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Kinderbetreuung Ganztags in die Kita – fördert das Verhaltensauffälligkeiten?

Ganztags in die Kita: Kind sitzt draußen auf dem Boden mit einem Spielzeug
© wetzkaz / Adobe Stock
In einer großangelegten Meta-Studie haben sich Forschende mit der Frage befasst, ob Kinder mit einer längeren Betreuungszeit in Kitas eher Verhaltensauffälligkeiten entwickeln. Wir haben die Ergebnisse für euch zusammengefasst.

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Entwickeln Kinder, die 30 Stunden und mehr in der Woche in einer Kita betreut werden, häufiger auffällige Verhaltensweisen? "Ja!", sagte eine Studie aus dem Jahre 2001. "Nein!", erwiderte eine norwegische Studie aus dem Jahre 2015. Diese widersprüchlichen Studienergebnisse veranlassten ein internationales Team von Forschenden zu einer großangelegten Meta-Studie. Das Ergebnis dürfte besorgte Eltern zunächst beruhigen, verdeutlicht aber auch, wie dringlich das Fachkräfte-Problem in deutschen Kitas ist.

Studienergebnisse: Längere Betreuungszeiten schaden Kindern nicht

Beeinflusst ein langer Aufenthalt in Kindertagesstätten das Verhalten von Kindern negativ? Zur Beantwortung dieser Frage wertete ein internationales Team aus Forschenden in einer Meta-Studie die Daten von mehr als 10.000 Kindern aus fünf verschiedenen Ländern und sieben Einzelstudien aus. Das Ergebnis der im amerikanischen Fachjournal "Child Development" veröffentlichten Analyse: Längere Betreuungszeiten in Kitas gehen nicht mit einem erhöhten Risiko für Verhaltensauffälligkeiten im Kleinkind- und Vorschulalter einher. Die Forschenden konnten nach Auswertung der Einschätzungen von Lehrkräften und Eltern keine Zunahme von negativen Verhaltensweisen wie Aggressionen, Mobbing oder verstärkter Ruhelosigkeit feststellen.

Das Team um Studienleiterin Catalina Rey-Guerra, Doktorandin am Boston College in Massachusetts, hält zudem fest, dass der Besuch einer Kita keinen grundsätzlich negativen Effekt auf das Verhalten von Kindern habe. Vielmehr ergebe sich aus dem Kita-Besuch sogar ein dauerhafter Lern- und Bildungsvorteil für die Kleinen. Neben den bestehenden Belegen für langfristige Leistungsvorteile von Kita-Kindern sprächen die Studienergebnisse so eindeutig für die möglichen positiven Effekte der frühkindlichen Betreuung, so Rey-Guerra.

Das große "Aber"

Gleichzeitig hebt das Forschungsteam allerdings hervor, dass die Qualität der Betreuung in Kindertagesstätten hierbei von entscheidender Wichtigkeit sei. So gäbe es Hinweise darauf, dass sich ein unzureichender Personalschlüssel negativ auf die Kinder auswirken könne. Verbringen Kinder durchgehend Zeit in Räumen mit übermäßig großen Gruppen und zu wenigen Betreuungspersonen, würde das Risiko für ungünstige Entwicklungen steigen.

Kita-Krise: Der Personalmangel in deutschen Kitas

Diese Erkenntnis macht erneut deutlich, wie akut die Kita-Krise in Deutschland ist. Denn die Einhaltung des als kindgerecht angesehenen Personalschlüssels ist in Anbetracht des Personalmangels und eines gleichzeitig hohen Krankenstandes vielerorts nicht mehr möglich.

Die Versuche, diese Misere auszugleichen, sind für Kinder und Eltern gleichermaßen unbefriedigend: Reduzierte Öffnungszeiten, die (temporären) Schließungen von ganzen Gruppen oder Einrichtungen und – insbesondere – das Eingeständnis, in Anbetracht der Lage das pädagogische Angebot reduzieren zu müssen. Wie Ulrike Muß, pädagogische Geschäftsführerin der Hamburger Elbkinder-Kitas im Interview mit dem Hamburger Abendblatt berichtete, sei es bisweilen erforderlich, "qualitative Abstriche" zu machen, um die Betreuung weiterhin gewährleisten zu können. Konkret heißt das: Ausflüge werden gestrichen, Vorschularbeit fällt aus oder Gruppen werden zusammengelegt.

Doch damit nicht genug: Während das Team um Rey-Guerra fordert, Richtlinien zur Qualitätssicherung der Kinderbetreuung zur internationalen Priorität auszurufen, wird in Deutschland darüber debattiert, die aktuell bestehenden Richtlinien aufzuweichen. So schlägt der Städtetag Baden-Württemberg nach Bericht des SWR vor, dem akuten Personalmangel in Kitas mit "mehr Beinfreiheit statt der engen Vorgaben" zu begegnen – gemeint ist damit die Vorgabe, dass mindestens zwei gelernte Erzieher:innen pro Gruppe anwesend sein müssen. Unterstützung könne nun von ungelernten Hilfskräften kommen, die direkt auf den Personalschlüssel angerechnet werden sollen.

Das alles mag als kurzfristige Lösung hinnehmbar sein, langfristig aber muss es mehr qualifiziertes Personal in Kindertagesstätten geben. Eine vergütete Ausbildung wäre ein Anfang, um den Beruf für potenziellen Nachwuchs interessanter zu machen – oder diesen zumindest weniger abzuschrecken. Es bleibt für Kinder und Eltern zu hoffen, dass die Politik endlich mit Hochdruck an Lösungen arbeitet. Denn die Kita-Krise ist kein privates Problem von Muttis und Vatis; es ist ein Problem von gesamtgesellschaftlicher Tragweite.

Quellen:

nbi ELTERN

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