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Im ersten Jahr
Babytalk
Utzidutzi. Jaaa, wen haaaben wir denn daaaa? Wenn wir mit Babys reden, hört sich das, na ja, irgendwie babysch an. Babysch ist eine internationale Sprache, sie kommt überall auf der Welt zum Einsatz. Haben Erwachsene – nicht nur Mütter und Väter – Kontakt zu einem Winzling, machen sie es ganz automatisch: Stimme heben. Langsam reden, mit starker Betonung, gezogenen Lauten. Diese sogenannte kindgerichtete Sprache passt sich den Kleinsten optimal an, erklärt Steffi Sachse, Professorin für Sprachentwicklung an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Kinder hören hohe Töne besser und können sie früher unterscheiden. Außerdem bindet das Übertriebene in der Sprachmelodie ihre Aufmerksamkeit. Aha, denkt das Baby, da sagt jemand "du Süüüüüße, Süüüüüße, duuuu“ – ich bin gemeint!
Unterhalten wir uns auf Babysch mit dem Kind, hört es gespannt zu, bleibt aufmerksam. Und bekommt so den sprachlichen Input, den es für seine Entwicklung braucht. Lauschen Kinder in den ersten Monaten noch allen an sie gerichteten Worten, bilden sie ab etwa acht Monaten eine deutliche Vorliebe für ihre Muttersprache aus. Sie erkennen, welche Laute und Silben darin häufig vorkommen. Diese Töne reihen sie jetzt auch selber zunehmend begeistert aneinander. Zuerst werden gut bekannte Silben verdoppelt. We we, mi mi, da da, ma ma, pa pa. YES!
So könnt ihr eure Sprachanfänger unterstützen:
1 – Wiederholt die Laute, die das Baby produziert, und antwortet ihm zuverlässig. So merkt es: Sprache wirkt.
2 – Kommentiert alles, was passiert, in korrekten Sätzen: "Leon bekommt jetzt eine frische Windel.“ Denn auch, wenn babysch gut funktioniert – wie es richtig geht, muss auch gelernt werden.
3 – Stellt Fragen, die ihr dann selber beantwortet: "Wo ist dein Pinkipingu? Da ist dein Pinkipingu!“ Euer Kind versteht so, dass Sprache ein Hin und Her ist.
4 – Sobald ihr merkt, dass das Baby auf Aufforderungen richtig reagiert – "hol dir deinen Schnulli!“, könnt ihr ihm immer mal wieder kleine Aufgaben stellen, die es eifrig erfüllen wird. Sprache verstehen, daraus Schlussfolgerungen ziehen, Erfolg haben. So wächst Selbstvertrauen.
5 – Lasst euer Kind zwischen zwei Möglichkeiten wählen: "Magst du die Puppe haben? Oder den Ball?“. Vielleicht wird es beides wollen, auch gut. Hauptsache, wieder zwei Wörter geübt.
Im zweiten Jahr
Zeit der Wortesammler
Wauwau. Autoto. Nulli. Um seinen zweiten Geburtstag herum versucht sich euer Kind an ungefähr 30 bis 50 Worten, die es – mehr oder weniger – korrekt ausspricht. Manchmal nennt es nur die ersten Buchstaben. Nei! Das eine oder andere richtige Wort ist aber bereits dabei. Die Melodie von Sprache hat es unabhängig von seinem Wortschatz schon drauf: Jargoning nennen es Sprachforscher, wenn Einjährige Wortteile aneinanderreihen und Sätze imitieren: "Einei du ba lulu?“, fragt es die Tante im Videocall und schaut dabei sehr wichtig. Im zweiten Jahr sind Kinder Vokabel-Spurter, wie Experten sagen. Die einen rennen schneller vorwärts, die anderen langsamer, aber alle sammeln unentwegt Worte.
Das können die meisten Sprachanfänger am Ende des zweiten Lebensjahres:
- Verstehen kommt vor Sprechen: Rund 500 Begriffe sind dem Kind ein Begriff, auch wenn es sie noch nicht aktiv verwendet.
- Es erkennt die Schlüsselwörter im Satz: Kannst du bitte deine Gummistiefel holen? "Gummistiefel“ und "holen“ verstanden, Auftrag wird erledigt.
- Zwei- bis Dreiwortäußerungen klappen schon gut: Mama Saft. Papa mitspielen. Muss Joju essen.
- Erste Fragen werden gestellt. Durch Betonung, oft verbunden mit Zeigegesten – "Is des?“ – zeigt das Kind sein Interesse an der Umwelt. Um Antwort wird dringend gebeten.
