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Feinmotorik Schleife binden: ab wann? Und vor allem: wie?

Junge bindet eine Schleife
© rollover / iStock
Die meisten Kinderfüße stecken heute in Klettschuhen. Ist ja auch kein Wunder. Ruck zuck sind sie an und ausgezogen, auch schon ohne Mamas Hilfe. Und die Schleife? Braucht man die dann überhaupt noch? Und wie bringt man sie dem Nachwuchs bei? Wir haben eine Vorschullehrerin zum Thema Schleife befragt und uns zeigen lassen, wie man sie ganz schnell lernt.

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Ab wann kann ein Kind eine Schleife binden?

In der Regel kann man davon ausgehen, dass ein Kind mit vier Jahren die feinmotorischen Voraussetzungen hat, eine Schleife zu binden. Doch wie in so vielen Bereichen der kindlichen Entwicklung, gilt das nicht für alle. Das eine Kind krabbelt und spricht früher, das andere eher später. Mit dem Schleifebinden ist es nicht anders. Damit das Kind aber überhaupt die Chance hat, die Schleife zu lernen, so die Hamburger Vorschullehrerin Susanne Holst, muss es die Technik auch angeboten bekommen.
In den meisten Kindergärten sieht man kaum noch Schnürschuhe. Der Klettverschluss ist einfach superpraktisch. Ritsch, ratsch, und schon ist der Schuh an oder aus. Bequem für Kinder, Eltern und Erzieherinnen. Aber der Anreiz, die Schleife zu lernen ist dadurch viel geringer. Das Erfolgserlebnis, sich selbst die Schuhe anziehen zu können, hatten die Kinder schon vorher. Das war in Vor-Klett-Zeiten tatsächlich anders. Die Schleife zu können, versprach ein Stück Selbständigkeit. Und die Erzieherinnen in der Kita hatten natürlich auch wenig Lust, 20 oder mehr Schützlingen bei jedem Gang nach draußen, die Schuhe zu binden.

Schleife binden

Wie viele Kinder können eine Schleife, wenn sie in die Grundschule kommen?

Rund ein Drittel der Vorschulkinder, die zu Susanne Holst in die grundschulinterne Vorschulklasse der Hamburger Schule an der Ernst-Henning-Straße kommen, können noch keine Schleife. Dass der Anteil in den vergangenen Jahren größer geworden sei, kann die ausgebildete Montessori-Pädagogin aber nicht bestätigen. Das liege auch daran, dass die Schleife nicht nur zum Schuhe binden da ist, erinnert Holst. Schließlich brauche man sie auch zum Geschenkeeinpacken, für eine Schleife im Haar oder um der Puppe etwas anzuziehen.

Was ist so schwierig an der Schleife?

Um eine Schleife zu binden, braucht man beide Hände. Und beide Hände zu benutzen bedeutet, dass beide Gehirnhälften im Einsatz sind. Hinzu kommt, dass die Bänder über Kreuz gelegt und jeweils nur drei Finger jeder Hand benutzt werden, eine Herausforderung für die Hand-Auge-Koordination.
Die Schleife lernen zu können, erfordert dabei nicht nur bestimmte neuronale Voraussetzungen, sondern führt beim Lernen wiederum zu neuen Verknüpfungen im sich entwickelnden Gehirn. Holst vergleicht den Vorgang mit dem Erlernen eines Musikinstruments. Auch hier komme es durch den zeitgleichen Einsatz beider Hände zu neuen neuronalen Verknüpfungen unterschiedlicher Zentren im kindlichen Gehirn, die sich sonst nicht gebildet hätten.

Und wie lernt ein Kind nun am besten die Schleife?

