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Paracetamol in der Schwangerschaft Kann dieses Schmerzmittel meinem ungeborenen Baby schaden?

Frau mit gelbem Pullover, in einer Hand Tabletten
© LaylaBird / iStock
Führende Spezialisten nennen Paracetamol als das Schmerzmittel der Wahl in der Schwangerschaft. Manche Ärzte aber haben Zweifel. Wir haben den Stand der Forschung für euch zusammengefasst.

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Eine Schachtel Paracetamol findet sich vermutlich in jedem zweiten deutschen Medizinschränkchen. Ihr habt es sicher schon mal als Mittel gegen Fieber verschrieben bekommen oder die eine oder andere Tablette geschluckt, wenn ihr in der Nacht zuvor zu lang gefeiert hattet. Das ist in Ordnung, wenn es nur um euren erwachsenen Körper geht. Welche Wirkung und welches Risiko das Medikament während der Schwangerschaft für das Baby in eurem Bauch haben kann, ist noch nicht zweifelsfrei erforscht. Aber der Reihe nach:

Was ist Paracetamol?

Paracetamol ist ein Schmerz- und Fiebermittel, das auch bei Schwangeren sehr beliebt ist. Es wirkt außerdem entzündungshemmend. Der Wirkstoff wird zur Behandlung von mittleren Schmerzen und Fieber eingesetzt und zum Beispiel auch unter den Produktnamen ben-u-ron® und Perfalgan® vertrieben. Paracetamol gehört in Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern zu den am meisten verkauften Arzneimitteln.

Paracetamol in der Schwangerschaft: Harmlos oder gefährlich?

Auf diese Frage gibt es leider keine eindeutige Antwort. Während einige Studien in jüngster Zeit zu Ergebnissen kamen, auf deren Grundlage schwangeren Frauen von einer Einnahme eher abgeraten wurde, weisen andere Experten die Ergebnisse der Studien als nicht überzeugend zurück. Embryotox, das Beratungsportal für Arzneimittel in der Schwangerschaft, bewertet Paracetamol weiterhin als Mittel der Wahl in der gesamten Schwangerschaft.

Da Paracetamol die Plazentaschranke überwinden kann, wurde schon früh erforscht, ob die Einnahme des Schmerzmittels in der Schwangerschaft möglicherweise zu einem erhöhten Risiko für Fehlbildungen beim Embryo führen kann. Der Verdacht, dass es einen Zusammenhang zum Vorkommen von Hodenhochstand oder der Fehlbildung der Bauchwand (Gastroschisis) geben könne, habe sich nach Einschätzung des Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie mit Sitz an der Berliner Charité nicht bestätigt. Die Studien beruhen nach Meinung der unabhängigen Forscher auf zu geringen Fallzahlen oder mangelhafter Methodik.

Während körperliche Fehlbildungen aufgrund der Paracetamol-Medikation demnach extrem unwahrscheinlich sind, erforschten Wissenschaftler in den vergangenen Jahren vermehrt mögliche Auswirkungen auf die kognitiven Leistungen von Kindern, deren Mütter Paracetamol während der Schwangerschaft eingenommen hatten.

Führt Paracetamol zu Verhaltensstörungen?

Eine britische Studie mit 14.000 Schwangeren kam 2019 zu dem Ergebnis, dass es einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Paracetamol und einem späteren Aufmerksamkeitsdefizit sowie einer Hyperaktivität der betreffenden Kinder gibt. Hinweise gab es schon im Säuglingsalter, so die Forscher aus Bristol. Die Babys waren weniger flexibel. Als Zweijährige zeigten die betroffenen Kinder ein vergleichbar geringeres Durchhaltevermögen und fielen als Vierjährige aufgrund ihrer Hyperaktivität auf. Ein IQ-Test mit den Achtjährigen kam dann zu dem Ergebnis, dass sie zwar normal intelligent, aber leicht ablenkbar waren.

