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Corona-Krise Schul-Schließungen: Wie organisiert ihr den Unterricht zuhause?

Eine Mutter unterrichtet ihre Tochter zuhause
© damircudic / iStock
Familien werden derzeit auf eine harte Probe gestellt. Deutschlandweit gab es monatelange Schulschließungen, die Eltern agierten auf einmal als Lehrkräfte in den eigenen vier Wänden. Nun sind die Sommerferien vorbei, die Schulen öffnen wieder – und die Zahlen neuer Corona-Infizierter steigen. Viele Eltern hoffen inständig, dass es an der Schule ihres Kindes zu keiner Corona-Infektion kommt. Denn dann stünden sie plötzlich wieder alleine da – und müssten erneut Arbeit und Home Schooling irgendwie hinbekommen. Doch nicht die Hoffnung aufgeben! Wir haben mit fünf Familien darüber gesprochen, wie sie mit dieser schwierigen Situation umgegangen sind und was ihnen in dieser ungewöhnlichen Zeit besonders wichtig ist. Geschichten, die Tipps liefern und Mut machen (Stand August 2020).

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Familie 1: Miriam ist 36 und Psychologin, ihr Mann Georg ist 40 und selbstständiger Versicherungsmakler (Namen geändert). Die beiden haben drei schulpflichtige Kinder (11, 9 und 6 Jahre alt), die in unterschiedliche Klassen gehen – eine alltägliche Koordinationsaufgabe, auch ohne Schulschließungen. „Wir betreuen unsere Kinder nun gemeinsam ganztägig zu Hause. Dabei wechseln wir uns ab und gehen morgens kurz die Termine und Aufteilung des Tages durch“, so Miriam.
 
Und dabei sind die beiden richtig kreativ geworden: Damit eine Routine stattfinden kann, verlassen die drei Kinder beispielsweise morgens wie gewohnt das Haus, laufen einmal durch den Garten – und kommen dann zur Vordertür wieder rein, die normalerweise als Eingangstür zu den Büroräumen der Eltern dient. Auch sonst beziehen Miriam und Georg klassische Schulelemente in ihre derzeitige Morgenroutine mit ein: Eine Handy-App lässt den Schulgong ertönen, es gibt Pausen mit belegten Brötchen und mittags ist Schluss mit den Lehrplänen: „Diese lustig anmutenden Rituale und die räumliche Trennung von den Kinderzimmern haben wir bewusst gewählt, um einerseits die Ernsthaftigkeit der ‚Schule zu Hause‘ zu unterstreichen, den Kindern andererseits aber auch einen verdienten ‚Feierabend‘ zu gewähren.“

Echte Wertschätzung mit einer Prise Mitleid

Ein Vater unterrichtet seinen Sohn
© shapecharge / iStock

Von den Lehrern ihrer Kinder fühlen sich Miriam und Georg bisher gut abgeholt. Lerninhalte würden schnell online gestellt, Lehrer stünden bei Fragen telefonisch zur Verfügung, das Gymnasium hätte eine interaktive Plattform zum Austausch eingerichtet und nebenbei liefen die Chats in den sozialen Netzwerken der Eltern heiß: „Diese vielfältige technische Kommunikation kostet natürlich auch viel Zeit und Nerven, doch so langsam wachsen wir in die neue Situation hinein.“
 
Die Lehrpläne von drei unterschiedlich alten Schulkindern im Blick zu haben, deren Pensum gewissenhaft aufzuarbeiten, dabei geduldig zu bleiben und keine Abgabetermine zu verpassen – das ist auch bei allen Bemühungen der Eltern eine große Herausforderung, die einen an seine Grenzen bringen kann. Miriam und Georgs Fazit: „Haben wir die Lehrer früher schon nicht um ihre Jobs beneidet, tendieren wir nun zu Gefühlen wie Ehrfurcht und echter Wertschätzung, gewürzt mit einer kleinen Prise Mitleid.“

