Den letzten Kindergeburtstag haben wir im kleineren Familienkreis gefeiert. Die Omas und Opas fehlten, andere Kinder sowieso. Es gab viel Kuchen und Brettspiele, es war gemütlich. Und ausnahmsweise auch völlig okay, nicht so einen Wirbel zu machen wie sonst immer. Immerhin herrschte (und herrscht jetzt, da ich das schreibe, auch immer noch) Ausnahmezustand. Wegen der Pandemie, meine ich. In den Jahren zuvor war immer eher ich im Ausnahmezustand – wegen der Geburtstagsparty meines Sohnes. Man kann seinem Kind schließlich das soziale Standing in der Klasse versauen, wenn "das Event“ nicht den Standards und Erwartungen der Gäste entspricht.
Wann hat das bloß alles angefangen mit diesen aufgepimpten Ausdrücken für Spiele? Kinder, die gern Sackhüpfen gespielt hatten, wurden irgendwann zum "AirHop“ eingeladen. Andere, die früher mit ihren Rollern in der Spielstraße rumgerast sind, auf die "Kartbahn“ verfrachtet. Die Schnitzeljagd hat man in den "Escape Room“ verlegt. Und statt kegeln gehen alle "bowlen“. Braucht man zum Lachen wirklich einen privaten Clown? Und als Familie eine Event-Agentur, die dafür sorgt, dass alles immer noch größer, besser, teurer wird? Und vor allem: immer nervenaufreibender. Also: Ich brauche das nicht.
Wie feiert man also einen Kindergeburtstag im Jahr 2022? Die ersten Fragen, die sich mein von Maßnahmen gemartertes Hirn stellt, sind: Darf man das überhaupt schon wieder? Ist das nicht verboten? Wo findet man die Regeln dafür? Gleichzeitig springt hinter all den Fragen die lang unterdrückte Lebensfreude im Mottoparty-Kostüm von 2019 auf und ab, und eine Stimme ruft: "Her mit den Luftschlangen! Und den Schokoküssen! Wir laden 27 Kinder ein und feiern nicht nur Geburtstag – sondern die tollste Party aller Zeiten!“
Nicht immer klappt alles
Doch dann kommt langsam die ganze Erinnerung zurück … an all die Dinge, die bei einem Event in Eigenregie schieflaufen können. Habt ihr vergessen? Unsere kleinen Fallbeispiele unten, die wir hier aus vorpandemischen Zeiten zusammengetragen haben, können eurem Gedächtnis da sicher ein bisschen auf die Sprünge helfen.
Wir sehen: Das Problem ist komplex, aber nicht unlösbar. Denn sicher gibt es eine Möglichkeit, Spaß zu haben, ohne dass unsere Party in Stress ausartet. Oder?
Vielleicht kann uns eine buddhistische Weisheit weiterhelfen. Sie lautet: Stop the waiting game – oder: Warte nicht darauf, dass etwas passiert. Ja, ist so: Nichts wird nach Corona jemals besser, wenn wir es nicht besser machen. Auch nicht Kindergeburtstage.
Starten wir eine wichtige Diskussion also schon mal innerhalb der Familie. Vielleicht mit den Worten "Wie würdest du denn nächstes Mal gern deinen Geburtstag feiern, liebes Kind?“ Vorausgesetzt, es wurde nicht kurz vor Beginn der Pandemie geboren und hat überhaupt schon mal eine Party mit Kindern erlebt. Die Eltern dürfen natürlich mitdiskutieren. Und sollten vorher am besten schon mal ihre Gedanken ordnen unter dem Arbeitstitel: Besser feiern – mehr Geburtstag für alle. Oder so ähnlich. Im Einzelnen könnte das dann so aussehen:
Die Planung
Weniger Gäste, mehr Spaß beim Spiel
Einmal, da hat eine befreundete Mutter nur die jeweilige Siegerin eines Spiels mit einem Preis bedacht – die übrigen Mädels gingen leider leer aus. Die Stimmung kippte in Nullkommanix, es flossen Tränen. Vor allem beim Geburtstagskind. Diesmal ein Reitausflug nur mit der besten Freundin? Das könnte in Zeiten von immer wiederkehrenden Kontaktbeschränkungen genau das Richtige sein, entspannt und ohne gruppendynamisches Gerangel. Gut, wenn man bei der Planung mal bespricht, was so los ist im Freundeskreis … wer mit wem und wo’s gerade gar nicht klappt. Und keine Sorge: Nach zwei Jahren Pause muss man auch nicht mehr alle einladen, bei denen man selbst auf der Party war – vielleicht fällt die Gästeliste dieses Mal kürzer aus, kommt aber mehr von Herzen.
