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"Das kann ja nicht gut gehen"

Immer mehr Deutsche heiraten ausländische Partner. Jedes fünfte Kind, das in Deutschland geboren wird, hat zumindest ein ausländisches Elternteil. Doch nach wie vor haben binationale Familien mit bürokratischen Hindernissen und Vorurteilen zu kämpfen.

Unsere Gesellschaft wird immer multikultureller, und den Partner findet man immer häufiger in der Ferne. Durchschnittlich jede sechste Ehe in Europa wird zwischen Partnern unterschiedlicher Staatsangehörigkeit geschlossen.

Am Anfang steht die Liebe, doch binationale Paare stürzen meist früher als andere Liebespaare vom siebten Himmel auf den Boden der Realitäten. Denn bevor sie ein gemeinsames Leben beginnen können, müssen meist Berge von bürokratischen Hindernissen überwunden werden. Das Hin und Her zwischen Standesämtern, Ausländerbehörden und Botschaften kostet Nerven.

Die Hürden der Bürokratie

"Drum prüfe, wer sich ewig bindet", heißt es so schön. Stammt der Partner der Wahl nicht aus einem EU-Land, ist ein "Ausprobieren" nicht möglich. Erst der Trauschein bringt dem ausländischen Partner die zunächst befristete Aufenthaltsgenehmigung.

"Die Urlaubsliebe unter Palmen war romantisch, im Ehealltag wurde uns schnell klar, wie unterschiedlich wir eigentlich sind", erzählt Sabine. Sie hatte sich im Urlaub auf Kuba unsterblich in Raoul verliebt. Wieder zu Hause in München trat sie zum Kampf gegen die Behörden an und setzte alles in Bewegung, um ihn nach Deutschland zu holen. Bei ihrem dritten Treffen heirateten Raoul und Sabine in Havanna. Doch nachdem der Mann ihrer Träume in ihre 2-Zimmer-Wohnung gezogen war, folgte schnell die Ernüchterung, nach zwei Jahren die Scheidung. Hätten die beiden Zeit gehabt, sich in Ruhe kennen zu lernen, wäre ihnen viel Stress erspart geblieben.

Ein Alltag voller Schwierigkeiten statt ein Himmel voller Geigen

"Wie schnell die Integration des ausländischen Partners in Deutschland gelingt, hängt stark von der familiären Situation, aber auch vom Wohnort ab", weiß Hiltrud Stöcker-Zafari vom "Verband binationaler Familien" aus Erfahrung. In der Stadt finden Ausländer leichter Kontakt zu Landsleuten. Seit sie regelmäßig eine Gruppe südamerikanischer Frauen trift, fühlt sich die Peruanerin Antonia unabhängiger von ihrem deutschen Partner. "Mich richtig aussprechen können in meiner eigenen Sprache, das war ganz, ganz wichtig." In ländlichen Gebieten finden "Exoten" schwer Anschluss und bleiben auf den Partner fixiert.

Belastend für viele binationale Paare ist weiterhin, wenn der ausländische Partner wegen fehlender Sprachkenntnisse oder einer nicht anerkannten Ausbildung keinen Arbeitsplatz findet. Raschid hat in Syrien Jura studiert. In Deutschland wurde das Studium nicht anerkannt, und er war plötzlich vom Verdienst seiner Frau Marianne abhängig. In seiner Heimat undenkbar. "Ich habe mich als Versager gefühlt, mein Selbstwertgefühl war am Boden." Marianne spürte, wie Raschid unter der Abhängigkeit litt. Sie litt unter der Verantwortung, die sie übernehmen musste - für das Familieneinkommen und für das Wohlergehen des Partners. Der Konflikt spitzte sich zu, als Leila geboren wurde. Marianne ging nach 3 Monaten wieder arbeiten, Raschid wurde endgültig zum Hausmann degradiert, eine Rolle mit der er nicht klar kam. Abends ging er immer häufiger aus, während Marianne mit dem Baby zu Hause saß. So hatte sie sich das gemeinsame Leben nicht vorgestellt. Die große Liebe wich der Ernüchterung.

Je fremdartiger das Aussehen des Partners, desto häufiger wird Rassismus im Alltag zum Problem: Es ist schwerer, eine geeignete Wohnung zu finden, die Nachbarn tuscheln. Am schlimmsten aber sind oft die Vorurteile von Familie und Freunden. "Wenn wir Stress hatten, konnte ich mich nicht mal bei meiner Freundin oder bei meiner Schwester ausheulen", bedauert Marianne. Beide waren von Anfang an skeptisch gewesen und hatten verkündet, eine Beziehung zu einem Moslem könne ja nicht gut gehen.