Auf dem Land fürs Leben lernen

Johannas Sohn kann sich auf dem Land frei entfalten.
© privat

Familie 2: Johanna ist 29, Gestalterin für visuelles Marketing und alleinerziehende Mama eines Erstklässlers. Dass sie vor kurzem ihren Job verloren hat, sieht sie gerade als eine glückliche Fügung: „Ich weiß nicht, wie ich meinen Sohn unterrichtet hätte, wenn ich jetzt auch noch arbeiten müsste.“ Da lange nicht klar war, ob es eine Ausgangssperre geben würde, beschloss Johanna vorübergehend mit ihrem Sohn auf den Hof ihrer Mutter zu ziehen: „Uns geht es echt gut hier. Wir sind in der Natur, mein Sohn kann toben. Als wir sicher wussten, dass die Schulen geschlossen werden, habe ich mich auch erst total motiviert gefühlt. Das ist geschenkte Zeit mit meinem Kind. Ich wollte ganz tolle Projekte aufziehen, ganz viel gemeinsam Fahrrad fahren, einen Kräutergarten anlegen.“
 
Ganz so einfach gestaltet es sich dann aber doch nicht immer. Die eigenen Freiräume müssen geklärt werden, es gibt keine anderen Kinder zum Spielen und der Papa wohnt in einer anderen Stadt. Daher ist er gerade nur über Videochat erreichbar: „Wir hatten kurzfristig überlegt, ob er mit auf den Hof zieht, uns dann aber dagegen entschieden. Wir sind zwar noch befreundet, aber auf so engem Raum würden wir uns wahrscheinlich schon auf die Nerven gehen.“

„Wir dürfen auch mal weinen“

Ein Junge hat zwischen den Bäumen eine Unterkunft aus Holzstöcken gebaut.
© privat

Besonders viel Lernmaterial hat Johanna von der Schule allerdings nicht zur Verfügung gestellt bekommen. „Ich habe mir gerade noch rechtzeitig von der Klassenlehrerin Material mitgenommen.“ Eine von der Schule empfohlene, kostenpflichtige Mathe-App hat sie dann aber beispielsweise nicht heruntergeladen. Johannas Fokus liegt klar auf dem Lernen in der Natur und auf der Interaktion miteinander. „Klar machen wir auch Übungen, aber wir haben zum Beispiel einen Basketballkorb selbst gebastelt und eine Ritterburg aus Pappkarton.“
 
Abends ist dann trotzdem mal die Luft raus und Johanna braucht Zeit für sich. „Wir dürfen auch mal weinen“, sagt sie. Aber trotz aller Herausforderungen sieht sie in der Krise auch eine große Chance: „Ich wünsche mir, dass diese Ellbogen- und Konsumgesellschaft nochmal überdacht wird. Vielleicht kommt aus all dem Zurück am Ende ein gemeinsames nach vorn.“

Als ausgebildete Lehrerin das eigene Kind unterrichten

Märry Raufuss
© Frau Raufuss

Familie 3: Märry Raufuss ist 29 Jahre alt, hat Lehramt studiert und arbeitet als freie Journalistin. Ihr Mann ist beruflich viel unterwegs und meistens nur am Wochenende zuhause. Normalerweise sind sie darauf eingestellt. Aber in der aktuellen Situation bedeutet dies eine Doppelbelastung für Märry – denn sie hat zwei Kinder mit unterschiedlichen Bedürfnissen zuhause: eine sieben Jahre alte Tochter und einen 15 Monate alten Sohn. Und für ihre Tochter, die in die dritte Klasse geht, ist sie nun nicht nur Vollzeitbetreuung, sie ist gleichzeitig für ihre schulische Entwicklung verantwortlich.
 
Märry sieht dies pragmatisch: „Ich habe von der Schule Seitenzahlen genannt bekommen, was bis wann erledigt sein soll. Darauf basierend habe ich einen Wochenplan aufgestellt. Und da wird stumpf ausgerechnet, was gemacht werden muss. Dann wird abgehakt.“ Auch beim Thema Medien hat sie neu überlegt: „Meine Tochter hat jetzt ihre eigene E-Mail-Adresse bekommen. Und Die Sendung mit der Maus darf sie derzeit täglich gucken. Gleichzeitig backen wir jeden Tag. Es sind einfach besondere Zeiten und wir versuchen, damit umzugehen.“
 
Auch wenn Märry selbst Lehramt studiert hat, bedeutet das nicht, dass sie jetzt zuhause die perfekte Lehrerin für ihre Tochter sei. „Es ist, glaube ich, manchmal wirklich einfacher, bei den Kindern anderer Eltern geduldig zu bleiben. Aber es hilft ja nichts. Wir müssen jetzt alle das Beste aus der Situation machen und vor allem, wenn möglich, entspannt bleiben.“