Und an alle Eltern, deren Kinder sich Action zum Geburtstag wünschen: Warum nicht noch mal neu definieren, was "Action“ eigentlich bedeutet? Statt "Spiderman“ im Kino zu sehen, kann man ja auch Spinnenmänner und -frauen zur Verkleidungsparty einladen. Rumsitzen und zugucken, das tun wir alle schließlich oft genug. Und eine richtige Maske statt der FFP2-Variante wäre doch auch was. Merke: Rollenspiele heben die Stimmung! Selbst beim Kaffeeklatsch mit der Familie haben alle was zu lachen, wenn jedem ein Zettel an der Stirn klebt – mit dem Namen der Person, die er oder sie erraten soll. "Bin ich ein Mann oder eine Frau?“
Die Einladung
Jetzt mal Klartext
Manche Mütter ließen sich in der Vergangenheit nicht lumpen: Ihre Einladungskarten waren künstlerisch wertvoll oder wurden durch Origami-Kraniche zum Must-have. Das war und ist okay, solange keine jetzt schon am siebten Dummy herumbastelt, obwohl der Geburtstag erst im Dezember ist. Delegiert das Künstlerische gern ans Kind. Schon gewusst: Bunte Fingerabdrücke auf der Karte sehen (mit Bleistiftlinien dran) aus wie Luftballons. Also: Bitte lasst euch nicht unter Druck setzen (siehe unten).
Leichter gesagt als getan, oder? Am besten begegnet man dem vorcoronalen Leistungsdruck im Einladungskarten-Sektor mit einer neuen, einer klaren Ansage. Zum Beispiel: "Wir zeigen dir, wo dieses Blatt Papier herkommt! Wir feiern im Wald.“ Beides – Einladung und Programm – besticht durch seine Schlichtheit. Und das mit dem Wald ist kein Witz, vor allem für Familien ohne Garten: Man hat schon erlebt, dass Kinder hier voller Begeisterung Bucheckern (statt Gummibärchen) gefuttert haben. Hinterher wussten sie, wie eine Buche aussieht. Außerdem kann keine Designervase und kein Retro-Plattenspieler kaputtgehen, die Belüftung ist auch super. Und was Spannung und Interaktion betrifft: Die altbewährte Schnitzeljagd sollte unbedingt wieder eingeführt werden.
Dank klarer Ansagen muss auch niemand mehr so enttäuscht werden wie dieses Mädchen, das vor der Pandemie zu einer gewöhnlichen Haus-Party eingeladen wurde: "Wenn ich gewusst hätte, dass es kein Unterhaltungsprogramm gibt, wäre ich gar nicht gekommen.“
Das Essen
Auf dem Teppich bleiben
Es gibt Vegetarier, Veganer und auch immer noch Allesesser, die auch auf ihre Kosten kommen wollen. Es gibt Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien. Natürlich gibt es auch "Igitt! Mag ich nicht“. Was tun? Eines sollte uns langsam klar werden: Das Virus hat viele Varianten – aber unser Verpflegungsangebot in Zukunft nicht mehr. Stattdessen: Pizzateig ohne Ei zum Selberbelegen? Muffins – normal und vielleicht eine Alternative ohne allergene Zutaten. Das Geburtstagskind hat natürlich auch mitzureden. Die Gäste haben nur ein Veto-Recht. Wenn bei der Vorbereitung das Gefühl aufkommt, sich zu verausgaben, dann ist irgendwas schiefgelaufen.
Das Geschenk
Vorsicht, Überraschung!
