Manchmal geht es nicht anders: Da sind die Nerven so dünn, dass das schreiende, zappelnde Kleinkind im Bus eben schnell das Smartphone hingehalten bekommt. Sobald die bunten Bilder laufen, ist Ruhe. Oder es steht ein unumgängliches Meeting an. Wenn niemand anderes auf das kleine Kind aufpassen kann, darf es eben etwas auf dem Fernseher, Tablet oder Handy schauen. Ausnahmsweise. Manchmal werden die Ausnahmen aber zur bequemen Regel – mit deutlichen Folgen, wie eine Studie zeigt.
Klar, Bildschirme und Medien ganz zu meiden, ist extrem schwierig in der heutigen Zeit. Vor allem Familien mit mehreren Kindern stehen vor dem Problem, dass die älteren Geschwister bereits bestimmte Serien oder Sendungen schauen dürfen – und das vehement einfordern –, die Kleinkinder aber nicht. Eigentlich.
Eine Studie mit mehr als 7.000 Kleinkindern und ihren Müttern, die im "Jama Pediatrics" veröffentlicht wurde, zeigt auf, dass einjährige Kinder, die bereits regelmäßig Medien konsumieren, schon im Alter von zwei Jahren Entwicklungsverzögerungen aufweisen können. Lange Bildschirmzeiten wirken sich vor allem auf die Kommunikation und Problemlösekompetenz aus.
Wie lange sitzen Einjährige am Bildschirm?
Die Forschenden betrachteten, wie viel Bildschirmzeit die Kinder im Alter von einem Jahr hatten. Die Frage an die Mütter lautete "An einem typischen Tag, wie viele Stunden darf Ihr Kind Fernsehen schauen, DVDs, Videospiele, Internetspiele (auch auf dem Smartphone und an Tablets) etc.?"
Von den teilnehmenden Kleinkindern hatte fast die Hälfte eine tägliche Bildschirmzeit von weniger als einer Stunde. 2.095 Einjährige hatten eine Bildschirmzeit von einer Stunde bis unter zwei Stunden. 1.272 durften mehr als zwei Stunden, aber unter vier Stunden schauen. Und 290 Einjährige saßen mehr als vier Stunden täglich vor einem Bildschirm.
Dann schauten die Wissenschaftler:innen auf bestimmte Fähigkeiten, die die Kinder im Alter von zwei Jahren und schließlich von vier Jahren hatten. Erfasst wurden die Fähigkeiten in verschiedenen Entwicklungskategorien wie Kommunikation, Motorik, Feinmotorik, soziale Kompetenz und Problemlösungskompetenz.
Entwicklungsverzögerungen durch längere Bildschirmzeit
"Wir beobachteten einen Zusammenhang zwischen der Bildschirmzeit im Alter von einem Jahr und einem höheren Risiko einer Entwicklungsverzögerung im Bereich Kommunikation, Feinmotorik, Problemlösung und sozialen Fähigkeiten", heißt es in der Studie. Das Risiko von Entwicklungsverzögerungen durch zu lange Bildschirmzeit war im Alter von vier Jahren noch auffällig für die Bereiche Kommunikation und Problemlösekompetenz. Das heißt, die Entwicklungsverzögerungen bei der Feinmotorik und den sozialen Fähigkeiten, die bei Zweijährigen noch erkennbar waren, hatten sich in diesem Alter wieder eingependelt.
Das Fazit lautet daher: "In dieser Studie war eine längere Bildschirmzeit bei Kindern im Alter von einem Jahr mit Entwicklungsverzögerungen bei der Kommunikation und Problemlösung im Alter von 2 und 4 Jahren verbunden." Das decke sich mit den Ergebnissen anderer Studien.
Pädagogisch wertvolle Medien sind erlaubt
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt in ihren Leitlinien, die Bildschirmzeit für Kinder zwischen 2 und 4 Jahren auf maximal eine Stunde pro Tag zu begrenzen. Einjährige Kinder sollten demnach gar keine Zeit an Bildschirmen verbringen.
Die Studienautor:innen geben zu bedenken, dass es einen Unterschied machen könne, was genau konsumiert werde. "Obwohl Bildschirmzeit mit Entwicklungsverzögerungen in Verbindung gebracht wird, kann sie einen pädagogischen Aspekt haben, je nachdem welche Programme geschaut werden. Tatsächlich zeigte eine Metaanalyse, dass eine stärkere Bildschirmnutzung mit verminderten Sprachkenntnissen verbunden war. Wenn jedoch die Bildschirmzeit mit Bildungsprogrammen verbracht wurde, war das mit verbesserten Sprachfähigkeiten verbunden."
Deshalb lautet der Ratschlag der Wissenschaftler:innen an Eltern: Da die Mediennutzung heutzutage nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden könne, die schädliche Bildschirmzeit gering zu halten und ihre Kleinkinder – wenn sie etwas schauen – pädagogisch wertvolle Programme konsumieren zu lassen.
Verwendete Quellen: parents.com, jamanetwork.com, apps.who.int