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Für Erziehungsstile und Elterntypen gibt es immer neue Begriffe. Habt ihr schon von Qualleneltern gehört? Dursichtige, glibberige Quallen im tiefen Meer – was soll das mit Erziehung zu tun haben?
Es geht bei diesem Bild um eine fließende, freigeistige und anpassungsbereite Form der Erziehung. Qualleneltern sind damit das Gegenteil von sogenannten Jiwa-Eltern. Jiwa-Eltern pflegen einen autoritäten Erziehungsstil dessen Antrieb Leistungsdruck und Konkurrenzdenken sind. Qualleneltern hingegen verabscheuen solchen Druck und lassen Raum für das Kindsein.
An diesen Anzeichen erkennst du Qualleneltern
- Bei Qualleneltern gibt es wenig verbindliche Regeln oder starre Zeitpläne.
- Sie geben ihrem Kind Raum, seine Gedanken und Gefühle auszudrücken – und gehen darauf ein.
- Sie geben dem Kind nicht vor, was es zu tun hat, sondern lassen es viel mitentscheiden. Im Alltag heißt das: Die Eltern zwingen das Kind nicht dazu, ein Instrument zu lernen, weil sie glauben, das sei förderlich. Sondern sie nehmen Abstand von ihren eigenen Vorstellungen und lassen sich darauf ein, welche Interessen ihr Kind ausleben möchte – wenn das ein Zeichenkurs ist, macht es eben den, wenn es lieber zu Hause bleibt und Hörspielen lauscht, dann macht es das.
- Hat das Kind keine Lust mehr auf bestimmte Freizeitaktivitäten, will also keinen Fußball mehr spielen oder lieber mit dem Gitarrenunterricht aufhören, dann ist das kein Problem. Qualleneltern zwingen ihrem Kind nicht ihren Willen auf, Druck machen liegt ihnen fern.
- Qualleneltern finden ungeplante Freizeit wichtiger für ihr Kind als einen Terminplan voller nützlicher Aktivitäten.
- Diese Eltern legen großen Wert darauf, sich an die Bedürfnisse ihres Kindes anzupassen.
- Sie sehen viele Dinge, die anderen Eltern wichtig erscheinen, entspannt. Sie sind weniger dogmatisch.
- "Go with the flow", könnte man ihr Motto zusammenfassen.
- Sie sind extrem flexibel – eine Eigenschaft, die in gewissem Maße alle Eltern lernen müssen. Wer kennt es nicht, dass die Pläne und Abläufe, die sorgfältig für den Tag ausgearbeitet wurden, durch plötzliche Zwischenfälle oder Stimmungsumschwünge über den Haufen geworfen werden? Eben. Spontanes Eingehen auf die kindliche Gefühlswelt gehört also in gewissem Rahmen zum Elternrepertoire. Qualleneltern haben darin Meisterschaft erlangt.
- Qualleneltern sind auch meisterlich darin, sich in ihre Kinder einzufühlen.
Das sind die Vorteile von Qualleneltern
Das klingt doch erst einmal gut: Kinder wachsen ohne Zwang auf, sie dürfen sich selbst entfalten und werden in ihrer Autonomie gestärkt. Gerade in Zeiten, in denen über Burnout von Kindern gesprochen wird, die dem Druck von Schule, Elternhaus und Freizeitstress nicht mehr standhalten, können Qualleneltern also ein wohltuendes Gegengewicht sein.
"Die Vorteile dieses Ansatzes bestehen darin, dass die Eltern viel Kommunikation und positives Einfühlungsvermögen mit dem Kind haben, was wahrscheinlich zu einer guten Bindung und Verbindung führt", sagt Sozialarbeiterin Jami Dumler auf "verywellfamily".
Und die Psychologin Rachel Hoffman erklärt gegenüber "Scarymommy": "Kinder von Qualleneltern haben typischerweise ein großes Selbstwertgefühl und viel Entscheidungskompetenz – weil sie schon in jungen Jahren Entscheidungen darüber treffen dürfen, wie sie ihre Zeit verbringen."
Diese Nachteile haben Qualleneltern für ihre Kinder
Doch natürlich gibt es auch Nachteile. "Während dieser Erziehungsstil das Selbstwertgefühl der Kinder steigert, kann es manchmal dazu führen, dass sie egoistisch und selbstgerecht werden", so Hoffman. "Es besteht auch das Risiko, dass diese Kinder in der Schule oder später im Beruf nicht so hart arbeiten, weil sie keine Maßstäbe gewohnt sind." Zudem hätten Kinder von Qualleneltern mitunter Probleme, Grenzen zu akzeptieren, da sie zu Hause so selten mit dem Wort "Nein" konfrontiert seien.
Zu den Nachteilen gehört auch, dass dieser Erziehungsstil den Kindern zu viel abverlangen kann, bevor sie wirklich bereit dafür sind. Wer zu früh zu viel Autonomie erlebt, fühlt sich überfordert statt gefördert.
Zurück zum Bild der Quallen: Wenn das Rückgrat fehlt, wie es bei den Quallen der Fall ist, wird das Tier hilflos von den Strömungen fortgetragen, anstatt selbst zu bestimmen, wo es hinwill. Seine Leichtigkeit wird zum Nachteil. Eltern ohne Rückgrat können belastend für ihre Kinder sein, weil dem Kind die Orientierung und Führung fehlen. Kinder brauchen Grenzen, um sich gesund zu entwickeln – und um gewisse Sozialkompetenzen zu erlangen.
Wie ist dieser Erziehungsstil einzuordnen?
Qualleneltern werden dem permissiven Erziehungsstil zugeordnet, der Freiheiten gewährt, aber Konflikte vermeidet. Das Nicht-Lenken kann hier zur Uferlosigkeit werden, dem Kind fehlt jeglicher Halt. Die Eltern und ihre Werte sind nicht greifbar, wie eben auch Quallen schwer zu greifen sind.
Erziehungsstile gibt es viele. Wie immer gilt auch hier: Die Balance macht’s. Und vielleicht auch die Mischung. Denn die wenigsten Eltern folgen einem strikten Erziehungsstil, schon gar nicht bewusst. Bildliche vergleiche wie Helikopter-Eltern, Tigereltern oder Qualleneltern dienen nur der Orientierung im großen Dschungel der Möglichkeiten. Menschen passen nicht in Schubladen, und so sprengen auch Eltern und ihre Erziehungsstile jedes Kastendenken.
Das Wichtigste bleibt immer: Findet euren eigenen Weg als Eltern, hört auf euer Gespür und entscheidet selbst, was für euch, euer Kind und eure Familie der geeignetste Weg scheint.
Verwendete Quellen: Scarymommy.com, verywellfamily.com, parents.com