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Musik fürs Kind Tipps für Eltern

Musik fürs Kind: eine Familie mit kleinen Kindern spielt Schlagzeug
© Halfpoint / Shutterstock
Macht Musik wirklich schlauer? Welches Instrument ist das richtige für welches Kind? Und geht’s auch ohne Druck und Drill?

Ab 3 Jahren

Hast du Töne?

Mozart haute in dem Alter schon zweihändig in die Tasten. Geschenkt. Kita-Kindern macht es einfach Spaß zu trommeln, zu rasseln und zu singen – ganz nebenbei lernen sie erstaunlich viel. Und zwar …

… über Rhythmus und Stimme

In der Kita, beim Musikkurs oder zu Hause – am meisten Spaß bereitet Musik gemeinsam mit anderen. Die einfachsten Instrumente sind zugleich die kindgerechtesten: Trommel, Klanghölzer, Rassel, Triangel, nicht zuletzt die eigene Stimme. Beim Singen lernen Kinder, Tonhöhe und Lautstärke zu verändern und wie ihr Gesang mit anderen harmoniert.

… über Hörwahrnehmung und -verarbeitung

Erste Lektion: Damit’s gut klingt, muss man auch zuhören können. Wie unterscheidet sich ein Tamburin von einer Djembe, und wer singt da gerade so laut, dass man die anderen kaum noch hört? Eine anspruchsvollere Übung für etwas ältere Kitakinder ist das Singen im Kanon. Denn hier muss sich jeder auf den eigenen Part konzentrieren. Eine gute Übung, um später in der Schule Hintergrundgeräusche ausblenden zu können und sich auf den Unterricht zu konzentrieren.

… über Aussprache und Wortstruktur

"Zehn kleine Zappelfinger zappeln rundherum" – manche Liedtexte haben es in sich. Aus der Therapie von Stotterern weiß man, dass auch komplizierte Wortfolgen beim Singen oft leichter von den Lippen gehen als beim Reden. Besonders Zungenbrecherlieder motivieren durch die lustigen Versprecher, es immer wieder zu probieren. Auch das Gefühl für die Laut- und Silbenstruktur der Sprache wird gefördert – eine wichtige Vorübung fürs Lesen- und Schreibenlernen. Die einzelnen Silben der Wörter und ihre Betonung lassen sich durch den Rhythmus des Liedes noch deutlicher erkennen, besonders wenn dieser noch durch Schlaginstrumente verstärkt wird. Gerade bei alten Volksliedern lernen die Kleinen außerdem Begriffe, die in ihrem Alltag nicht vorkommen – ihr Wortschatz wächst.

… über Gedächtnis und Konzentration

Wer singen will, muss textsicher sein. Eine tolle Motivation also, um sich auch längere Lieder mit vielen Strophen zu merken. Bei Mitmachliedern kommen noch komplexe Bewegungsabläufe hinzu, und dabei ist ordentlich Konzentration und Koordination gefragt. Melodie, Reime und häufige Wiederholungen erleichtern dabei die Gedächtnisarbeit – kein Wunder, dass wir oft als Erwachsene noch die Verse aus unserer Kindheit auswendig kennen. Und weil das Ganze so viel Spaß macht, speichert das Hirn diese Inhalte besonders gründlich.

… über Sozialverhalten

Damit das gemeinsame Musizieren nicht im Chaos endet, müssen die Kinder aufeinander hören und nur dann trommeln oder rasseln, wenn sie dran sind. Das hilft der Selbstkontrolle. Die wohl wichtigste Erfahrung aber ist, gemeinsam mit anderen etwas Schönes zu produzieren. So lernen sich die Kinder selbst als wichtigen Teil einer Gemeinschaft kennen – jedes Instrument, jede Stimme zählt.

Für die ganze Familie

Text vergessen? Auf Ideensuche? Neue Inspirationen und alte Lieblinge zum Mitsingen und Mitmachen findet ihr z. B. in "Ringel, Ringel Reihe – beliebte Lieder, Reime, Fingerspiele" (Buch mit CD, Ravensburger, 14,99 Euro), "Die 40 besten Fingerspiel-Lieder" auf Spotify oder "Die schönsten Kinderlieder" bei Audible.