Die Forscher wiesen – wie auch Kritiker der Studie – darauf hin, dass letztlich aber nicht erwiesen ist, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen den Verhaltensauffälligkeiten und der Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft gibt. Und das erklärt sich so: Die Frauen hatten ja einen Grund, warum sie das Mittel einnahmen. Auch dieser könne letztlich die Ursache für die späteren Verhaltensstörungen ihrer Kinder sein. Zum Beispiel extremer Stress aufgrund von chronischen Schmerzen. Außerdem wiesen Kritiker darauf hin, dass ADHS, Autismus und andere Verhaltensstörungen häufig keine einzelne Ursache haben.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen britische Forscher in einer weiteren aktuellen Studie. Sie untersuchten den Zusammenhang zwischen der Einnahme unterschiedlicher Schmerzmittel in der Schwangerschaft und einer späteren asthmatischen Erkrankung der Kinder. Auch sie vermuteten, dass nicht das Mittel selbst der Auslöser der Erkrankung war, sondern der Grund der Schwangeren, es eingenommen zu haben. Das könnten zum Beispiel chronische Schmerzen sein, die bei den Frauen erheblichen Stress verursacht hatten. Da es als nachgewiesen gilt, dass Stress während der Schwangerschaft mit einem erhöhten Asthmarisiko für die Kinder einhergeht, könnte hier die Erklärung liegen. Nicht die Arznei selbst wäre dann die Ursache für das kindliche Asthma, sondern der Anlass ihrer Anwendung.

In der neuesten Studie zu Paracetamol in der Schwangerschaft hat ein Forschungsteam der Pennsylvania State University die Daten von insgesamt 2.422 Mutter-Kind-Paaren untersucht, indem sie die Paracetamol-Einnahme der werdenden Mütter abfragten. 41,7 Prozent der Mütter gaben an, das Schmerzmittel während der Schwangerschaft eingenommen zu haben. Anschließend wurde das Verhalten der Kinder im Alter von drei Jahren anhand eines Elternfragebogens bewertet. Gefragt wurde beispielsweise nach Aufmerksamkeitsproblemen, aggressivem Verhalten und Schlafproblemen beim Kind.
Die Forschungsgruppe stellte dabei fest, dass es einen Zusammenhang gab zwischen der Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft und etwas häufigeren Schlaf- und Aufmerksamkeitsproblemen. Die Forscher:innen weisen aber selbst darauf hin, dass dieses Ergebnis nur begrenzt aussagefähig ist. Die ganze Studie beruht nur auf einem einmaligen Telefonat mit den Frauen in der 35. Schwangerschaftswoche und einem späteren Fragebogen, und es ist nichts darüber bekannt, wie oft die Frauen Paracetamol eingenommen haben, wie hoch es dosiert war und in welcher Phase der Schwangerschaft. Ebenso beruhten die Angaben über die Störungen bei den Kindern nur auf der spontanen Einschätzung der Mütter. Deshalb wird auch diese Studie von der Fachwelt eher skeptisch beurteilt.

Also ein Freispruch für Paracetamol? Nicht ganz. Letztlich ist ein Zusammenhang durch die vorliegenden Studien weder eindeutig bewiesen noch ausgeschlossen. Die aktuelle Forschungslage bewog die Arzneimittelforscher der Charité dennoch dazu, weiterhin grünes Licht für die Anwendung von Paracetamol in der Schwangerschaft zu geben. Auf der Internetseite des Berliner Zentrums für Embyronaltoxikologie könnt ihr die Begründung ausführlich nachlesen.

Was nun? Müssen Schwangere auf Schmerzmittel verzichten?

Sollten – wie einige Forscher vermuten – chronische Schmerzen und daraus resultierender Stress – eine der Ursachen für spätere Verhaltensauffälligkeiten oder die Entwicklung von Atemwegsproblemen sein und nicht in erster Linie die Einnahme des Mittels selbst, würde ein Verzicht nichts am bestehenden Problem lösen. Die Schwangere würden weiter unter ihren Symptomen leiden. Wenn Schwangere starke Schmerzen haben, ist eine Verordnung also im Einzelfall sinnvoll. Allerdings sollte die Wahl des Mittels und die Dosierung immer in enger Absprache mit eurem behandelnden Arzt erfolgen. Ein optimales Schmerzmanagement ist das Stichwort.
 
Denn Schmerzzustände lassen sich nicht nur mit Arzneimitteln behandeln. Ärzte in Schmerzambulanzen, wie zum Beispiel die Schmerzklinik Kiel, weisen im Netz eindringlich darauf hin, dass sie gegen eine Paracetamol-Medikation in der Schwangerschaft sind. Zum einen sei die Anwendung von Paracetamol nur für leichte bis mittlere Schmerzen gedacht, was häufig dazu führe, dass die Dosis oder die Dauer der Einnahme häufig von der Patientin erhöht werde, weil sie keine Besserung verspüre. Und zum anderen verstelle der zu leichte Zugang zu vielen Medikamenten den Blick auf eine große Bandbreite von Alternativen.
 