Es gibt sicher Kinder, die sich das Schleifebinden einfach bei den Großen abschauen und es dann von selbst ausprobieren. Aber das ist nicht die Regel. Bei Susanne Holst lernen die Vorschulkinder die neue motorische Fertigkeit am Schleifenrahmen. Er gehört zu den Montessori-Materialien aus dem Bereich „Übungen des praktischen Lebens“. An dem rechteckigen Holzrahmen sind rechts und links zwei Stoffstücke befestigt. Diese treffen sich in der Mitte. An den Stoffstücken sind jeweils fünf Bänder angenäht, die in der Mitte zu Schleifen gebunden werden sollen. In unserer Bildergalerie (unten) zeigen wir es euch es Schritt für Schritt.
Der große Vorteil des Schleifenrahmens ist, dass die Kinder mit breiten Bändern üben können, die sich gut fassen lassen, statt mit dünnen Schnürsenkeln. An den verschiedenfarbigen Bändern kann man auch besser sehen, wie sie gelegt und angefasst werden müssen, um einen feste Schleife zu binden.

Wie lange brauchen Kinder, um die Schleife zu lernen?

„Bei mir lernen sie das an einem Tag!“, ist Susanne Holst überzeugt. Hat erstmal ein Kind angefangen, schauen die anderen oft neugierig zu und wollen dann auch an den Schleifenrahmen. Erst kommt der Knoten, dann das erste „Ohr“, dann wird das andere Band um die Schlaufe gelegt und mit dem Zeigefinger durchs erste Ohr geschoben. Ein Handwechsel und das Kind kann die beiden entstandenen Schlaufen festziehen. Das müsse dann schon mit einem Ruck passieren, den sich nicht alle Kind trauen, so Holst, sonst sei die Schleife nicht fest genug. Die Montessori-Pädagogin zieht den Kindern zum Spaß sanft an ihren eigenen Ohren, damit sie spüren, dass auch die Schleifenohren ein bisschen Zug brauchen, um zur perfekten Schleife zu werden.
„Wenn sie das Prinzip erfasst haben, sind sie total stolz und wollen sie es wieder und wieder machen“, so Holst. In ihrer Vorschulklasse hat sie für die Schleifenkönner noch ein besonderes Bonbon. Wenn die Schleife am Schleifenrahmen sitzt, dürfen sich die Kinder am Schnürsenkel eines echten Lederschuhs versuchen. Und wo man gerade bei den Übungen des praktischen Lebens ist, wird dieser vorher noch mit Lederfett, Lappen und Schuhbürste blankgeputzt.
Natürlich wäre es toll, wenn die Kinder dann im Anschluss auch Schnürschuhe hätten, an denen sie täglich üben könnten, findet Holst. „ Aber die Schleife verlernen sie auch so nicht mehr“, ist sich Holst sicher. Die meisten suchten sich selbstständig immer neue Bänder und Schnüre zum Schleife binden. Sei es in der Schule oder zu Hause.

Kann man eine Schleife noch anders binden?

Ja, es gibt noch eine weitere Methode. Dabei werden zunächst zwei Schlaufen gebildet und diese dann miteinander verknotet. Susanne Holst rät von dieser „unechten Schleife“ ab: „Sie hält einfach nicht!“

Wie können Eltern ihren Kindern helfen, die Schleife zu lernen?

Es braucht nicht unbedingt einen Schleifenrahmen, um die Schleife zu lernen. Mit Papas Turnschuh, den ein Erwachsener festhält oder einem breiten Geschenkband, das um ein Schneidebrett aus der Küche gelegt wurde, geht es auch. Das Wichtige ist, es dem Kind einfach mal anzubieten und, so Holst, dem Kind zuzutrauen, dass es das schon kann. Leider, so die Vorschulpädagogin, nehmen Eltern ihren Kindern in diesem Alter noch viel zu viel ab. Weil es schnell gehen muss, ziehen sie ihm die Jacke an und aus und binden ihm die Schuhe.“ Wie soll ein Kind selbständig werden, wenn man ihm bis zur 4. Klasse den Ranzen trägt?“, fragt sie kopfschüttelnd.
Machen lassen ist also die Devise! Nicht nur beim Schleifebinden. Auch Knöpfe und Reißverschlüsse können schon früh ein Kinderspiel sein, wenn man die Kleinen damit spielen lässt.

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