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Kindergärten Kindergarten auf dem Bauernhof

Es soll Kinder geben, die denken, die Milch kommt aus Tüten im Supermarkt, weil sie noch nie im Leben eine echte Kuh gesehen haben. Und die noch nie etwas eingepflanzt oder selbst Früchte geerntet haben. Ganz anders läuft da die Erziehung bei den Kindern vom "Bienenhäuschen" ab. Ein echter Bauernhof ist ihr Kindergarten.

Kleine Landwirte ganz groß

Kindergärten: Kindergarten auf dem Bauernhof
© sabine martens

Eigentlich ist Sabine Gehle Erzieherin. Im Moment betätigt sie sich eher als Landwirtin. Jätet Unkraut für Clemens, steckt das Beet neu ab für die kleine Felizitas. Lobt Jana für ihre vielen prächtigen Sonnenblumen, schreibt ein neues Namensschild für Stevens Beet.

Was die Kinder auf dem Kartoffelacker machen? Arbeiten wie die Großen. So ist das nun mal, wenn man in einen Bauernhof-Kindergarten geht: Die Aufgaben der Erwachsenen sind auch die der Kinder. Natürlich werden die Kleinen nicht zur Arbeit verdonnert, sondern machen mit Begeisterung nach, was die Großen ihnen vormachen: Schweine füttern, Eier einsammeln, Käse machen, Gemüse ernten. Überall sind die Kleinen dabei und lernen nebenbei, wie die Welt funktioniert. Zum Beispiel, dass die Kartoffeln nicht aus dem Supermarkt kommen, sondern vom Feld. Und wie viel Arbeit es bedeutet, sie auszupflanzen, großzuziehen und zu ernten.

Kindergarten auf dem Bio-Hof

Vor zwei Jahren hat Sabine Gehle ihr "Bienenhäuschen" auf Hof Dannwisch gegründet, einem Demeterhof, der schon seit 50 Jahren biologisch-dynamisch bewirtschaftet wird. Dieser Hof liegt idyllisch im südlichen Schleswig-Holstein, kurz vor den Toren Hamburgs, am Rande des kleinen Ortes Horst. Der Hof ist kein ganz normaler Bauernhof, sondern eine Art Lebenskonzept: Fünf Familien leben hier zusammen mit Lehrlingen, Gesellen und Praktikanten, zusätzliche Helfer kommen für die tägliche Arbeit auf dem Hof. Gemeinsam betreiben sie die Ställe, die Käserei, die Gärtnerei und den Hofladen. Und eben auch das "Bienenhäuschen". 14 Kinder gehen in diesen Kindergarten, den ganzen Vormittag verbringen sie im Freien.

Hier geht's unkonventionell zu. Einen Gemeinschaftsraum gibt es nicht, sondern ein kleines umfunktioniertes Bienenhäuschen, in dem man bei Regen Unterschlupf suchen kann. Es gibt keine Turnhalle, dafür jede Menge Wiesen zum Rennen, Baumstämme zum Balancieren, Gräben zum Drüberspringen und einen Wald für vielfältige Abenteuer. Es gibt kaum Spielsachen im klassischen Sinn, dafür tausend andere Anregungen: Im Frühjahr wird aus Holunderblüten Saft gekocht, im Herbst aus selbst gezogenem Getreide Brot gebacken. Die Kinder wissen, wie man aus Rahm Butter schlägt und dass es Jahre dauern kann, bis ein Käse so reif ist, dass man ihn essen kann.

In und von der Natur lernen

Sabine Gehle stellt immer wieder fest, dass vielen Kindern der Bezug zur Natur abhanden gekommen ist. "Wir haben hier auf dem Hof auch immer wieder Schulklassen aus der Stadt. Vielen Schülern merkt man an, wie wenig Bezug sie nur noch zur Natur haben. Sie wollen sich die Hände nicht mit Erde schmutzig machen, haben Angst vor Tieren, haben keine Lust zu körperlicher Arbeit, wollen sich nicht anstrengen."

Das kann den "Bienenhäuschen"-Kindern nicht passieren. Wie selbstverständlich und mit großer Freude nehmen sie am Hof-Alltag teil, dürfen sogar mit in die Käserei. Sabines Mann Tobias ist der Käser des Hofes und zeigt den Minis, wie die gelben Kugeln, die später im Hofladen verkauft werden, entstehen. In dicken Gummistiefeln stehen Clemens und Paul-Jakob da, mit wichtigem Gesicht und stolz wie Oskar. Ihre Aufgaben: Käse waschen, Molkeeimer in den Hof schleppen. Auch wenn die weißen Gummistiefel viel zu groß sind - die beiden erledigen alles mit großer Sorgfalt. Und machen ganz nebenbei eine wichtige Erfahrung: Wir werden gebraucht, unsere Hilfe ist wertvoll!

Fit in Sachen Motorik

Aber sind Kinder am Ende ihrer Kindergartenzeit überhaupt schulreif, wenn sie "nur" auf dem Acker herumspringen, Kälbchen striegeln und Getreide ernten? Diese Frage wird Sabine Gehle immer wieder gestellt. Die Erzieherin muss darüber schmunzeln. In Zeiten, in denen Experten beklagen, dass Schulanfänger nicht mehr auf einem Bein hüpfen können und nicht wissen, wie man einen Stift oder eine Schere hält, haben "ihre" Kinder einen klaren Vorsprung: In Sachen Motorik, Körperwahrnehmung und Koordination sind sie vielen Altersgenossen weit voraus.

Und auch wenn Sabine Gehle ihre Woche nicht nach "von oben verordneten Katalogen strukturiert", wie sie es nennt, lernen die Kinder alle wichtigen Dinge, die sie später im Leben brauchen werden: Konzentration und Ausdauer, Kreativität und Eigenständigkeit. Und natürlich wird, genau wie in jedem anderen Kindergarten, auch im "Bienenhäuschen" gebastelt, genäht, gewebt, gesungen und Geschichten erzählt. Mit dem Unterschied, dass die Ideen nicht dem Lehrbuch entstammen, sondern von der Natur geliefert werden.

Infos zu Bauernhofkindergärten & Co.

In Deutschland gibt es inzwischen mehr als 400 Wald- und Naturkindergärten, Bauernhof-Kindergärten wie das "Bienenhäuschen" fallen auch in diese Kategorie.

Die Idee des Waldkindergartens stammt aus Dänemark, in Deutschland wurde der erste in den 50er-Jahren gegründet. Da die Waldkindergärten keinem festen pädagogischen Konzept unterliegen, standen sie lange in der Kritik: Werden Kinder nicht hoffnungslos unterfordert, wenn sie nichts lernen, außer Bäume und Sträucher zu benennen? Wissenschaftliche Studien belegen das Gegenteil: Kinder aus Waldkindergärten sind in den Bereichen Motivation, Ausdauer, Konzentration und Sozialverhalten den Kindern aus Regelkindergärten meistens ein ganzes Stück voraus.

Weitere Infos, auch zu Waldkindergärten in Ihrer Nähe, gibt es beim Bundesverband für Wald- und Naturkindergärten, Tel. 04608/17 55, oder im Internet:

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