Ab 8 Jahren

Und was spielst du?

"Kein Kind muss ein Instrument lernen – aber jedes sollte die Chance dazu haben"

Die erste Flötenstunde, der erste Auftritt im Schulorchester: Wie man Kinder beim Musikmachen unterstützen kann und warum zu viel Ehrgeiz eher schadet, erklärt Prof. Heiner Gembris, Professor für psychologische und empirische Grundlagen der Musikdidaktik an der Univer-sität Paderborn

ELTERN family: Viele Kinder lernen als Grundschüler zum ersten Mal ein Instrument näher kennen. Ist das eigentlich der richtige Zeitpunkt?

Heiner Gembris: Im Prinzip ja, ein früher Start ist gut. Die meisten professionellen Musiker und Musikerinnen haben um das sechste Lebensjahr herum angefangen. Letztlich kommt es auf das Kind an und seine Interessen. Natürlich können auch Jugendliche oder Erwachsene noch ein Instrument lernen. Je früher man beginnt, desto größer sind die Chancen, hohe Leistungen zu erreichen – aber es muss ja nicht jeder das Hobby zum Beruf machen.

Gitarre, Akkordeon oder doch die Blockflöte – wie findet man heraus, was am besten passt?

Mit dem richtigen Bauchgefühl. Dem Kind muss das Instrument gefallen, es sollte sich damit identifizieren können. Hier spielt das Elternhaus eine wichtige Rolle. Ist der Vater ein begeisterter Schlagzeuger, guckt sich das Kind das vielleicht ab. Wichtig sind aber auch Alter und körperliche Voraussetzungen. Bei stark vorstehenden Zähnen ist eine Querflöte vielleicht weniger geeignet. Am besten probiert ein Kind verschiedene Instrumente aus, zum Beispiel am Tag der offenen Tür der Musikschule. Oder es nimmt erst einmal Probeunterricht. Wer selbst das Instrument wählen kann, ist auch stärker motiviert.

Was können Eltern tun, damit das so bleibt?

Wichtig ist, dass Musik zu Hause wertgeschätzt wird, dass die Eltern den Unterricht ermöglichen und Interesse zeigen, das Kind eventuell zum Unterricht begleiten und sich Auftritte anhören. Wichtig ist auch, dass sie bestimmte Dinge lassen: übertriebenen Ehrgeiz, übermäßige Kritik und Druck. Das beeinträchtigt eher die Motivation. Es ist auch in Ordnung und besonders am Anfang hilfreich, das Kind zu ermutigen, jeden Tag etwa eine Viertelstunde zu üben. Das Kind sollte aber gewisse Freiheiten haben, was das Üben angeht. Ist es nur noch Zwang, sollte man es lieber ganz lassen.

Es muss ja auch nicht jedes Kind ein Instrument lernen.

Nein, aber jedes Kind sollte die Chance dazu haben. Ist ein Kind eigentlich viel lieber auf dem Fußballplatz, quält man es besser nicht mit einem Instrument, sondern fördert seine anderen Talente.

Es gibt ja die Theorie, dass Musik schlau macht. Richtig oder falsch?

Dass man die Intelligenz durch Instrumentalspiel erheblich steigern kann, konnte bis heute nicht nachgewiesen werden. Das Ziel der Intelligenzsteigerung ist aber ohnehin die falsche Motivation. Es geht ja vor allem um Spaß und Teilhabe an Kultur.

Aber das Gehirn profitiert schon auch …

Ja, es gibt Studien, die zeigen, dass die Interaktion zwischen den beiden Gehirnhälften durch mehrjähriges Üben eines Instruments verbessert werden kann. Andere Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Hörfähigkeit im Alter davon profitiert, beim sogenannten Cocktailparty-Phänomen: Wer über Jahre ein Instrument gespielt hat, ist im Alter besser in der Lage, in einem Gewirr von Stimmen, Gläserklirren und Hintergrundmusik einem Gespräch zu folgen.

Ab 12 Jahren

Das Ende vom Lied?