Bei Migräne könnten in der Schwangerschaft schon etwa eine Reihe von vorbeugenden Maßnahmen helfen und den Einsatz von Schmerzmitteln unnötig machen. Dazu gehören das Wissen über die Auslösefaktoren, eine Rhythmisierung des Tagesablaufs, verschieden Entspannungsmethoden sowie eine Ernährungsumstellung und die Einnahme von Magnesium. Während eines Anfalls helfen Ruhe und eine Abschirmung von Reizen.

Andere Schmerzmittel als Alternativen?

Paracetamol ist als Schmerzmittel in der Schwangerschaft besonders verbreitet. Aber es gibt auch Medikamente mit alternativen Wirkstoffen. Embryotox, das Beratungsportal zum Thema Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit, nennt zum Beispiel auch Ibuprofen als Mittel der Wahl. Allerdings weisen die Experten darauf hin, dass es nur im ersten und zweiten Trimester eingenommen werden sollte. Im dritten Trimenon könne es in seltenen Fällen durch die Einnahme beim Embryo zu einem vorzeitigen Verschluss eines Gefäßes in Herznähe kommen. Auch Nierenschäden können durch den Wirkstoff verursacht werden. Auch wenn Ibuprofen mehrere Tage oder gar dauerhaft eingenommen werde, rät Embryotox dringend zu einer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt. Das gelte im Übrigen für alle Schmerzmittel, die – wie Ibuprofen – zur Gruppe der nichtsteroidalen Antiphlogistika (Antirheumatika) gehören.
 
Das Schmerzmittel Aspirin wird nur als Mittel zweiter Wahl eingestuft, da seine Einnahme ebenfalls zu einer Verengung oder zu einem verfrühten Verschluss des Ductus arteriosus (DA) Botalli führen könne, so Embryotox. Außerdem habe die Gabe von Acetylsalicylsäure bei Frühgeborenen zu Hirnblutungen geführt. Bei der Mutter könne Aspirin die Kontraktionen der Gebärmutter verringern, was zu einer Verlangsamung der Geburt führen kann. In Ausnahmefällen wird Acetylsalicylsäure zur Vorbeugung wiederholter Fehlgeburten oder einer Präeklampsie eingesetzt. Dabei handelt es sich aber um eine sogenannte Low-dose-Behandlung (geringe Dosierung), die als ungefährlich eingeschätzt wird.

Fazit: Paracetamol in der Schwangerschaft?

Schmerzen sind in der Schwangerschaft eine natürliche Nebenwirkung. Je mehr Gewicht du zulegst, desto stärker werden Knochen, Bänder und Muskeln belastet. Die Durchblutung wird schlechter und du schläfst nicht mehr gut. Mit einem Teil der Schmerzen in Kopf, Rücken und Unterleib kannst du gut umgehen. Sie kommen und gehen, auch ohne die Einnahme von Arzneimitteln. Werden sie zum ständigen Begleiter und verursachen Dauerstress, kann aber eine Schmerztherapie sinnvoll sein, um dich zu entlasten und dein Ungeborenes zu schützen. Ob dafür Paracetamol oder ein anderes Medikament eingesetzt wird oder dein Arzt dir zunächst zu einer nicht medikamentösen Therapie rät, ist allein von deinem Einzelfall abhängig.
 
Ibuprofen, Paracetamol und Aspirin befinden sich in jeder Familienapotheke. In der Schwangerschaft solltest du sie aber nicht ohne die Rücksprache mit deinem Arzt nehmen. Besonders eine längere Einnahme über mehrere Tage oder gar Wochen ist nicht ratsam. Das gilt im Übrigen nicht nur für Schmerzmittel. Auch jedes andere Medikament wirkt in der Schwangerschaft in der einen oder anderen Weise auf deinen kleinen Mitbewohner. Ob es ihn in Gefahr bringen könnte, kann dir dein Arzt sagen.

Lese-Tipp: Hast du schon mal vom Alles-oder-nichts-Prinzip gehört? Das sorgt in den ersten beiden Wochen der Schwangerschaft dafür, dass sich nur gesunde Embryos in der Gebärmutter einnisten. 

Quellen:

ELTERN

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