Viermal derselbe Drei-Fragezeichen-Fall … da schaut das Geburtstagskind enttäuscht aus der Wäsche. Jede Mutter, die nach der Party schon mal um einen Umtausch gebeten hat, weiß: Vergiss es. Es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nie zu einer Übergabe des Ersatzgeschenkes kommen. Besser, man lernt aus den Erfahrungen von vor der Pandemie und schickt einen ganz, ganz konkreten Geschenkewunsch per App an die Eltern des Gastes. Oder organisiert ein Sammelgeschenk. Überraschungspäckchen zünden in der Regel nur, wenn sie von befreundeten Familien oder Verwandten stammen, die genau wissen, was das Geburtstagskind wirklich toll findet.
Das Abholen
Nicht lang schnacken
Die Corona-Inzidenzen sprechen für sich. Und sollten sie jetzt gerade sinken, versteht trotzdem jeder, wenn man noch vorsichtig sein will und kein Risiko eingeht. Mütter und Väter, die sich gegen Ende einer Party gern einfinden, um bei Cappuccino und Prosecco ein wenig zu plaudern, werden wir also schnell wieder los. Wenn wir sie loswerden wollen – und nicht anderweitig engagieren. Wer zum Beispiel darauf aufpassen muss, dass Kinder beim Blinde-Kuh-Spiel nicht gegen die Wand rennen, kann nicht gleichzeitig in der Küche stehen und Kaffee kochen. Was allerdings klappen würde: den Partner, die Geschwister, Freunde um Hilfe bitten! Assistenten kann man bei einer Geburtstagsfeier gar nicht genug haben. Und sind die Aufgaben gut verteilt, stören auch die gesprächigen Abholer und Abholerinnen nicht mehr, ganz im Gegenteil. Wieso sollen bloß die Kinder ihren Spaß haben? Wer weiß das nicht: You’ve got to fight for your right to party!
Und ihr so?
Vier Kinder, vier Geburtstage: Was sind eure Regeln, damit es nicht ausartet – und was ist mal richtig blöd gelaufen? Das haben wir Shari und André Dietz gefragt
Ein Horrorszenario, das uns fest in Erinnerung geblieben ist: Wir hatten einen Geburtstagsgast, der alles doof fand. Die Musik, die Schatzsuche, die Geschenke, den Kuchen … Die Stimmung und Dynamik waren total gestört, weil dieses Kind einfach alle Aktivitäten gesprengt und andere Kinder mit runtergezogen hat. Wir haben ihm dann – abseits von den anderen – erklärt, dass das nicht schön ist und dass es das Geburtstagskind traurig macht. Es war übrigens das letzte Mal, dass unser Sohn mit diesem Freund spielen wollte oder ihn zu sich nach Hause eingeladen hat.
Ansonsten haben wir Glück: Wir haben ein Winterkind und drei Sommerkinder. Und einen Garten! Wir können die Geburtstage also fast immer draußen feiern, und da braucht es gar nicht viel: ein Trampolin, Kuchen, Pommes und laute Musik. Eine ordentliche Schatzsuche, vielleicht noch mit einem kleinen (!) Schatz, und alle Kinder gehen abends glücklich ins Bett! Natürlich dürfen sich unsere Kinder auch ein Motto aussuchen. Einhorn-, Prinzessinnen-, Super-Mario- oder Weltraum-Partys haben wir zum Beispiel vor der Pandemie schon gefeiert. Dazu gibt es dann einen passenden Kuchen, schöne Servietten und ein paar Luftballons. Und wir Eltern beschäftigen uns auch höchstpersönlich mit der Party-Meute. Okay, zugegeben: Wir haben auch schon mal eine Hüpfburg gemietet. Das war ein voller Erfolg und extrem entspannt für uns Eltern. Aber das war’s auch schon. Keine Party-Agentur, kein Zauberer und auch keine Real-Life-Elsa. Denn sind wir doch mal ehrlich: Was unsere Kinder wirklich wollen, ist Zeit zum Toben und Spielen.
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Einfach Einladen
DIY – für Kinder: Aus kleinen bunten Papier-Rauten wird eine Wimpelkette, wenn man sie über einen Bindfaden faltet und verklebt. Die Daten – wer, was, wann und wo – schreibt man auf eine schlichte Karte aus Bastelkarton. In den beiden oberen Ecken lochen und die Kette festknoten. Fertig!
Zum Ausdrucken – für Eltern: Papiermuster und Falt-Ideen – japanisch und skandinavisch inspiriert – gibt’s bei malli-malli.de. Design zum kleinen Preis – einfach und echt cool.