Viele Teenager verlieren in der Pubertät die Lust an ihrem Instrument. Zwei Nachwuchsmusiker, eine Mutter, mehrere Lösungen

Linus, 13, spielt lieber Xboxals Klavier

"Das Klavierspielen macht mir schon noch Spaß, aber nicht mehr so wie am Anfang. Ich habe oft keine Lust zum Üben und spiele lieber mit der Xbox. Es nervt, dass man so lange braucht, um ein Stück richtig gut zu können. Früher haben mich meine Eltern ans Üben erinnert, da gab es manchmal Streit. Jetzt sagen sie nichts mehr, ich glaube, sie haben echt aufgegeben. Andererseits: Beim Schulvorspiel neulich war ich einer der besten. Das hat mich wieder motiviert – ein bisschen."

Hanna, 13, ist froh, dass sie durchgehalten hat

"Eine Zeitlang fand ich meine Gitarrenstunden einfach nur lästig. Aber ich bin froh, dass ich nicht aufgehört habe. Es ist schon cool: Du kannst dir einfach die Noten zu tollen Liedern im Internet raussuchen, sie spielen und dazu singen. Mal für mich allein, mal mache ich Musik mit meiner Mutter oder meiner Freundin zusammen. Auch im Unterricht kommen jetzt mehr Stücke dran, die mir Spaß bringen, und in der Schul-Big-Band spiele ich seit einer Weile E-Gitarre. Es ist mega, was da entsteht, wenn man zusammen was Tolles auf die Beine stellt, auch wenn eigentlich nur jeder seinen Part spielt. Unsere Big-Band-Reise hat mich noch mal mehr motiviert. Wir haben ganz viel zusammen musiziert und wenn wir abends im Bett lagen, hat einer angefangen zu singen und der Rest hat mit eingestimmt. Ich habe viele neue Freunde kennengelernt. Man hatte während des Unterrichts sonst gar nicht so viel Zeit, miteinander zu reden. Aber so sind wir richtig zusammengewachsen und haben durch die Proben viel mehr gelernt."

Dorothee, 50, Mutter zweier Töchter, ist genervt vom Streit ums Üben

"Ich habe den Anspruch, dass meine Kinder jeweils ein Instrument spielen und eine Sportart ausüben. Emma, 14, spielt seit der Grundschule Querflöte. Aber sie war nie die Motivierteste, ich muss da immer hinterher sein. Darunter leidet oft auch unsere Beziehung, mich macht das einfach sauer. Ida, 12, spielt seit zwei Jahren Gitarre. Auch sie vergisst immer das Üben. Ihr sind andere Sachen einfach wichtiger. Dabei macht ihr das Gitarrespielen Spaß, vor allem, wenn sie mit ihrem Lehrer zweistimmig spielt."

Warum ist das so?

In der Pubertät werden vielen Jugendliche andere Dinge wichtiger: Freunde, Zocken, die erste Liebe. Das Gehirn giert nach schnellen Belohnungen – nicht gerade die besten Voraussetzungen, um über Wochen an einem komplexen Musikstück zu arbeiten. Genau so kann ein Instrument aber auch erst recht zum Freund werden, zu einer Möglichkeit, die eigene Identität zu finden, Emotionen zu regulieren und auszudrücken. Am Schlagzeug kann man seine Wut rauslassen, am Klavier nach einem anstrengenden, aufreibenden Schultag wieder runterkommen.

Wie kann ich meinen Teenager wieder motivieren?

Möglicherweise im Team mit anderen, am besten mit Gleichaltrigen. Im Orchester, Chor oder in einer Rockband können Teenies Freunde finden und gemeinsam mit anderen etwas schaffen, das allein nicht möglich wäre – ähnlich wie beim Mannschaftssport.

Für die nächste Teenagerparty

Karaoke ist mittlerweile total retro – und genau deshalb cool. Etwa "Let’s Sing 2021", erhältlich für PlayStation 4 (38 Euro), Nintendo Switch (47 Euro) und Xbox (40 Euro), oder "Voice of Germany", erhältlich für PlayStation 4, XBox und Nintendo Switch (alle 50 Euro).

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