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Schlafbegleitung So wichtig ist sie für dein Kind

Schlafbegleitung: ein junges Paar schläft mit ihrem Neugeborenen auf dem Sofa
© Party people studio / Shutterstock
Nora kann sich noch gut daran erinnern, wie dankbar sie als Kind dafür war, im dunklen Zimmer nicht allein sein zu müssen.

Vierundvierzigtausend Stunden. So viel Zeit habe ich, grob überschlagen, in den vergangenen Jahren damit zugebracht, meine Kinder in den Schlaf zu begleiten. Habe sie getragen und gehalten, gestillt und gestreichelt, habe neben ihnen gesessen oder gelegen und ihnen so eine Brücke gebaut vom Wachsein ins Traumland, immer und immer wieder. Einschlafbegleitung nennt die moderne Ratgeberliteratur das. Können Kinder also heutzutage nicht einmal mehr allein einschlafen?

"Für so einen Firlefanz hätte ich gar keine Zeit gehabt", erklärte neulich eine energische Busbekanntschaft, die zufällig ein Gespräch zwischen einer Freundin und mir mithörte – darin hatten wir uns darüber ausgetauscht, wie lange wir abends neben unseren Zweijährigen im Bett liegen, bis wir uns vorsichtig rausschleichen können. "Bei meinen Kindern heißt es einfach: Licht aus und gute Nacht. Und es hat ihnen nicht geschadet!", meinte dazu die Fremde im Bus. "Alles Erziehungssache!" Dann stieg sie aus.

Einschlafen ist nicht einfach

Alles Erziehungssache? So einfach ist es nicht. Tatsächlich gab es schon immer Kinder, denen das Einschlafen allein im eigenen Bett leichtfiel, und andere, die sich damit schwerer taten. Weil sie sich einsam fühlten. Angst hatten. Nähe brauchten. Ich weiß das nicht nur aus schlauen Büchern. Sondern weil ich selbst so ein Kind war.

Abend für Abend wieder kam ich aus meinem Bett ins Wohnzimmer getapst: "Ich kann nicht einschlafen." Abend für Abend wurde ich wieder zurückgebracht, warm zugedeckt, Kuscheltiger in den Arm, gute Nacht. Bis ich fünf oder zehn Minuten später wieder dastand. So ging das ein paar Mal hin und her, bis meine Eltern aufgaben und entweder bei mir blieben oder mich in ihrem Bett einschlafen ließen, wo mir binnen weniger Sekunden die Augen zufielen. Ich erinnere mich noch genau an dieses Gefühl: einschlafen wollen, aber nicht können. Müde sein, aber kein Auge zukriegen, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Ich erinnere mich sogar daran, dass ich genau spürte, was ich in dem Moment gebraucht hätte, und dass ich selbst diesen Wunsch gleichzeitig völlig indiskutabel fand: Meine Mama kann sich doch nicht jeden Abend neben mich legen, bis ich eingeschlafen bin! Das geht doch nicht!

Dass das nicht geht, war gesellschaftlicher Konsens. Kinder hatten nach Kuss und Lied bereitwillig in ihren eigenen Betten einzuschlafen, sonst hatten ihre Eltern etwas grundlegend falsch gemacht. Es ist nicht verwunderlich, dass in diesem kulturellen Klima das Thema Kinderschlaf plötzlich zu dem Stressthema überhaupt wurde. Schlafratgeber boomten, Bestseller wie "Jedes Kind kann schlafen lernen" gingen hunderttausendfach über die Ladentische. Schließlich versprachen sie Lösungen für ein schier unauflösliches Dilemma – die kulturelle Vorgabe, wie Kinder zu schlafen hatten, passte nämlich schlicht nicht zusammen damit, wie Kinder schon immer gerne schlafen: angekuschelt, nah, geborgen.

Der geduldete Gast im Familienbett

Natürlich gab es trotzdem Eltern, die ihren Kindern zum Einschlafen genau diese Nähe schenkten. Wie gesagt: Auch meine eigenen Eltern knickten beinahe jeden Abend ein. Mich weinen zu lassen kam für sie nie infrage. Außerdem waren sie selbst irgendwann so müde, dass sie nicht länger die Kraft hatten, Widerstand zu leisten. Glück für mich: So kam ich in den Genuss einer Art unfreiwilligen Familienbetts, als geduldeter Gast um der Nachtruhe willen. Dafür, dass meine Eltern keine der damals so beliebten Schlaflerntrainings ausprobierten und mich nicht zum Alleinschlafen zwangen, bin ich bis heute dankbar. Doch ich erinnere mich auch noch an meine Schuldgefühle.

Diese eigene Erfahrung hat mich so geprägt, dass ich mich bereits lange, bevor ich selbst mein erstes Kind erwartete, intensiv mit dem Thema Kinderschlaf beschäftigte. Ich wollte herausfinden, ob das wirklich so ungewöhnlich war, was ich als Kind gefühlt hatte: dass es unglaublich schwer ist, als kleiner Mensch ganz allein einschlafen zu sollen. Und fand heraus: Es ist überhaupt nicht ungewöhnlich, sondern ganz normal und natürlich, dass viele Kinder die Nähe ihrer Eltern suchen, um einzuschlafen. Schließlich sind wir im Schlaf so verletzlich und ungeschützt wie nie, und sich vom Zustand großer Kontrolle in die Unkontrollierbarkeit des eigenen Schlafes fallen zu lassen, braucht so viel Vertrauen, dass es gerade kleine Kinder oft nur in Anwesenheit ihrer liebsten Lieblingsmenschen schaffen.

Und genau das ist der Grund, warum ich die grob überschlagenen 44 000 Stunden, die ich in meinem Leben mit Einschlafbegleitung verbracht habe, weder für Firlefanz noch für verschwendete Zeit halte. Erstens habe ich mich dabei ja nicht gelangweilt, sondern im sachten Schimmer meines Smartphones jede Menge Texte gelesen, für die ich sonst im stressigen Alltag garantiert nie die Zeit gefunden hätte. Zweitens habe ich meinen Kindern dabei die Sicherheit und Geborgenheit geschenkt, die sie zum Einschlafen brauchten. Und drittens habe ich auch dem kleinen Kind, das ich selbst einmal war, dadurch gezeigt, dass es nicht zu unselbstständig oder bedürftig war. Sondern dass es genau richtig lag mit seinem Gefühl, wie das Einschlafen am besten klappt: nämlich mit Eltern, die bei einem bleiben, bis man eingeschlafen ist.

Nora Imlau schreibt als freie Autorin für ELTERN, sie hat einen erfolgreichen Blog (nora-imlau.de) und viel Erfolg mit Bestsellern wie "So viel Freude, so viel Wut", Kösel, 20 Euro, oder "Mein Familienkompass", Ullstein, 22,99 Euro.

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