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Glosse Schöner scheitern bei dem Versuch, Kita-Elternabende nicht schrecklich zu finden

Glosse: Schöner scheitern bei dem Versuch, Kita-Elternabende nicht schrecklich zu finden
© Mieke Scheier
ELTERN-Autor Martin Zöller über Survival-Strategien im Bärengruppenzimmer.

Mein erster Elternabend ist schon eine Weile her. Damals war ich noch frohen Mutes, motiviert und vor allem neugierig: Endlich würde ich auch mal auf diesen kleinen Stühlen sitzen, von denen schon meine Mutter immer erzählt hatte. Ich würde mich mit ihr und meiner eigenen Kindergartenzeit auf nostalgische Art verbunden fühlen. Endlich würde ich die Eltern kennenlernen, von deren Kindern ich schon so viel gehört hatte: Wer war denn wohl der Vater der kleinen B., die nach Auskunft der eigenen Tochter schon Geige spielte? Oder die Mutter von M., von dem der Sohn stets abschätzig meint, dieser sei „Kacka“? Irrationalerweise hoffte ich im Stillen wohl auch darauf, von den anderen Eltern anerkennendes Schulterklopfen für meine eigenen Kinder zu bekommen:
„So nett ... gut erzogen ... süß, deine Kleine ...“
 
Heute, diverse Elternabende später, schieben meine Frau und ich uns die Termine zu, als ginge es um die Ziehung der Weisheitszähne – mit Argumenten wie „Heute gehst du, weil ich jetzt drei Nächte lang aufgestanden bin, wenn Monster im Kinderzimmer waren“.   

Wie konnte es dazu kommen?


Zum einen ist da der sinkende Unterhaltungswert durch Gewöhnung ans Außergewöhnliche.  Am Anfang fand ich es noch amüsant, wenn Eltern halbstündige Diskussionen anzettelten, weil sie die Erzieher dazu bringen wollten, schon mit den Kleinsten Mikado zu spielen (wegen der Feinmotorik) und die anderen Eltern panikten (wegen der spitzen Mikados). Doch auch die absurdeste Diskussion wird nach der dritten Wiederholung Routine. Und irgendwann merkt man nicht mal mehr, dass die versammelte Elternschaft schon wieder 20 Minuten darüber palavert, wie teuer die Weihnachtsgeschenke für die Erzieherinnen sein dürfen – während diese selbst im Raum sind.
 
Zum anderen leidet die Marke „Elternabend“ darunter, dass wir alle so furchtbar im Stress sind und deshalb erst mal stundenlang mit gesenkten Köpfen im Kalender rumscrollen, bevor wir entscheiden können, ob wir vor dem Basar eine Viertelstunde Zeit haben, Biergartenbänke aufzubaue

Wie ich trotzdem überlebe? Ich wende den Geheimtipp meines Freundes B. (vier Kinder!) an: „Nimm den ersten harmlosen Job, der verteilt wird – dann hast du den Rest der Sitzung Ruhe und giltst als engagiert ...“ Guter Tipp: Seitdem rufe ich immer „Mach ich gern!“, wenn der erste „freiwillige Papa“ gesucht wird, der fünf Hinweisplakate für das nächste Fest aufhängt. Danach kann ich ganz entspannt allen weiteren Tagesordnungspunkten beiwohnen, auch der Wahl des Elternbeirats – bei der sich der Raum der Bärengruppe endgültig in ein gut funktionierendes Schweigekloster verwandelt. Meistens werden dann die Leute vom letzten Jahr wiedergewählt. „In Gottes Namen, ja“, sagen sie und könnten zum Dank, dass sie uns andere erlösen, locker 1000 Euro in kleinen Scheinen fordern.
 
Komme ich endlich nach Hause, fragt meine Frau für gewöhnlich: „Und, wie war’s?“                           
Ich seufze dann immer sehr tief. „Mein Kreuz! Diese Stühle! Außerdem habe ich mich mal wieder breitschlagen lassen für ein Amt.“ „Du Armer“, sagt meine Frau, „dafür musst du in den nächsten drei Nächten aber auch nicht aufstehen. Ich mache den Monsterjob!“

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