Kindererziehung als Kampf der Kulturen

Zu den normalen partnerschaftlichen Problemen und den Problemen, die sich aus dem Ungleichgewicht in der Anfangszeit ergeben, kommen oft interkulturelle Probleme: Man spricht in mancherlei Hinsicht unterschiedliche Sprachen. Im Rausch der jungen Liebe hat man nicht darüber nachgedacht, welche Stellung der Frau im Heimatland das Partners zukommt. Wie kann man sich wehren, wenn sich der exotische Liebhaber in einen Pascha verwandelt? Besonders das Thema Kindererziehung wird leicht zum Kampf der Kulturen: Kann man einen Jungen, der in Deutschland aufwächst, eigentlich Mustafa nennen? Und wer bestimmt die Religion der Kinder?

Die "Global Players" von morgen

Die Kinder aus binationalen Partnerschaften haben es leichter als ihr ausländisches Elternteil. Sie sprechen fließend die Sprache des Landes, in dem sie leben. Sie erwerben mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit. Aufwachsend zwischen zwei Kulturen erfahren sie die Vielfalt als etwas Selbstverständliches und ziehen sich aus den verschiedenen Sprachen, Religionen und Traditionen das Beste heraus.

Meist ist es die Umwelt, die das Miteinander der Kulturen erst problematisch macht. Gerade Heranwachsende werden häufig mit Vorurteilen von Gleichaltrigen konfrontiert und möchten lieber sein wie alle anderen. "Irgendwie fand ich es immer spannend, dass ich Verwandte in Südamerika hatte, aber so mit 10, 11 habe ich mich plötzlich geschämt, weil mein Vater so komische Indioponchos trug", gibt Isabella zu, deren Vater aus Ecuador stammt. Heute ist sie froh, in zwei Kulturen zu Hause zu sein und fließend Spanisch zu sprechen. Binationale Familien sind interkulturelle Lebensformen im Kleinen. Sie bieten die Chance, auf natürliche Art und Weise interkulturelle Kompetenzen zu entwickeln, die im Zuge der Globalisierung zunehmend gefragt sind. Fachleute setzen auf die jungen "Global Players".

Marianne und Raschid haben sich zusammengerauft, ihre Kinder Leila und Machmout sind inzwischen im Teenageralter. Raschid hat eine Ausbildung in Deutschland nachgeholt, und seit beide Partner gleichermaßen für das Familieneinkommen zuständig sind, geht es der Familie in jeder Hinsicht besser. Probleme gibt es natürlich hin und wieder – wie in jeder anderen Familie auch, aber ob sie aus kulturellen oder individuellen Unterschieden resultieren, das ist oft nicht eindeutig auszumachen. Der Kampf für die Beziehung hat sich auf jeden Fall gelohnt, davon sind beide überzeugt.

FORUM: Liebe ohne Grenzen

Stammt Ihr Partner aus einem anderen Land? Oder Sind Sie vielleicht aus Liebe ins Ausland gegangen? Wie sieht Ihre binationale Partnerschaft aus? Welche Probleme haben Sie zu bewältigen? Und was ist das Besondere an Ihrer Beziehung? Diskutieren Sie mit anderen über Ihre Erfahrungen!
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Kontakt und Literaturtipps

Kontakt:

Verband binationaler Familein Partnerschaften, iaf e.V.
Ludolfusstr. 2-4
60487 Frankfurt/M.
Tel. 069/ 71 37 56-0
www.verband-binationaler.de

EU-Projekt "Fabienne" www.fabienne-iaf.de

Literaturhinweise.

Hallo heisst auch Salaam. Binationale über das Leben in zwei Kulturen. iaf Landesgeschäftsstelle NRW und iaf Bonn 2. Auflage 1999. 5 Euro.

Mehr als dreissig Geschichten aus dem binationalen Leben, erzählt von Erwachsenen und Kindern. Ein gelungener Einblick in den interkulturellen Alltag!

Kommt mit ins Tausendbäumeland! Multikulturelle Kinderbücher.iaf Bonn 2001. 3 Euro.

Bibliographie mit Inhaltsangaben zu rund 200 interkulturellen Kinderbüchern. Bücher, die in ihren Geschichten und Illustrationen die ethnische und kulturelle Vielfalt unserer heutigen Gesellschaft einbeziehen und die interkulturelle und mehrsprachige Erfahrungs- und Lebenswelt von Kindern aufgreifen.

Sabine Kriechhammer-Yagmur/ Doris Pfeiffer-Pandey/ Katrin Saage-Fain/ Hildtrud Stöcker-Zafari, Binationaler. Alltag in Deutschland. Ratgeber für Ausländerrecht, Familienrecht und interkulturelles Zusammenleben. Herausgegeben vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V. 6. durchgesehene Auflage, Verlag Brandes & Apsel, Frankfurt 2001. 12.90 Euro.

Der einzige im deutschsprachigen Raum lieferbare Ratgeber für binationale Paare und Familien.

Die Publikationen des iaf e.V. können bestellt werden unter: www.verband-binationaler.de (Publikationen)

Elke Burkhardt Montanari, Wie Kinder mehrsprachig aufwachsen. Verlag Brandes & Apsel 2000.

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