerechtfertigt, und als Eltern ist es unsere Aufgabe, ihnen die notwendige Zeit zu geben, um ihre Emotionen zu spüren und sie damit zu unterstützen. Nicht aber, wenn es nach einem viralen Video auf Instagram geht. Wir sehen: ein weinendes kleines Mädchen, das in einem Zimmer steht. Dann eine Dose mit Schlagsahne, deren Inhalt ungefragt in den Mund der kleinen Tochter gesprüht wird. Daraufhin hört das Kind verwirrt auf zu weinen.
"Leute, es funktioniert tatsächlich. Vielen Dank für den Tipp"
Die Mutter aus London, die das Video als Scherz auf Social Media postet, meint natürlich nichts Böses mit ihrer Handlung. Auf ihrem Instagram-Account gibt sie allerdings oft Tipps für andere Eltern und zeigt viele niedliche Momente aus dem Alltag mit ihrer kleinen Tochter. Für sie ist die viral gewordene Sahnetube als emotionales Stoppmittel nur ein Witz. Gesetzt werden unter anderem die Hashtags "survivingtoddlerhood" (zu deutsch: "Die Zeit mit Kleinkind überleben"), "parentinghack" ("Erziehungstipp") und "parentinghumor" ("Elternhumor"). Doch sollte man eine solche Aktion wirklich als Humor betiteln und noch schlimmer als Tipp, um sein Kind ruhigzustellen? Wenn man sich auf die Follower:innen beschränkt, vielleicht ja: Über 150.000 Menschen haben den Post geliked.
"Leute, es funktioniert tatsächlich. Vielen Dank für den Tipp", schreibt die Mutter zu ihrem Post. Sie hat die zweifelhafte Methode anscheinend von einer anderen Mama bekommen. Die Kommentare sind unter dem Video bereits deaktiviert. Möglicherweise, weil es von weiteren Menschen Kritik an der Technik gab. Auch die deutsche Influencerin Mayya spricht auf ihrem Instagram-Account "beziehungvorerziehung" über den betitelten Lifehack.
Kommentar zum angeblichen Erziehungstipp: "Ich finde es einfach nur falsch"
Mayya reagiert auf ihrem Kanal auf das Video und erklärt dazu, was sie von dieser Erziehungsmethode hält. "Manchmal denke ich wirklich alles gesehen zu haben und dann kommt das", schreibt sie in der Beschreibung ihres Posts. Ihrer Meinung nach sei es "unwürdig, so mit den Emotionen anderer umzugehen". Schließlich würde hier das Essen zur Wut- oder Trauerregulierung benutzt.
Die Bloggerin, Influencerin und Mutter, die nach eigenen Angaben viel über Psychologie liest und mehrere Webinare und Kurse zum Thema Persönlichkeitsentwicklung abgeschlossen hat, berät online andere Elternteile auf ihrem Weg mit Kind. "Ich finde es einfach nur falsch", äußert sie auf Instagram.
Wenn Kinder lernen, bei Stress zu essen
Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte spricht auf seiner Seite darüber, dass emotionales Essen bereits in der frühen Kindheit beginnen kann. Einer Studie der University of Michigan zufolge bereits mit vier Jahren. Auslöser wären beispielsweise eine ungeregelte familiäre Umgebung oder das Erleben negativer Situationen, beispielsweise von Gewalt, eines Traumas oder eines materiellen Verlusts oder Armut.
Auf der Seite "Gesellschaft für Verhaltenstherapie" heißt es ebenfalls, das emotionales Essen häufig ein Mittel sei, um die eigenen Gefühle nicht wahrnehmen zu müssen. Etwa ein Drittel der Deutschen sei betroffen, und auch bei Kindern finde das Verhalten oft Anwendung. Im Kleinkind- und Säuglingsalter könne das über die jeweiligen Bezugspersonen erlernt werden, heißt es weiter. Später könne sich das dann auf das Jugend- und Erwachsenenalter übertragen. Die emotionale Regulierung durch Süßigkeiten oder einen anderen Snack kann so in ein gelerntes Muster übergehen und, wenn wir nicht daran arbeiten, bestehen bleiben. Ein einmaliger Scherz wie im Fall des Instagram-Videos mag vielleicht nicht direkt zu schlimmen Auswirkungen führen, zur Regel sollte es aber zum Wohle der Kleinen auf keinen Fall werden.
Verwendete Quellen: Instagram/iammonique_x, Instagram/beziehungvorerziehung, kinderaerzte-im-netz.de, gfvt.de