- Das energische NEIN wird verwendet, um eigene Absichten klarzumachen: "Nein Bett!“
- Der eigene Vorname ist die Vorstufe zum Wörtchen "ich“, das spätestens im kommenden Lebensjahr sehr wichtig wird.
- Nicht nur Selbstlaute (a, e, i, o, u) werden beim Jargoning geplappert, sondern auch zunehmend Mitlaute wie m, n, b, p, d, t, l, h.
Plus: Late Talker
Hat dein Kind bis zu seinem zweiten Geburtstag den ungefähren Richtwert von 50 Worten (noch) nicht erreicht und nutzt (noch) keine Zweiwortkombinationen ("Oma kommt“, "Auto weg“), kann es das in den nächsten Wochen schnell nachholen. Tut es das nicht, ist es ein Late Talker, wie Entwicklungsforscher sagen. Ungefähr jedes fünfte Kind ist verspätet dran mit seiner Sprachentwicklung. Bis zum dritten Geburtstag wird das meistens ganz von allein aufgeholt. Geht es bis dahin aber nicht vorwärts, kann eine Sprachtherapie sinnvoll sein. Denn obwohl Kinder sich nach ihrem eigenen Tempo entwickeln sollen, sorgt es bei ihnen selbst doch für Frust, wenn die Sprache so überhaupt nicht in Gang kommt. Sie brauchen Wörter, um sich abzugrenzen ("nicht machen!“), um ihre Wünsche zu äußern ("haben wollen“) oder um Gefühle zu beschreiben ("Opa lieb“).
Im dritten Jahr
Blödspinat!
Auch Schimpfworte sind Worte.
Selber Spinat mit Pipi-Kaka! Morgens an der Kita-Garderobe geht es sprachlich schon mal rund. Kinder benutzen gern Schimpfwörter. Am Anfang steht dabei tatsächlich die Freude an der Sprache. Auch Blödi-Kaka-Depp-Worte sind Worte. Sie werden gehört, gelernt, gemerkt, angewendet. Und sie machen mächtig: Die Benutzung eines "schlimmen Wortes“ ruft immer eine Reaktion hervor. Wer es benutzt, hat sofort die volle Aufmerksamkeit, auch die seiner Bezugspersonen. Sprachanfänger lieben das natürlich.
Schimpfwörter sind aber auch Grenzüberschreitung, Provokation, Ventil. Sobald sie sprechen können, schimpfen Kinder. Warum? Aus Ärger. Um gehört zu werden. Räumt Mama schon wieder den Apfelsaft weg, obwohl Pauline noch ein Glas davon trinken wollte? Arschmama! Ein Schimpfwort ist ein schnelles, zuverlässiges Transportmittel für Frust und Wut. Hallo, versteht mich hier keiner? Dann sage ich das jetzt mal anders: Popo-Stinki, du!
Warum aber ist gerade die Popopipikaka-Trilogie so beliebt? Das Sauberwerden beschäftigt Kleinkinder sehr. Die Worte dafür fallen jeden Tag in der Familie. Wenn es dann endlich klappt – keine Windel mehr! –, ist das auch ein Stück Befreiung aus der Abhängigkeit von Mama und Papa. Selber groß. Das wird selbstbewusst gefeiert. Gern mit den Worten, die in diesem Zusammenhang sehr vertraut und ganz natürlich sind. Dass sie aufhorchen lassen, macht die Sache nur noch interessanter. Und weil alle Zweijährigen das Windelthema kennen, verbindet sie die Freude am sprachlichen Umgang damit. Auch wenn Elternohren dabei schon mal beschämt nach vorne klappen, das Entlastende und das Humorvolle an dieser Sprachphase sollten sie schätzen: Alles, was im Klo landet, ist lustig. Du hast mein Bauklötzchen geklaut? "Blöde Kakawurst!“, sagt das eine Kita-Kind. "Selber A-a!“, antwortet das andere. Spätestens jetzt ist Streit kein Thema mehr. Man muss sich schließlich gemeinsam auf dem Boden kringeln vor Lachen. Und dabei noch ein paar saumäßig eindrucksvolle Schimpfworte erfinden.
Plus: "Das Wort mit Sch..."
Freches, lustiges Bilderbuch, das mit dem Tabuwort spielt. Aber nicht nur: Schließlich gibt es auch Sch...metterlinge, sch...mollende Kinder oder den großen Sch...reck. Sch...önes Sprachspiel rund um eine kleine Vorsilbe.
Von Nadine Kappacher, Tyrolia Verlag, 14,95 Euro