Dumm gelaufen!
Bis zur Pandemie waren Kindergeburtstage oft Großkampftage: vier Erfahrungsberichte aus Zeiten, in denen noch keiner wusste, was Inzidenz bedeutet
Sophie (zwei Söhne)
Der Hundebiss
Erfahrungsgemäß ist bei jeder Party ein Kind dabei, das sich ausschließlich mit unseren Hunden beschäftigen will. Einer ist ein Straßenhund aus Spanien. Den hatte beim letzten Geburtstag ein achtjähriger Junge ins Visier genommen. Als der Hund sich einen Muffin vom Tisch geklaut hat, wollte der ihm seine Beute wieder aus dem Maul holen. Da hat er zugeschnappt. Der Junge hatte einen blauen Fleck am Arm und war sehr erschrocken. Und ich hatte ein schrecklich schlechtes Gewissen. Ich hab der Mutter gleich eine Entschuldigungs- Whatsapp geschrieben. Als sie darauf nicht geantwortet hat, hab ich mich total reingesteigert. Immer wieder hab ich sie angerufen – keine Reaktion. Erst um 23 Uhr habe ich sie erreicht. Sie fand alles nicht so schlimm. Aber ich war fertig mit den Nerven .
Ella (eine Tochter)
Der Reinfall
Meine Tochter hatte einen ganz großen Wunsch: mit ihren Gästen Tretboot fahren. Bei uns am See gibt’s einen Verleih, aber man kann nicht reservieren. Schon Wochen vorher habe ich fast zwanghaft jede Stunde auf meine Wetter-App geschaut. Dann kam der zehnte Geburtstag: Hammerwetter! Was für eine Erleichterung! Aber nur kurz. Beim Verleih war die Hölle los, und alle Tretboote waren weg. Wir haben dann drei Kanus genommen. Mein Mann mit zwei Kindern im ersten, ich mit zwei Kindern im zweiten, das Geburtstagskind mit zwei Mädchen im dritten. Dieses Boot kam ohne erwachsene Führung nicht gut zurecht. Irgendwann hat das entnervte Geburtstagskind einen hysterischen Anfall gekriegt und wollte am Ufer aussteigen. Und ist dabei ins Wasser gefallen.
Esther (drei Söhne)
Der Fußball-Tsunami
Wir hatten unserem mittleren Sohn einen Fußballgeburtstag versprochen. Das schien uns schlau: Er hat im Spätsommer Geburtstag, die Meute der Sechsjährigen würde sich im Freien verausgaben. Auf der Einladung baten wir um wetterfeste Kleidung, "Gekickt wird auch bei Regen“. Nicht vorhergesehen hatten wir: Sturm. So heftig, dass es unverantwortlich gewesen wäre, das Outdoor-Programm durchzuziehen. Also legten zehn Sechsjährige in unserer Etagenwohnung ihre Regenkleidung ab und kickten. Im Wohnzimmer. Zu einem Alternativprogramm waren der vor Energie strotzende Jubilar und seine Gäste nicht zu bewegen. Es ist sehr viel kaputtgegangen an diesem Tag.
Beate (eine Tochter)
Das abrupte Ende
Als meine Tochter zum zwölften Geburtstag zwölf Freundinnen zum Übernachten einladen wollte, brach ich innerlich zusammen, sagte aber "Ja, okay“ und dachte: Eh die abends zu sehr aufdrehen, machen wir Heimkino. Schön ruhig, das. Der eigens für den Abend gekaufte Film kam nur bei etwa einem Drittel der Mädchen an, die anderen fanden ihn "lame“ und durchforsteten unseren DVD-Vorrat nach Besserem. Jede wollte was anderes, bald wurde gestritten und gezickt, dass ich dachte: Spinn ich denn, mir das anzutun? Ich setzte ein Ultimatum: Wenn in einer Viertelstunde keine Einigkeit erzielt wird, müssen wir die Party abbrechen. Es nützte – rein gar nichts. Da hab ich die Nerven verloren, alle zwölf Mädchen ihre Schlafsäcke und Isomatten einpacken lassen und sie nach Hause geschickt. Ich schäme mich immer noch so vor all den Eltern. Noch mehr aber vor meiner eigenen Tochter.