„Ich habe Glück, dass meine Kinder so toll mitmachen“

Milla arbeitet an ihrem Laptop für die Schule
© privat

Familie 4: Nadine ist 43, arbeitet selbstständig im Consulting Bereich und wohnt mit ihren beiden Schulkindern Robin (18) und Milla (11) in einer 60m² großen Stadtwohnung. Das Verhältnis zu den Papas ist gut: „Wir sind eine super Patchwork-Familie. Zwischen den Kindern und ihren Vätern besteht auch jetzt täglich Kontakt, wenn auch digital. Die Entscheidung, dass die Kinder in der aktuellen Situation erstmal bei mir bleiben, haben sie beide sofort unterstützt.“
 
Als Selbstständige arbeitet Nadine auch sonst im Homeoffice und hat nur ab und zu Außentermine. Zumindest in der Hinsicht hat sich für sie nichts geändert. Aber mit beiden Kindern auf einmal zuhause, musste auch sie den Tagesablauf ihrer Familie ganz neu überdenken: „Die erste Woche war hart. Ich musste erst für mich im Kopf einen Plan machen, wie ich hier mit meinen Kindern umgehen möchte.“
 
Inzwischen hat sich ein Rhythmus eingestellt, die Verantwortlichkeiten sind aufgeteilt: „Robins Papa ist sehr mit seinem schulischen Pensum involviert. Mein Sohn geht in die zwölfte Klasse einer Schule für Medien und Kommunikation und musste gerade eine Facharbeit schreiben. Da war sein Vater sein Hauptansprechpartner, hat ihn unterstützt. Ich kümmere mich gerade hauptsächlich um Millas Schule. Sie geht in die fünfte Klasse eines Gymnasiums und kriegt täglich Aufgaben.“
 
Der Tagesablauf ist abgesprochen. Bis 8 Uhr muss Milla aufgestanden sein und sich für den Tag fertigmachen. Nach einem gemeinsamen Frühstück geht sie in ihr Zimmer und holt sich ihren täglichen Stundenplan vom Learning Portal ihrer Schule: „Sie macht immer ein Fach und dann macht sie eine Pause. Wenn sie Fragen hat, kommt sie zu mir. Manchmal möchte sie einen Snack haben. Insgesamt läuft das wirklich gut bisher.“
 
Bei Robin ist alles weniger streng. Bin halb 10 soll er aufgestanden sein, seine Aufgaben organisiert er selbstständig. „Ich lese höchstens mal was Korrektur. Bei Mathefragen muss er sich sowieso an seinen Papa wenden. Ich habe aber auch einfach Glück, dass meine Kinder so toll mitmachen.“, so Nadine.

„Der Fokus muss auf dem Kind liegen“

Die beiden Töchter von Sandra lernen im Garten
© privat

Familie 5: Sandra Schindler ist 38, Kinderbuchautorin und verheiratet. Ihre beiden Töchter sind sechs und acht Jahre alt und gehen in die 2. und 3. Klasse einer Waldorfschule.
 
„Ich kann meine Arbeit gerade eigentlich nicht machen“, sagt sie. Kreativ arbeiten und gleichzeitig die Rolle derLehrerin spielen, funktioniere einfach nicht. „Zum Glück ist die Deadline für mein aktuelles Buch nicht so fest, als dass sie nicht nach hinten verschoben werden könnte.“
 
Aktuell bekommt Sandras ältere Tochter jeden Morgen eine lange Liste mit Aufgaben von ihrer Lehrerin zugesandt – von Flöte spielen bis Matheaufgaben. Ihre jüngere Tochter hat es da noch etwas leichter. Bei ihr steht ein lockeres Textdiktat an, aber auch eigenständige Aufgaben, zum Beispiel aus dem Rechenheft.
 
Entgegen mancher Vorurteile gegenüber den Lernkonzepten von Waldorfschulen – der Lehrplan ist hier insgesamt ganz schön vollgepackt, und Sandra so gefordert: „Sonst sind die Hausaufgaben bisher eher so ein Selbstläufer gewesen. Jetzt heißt es hier Flöte spielen, Rätsel lösen, Epochen durcharbeiten. Da bin ich als Mama komplett gefragt.“ Epochen sind von der Schule gesetzte Schwerpunkte. So steht gerade Mathematik im Fokus, in einigen Wochen ändert sich der Schwerpunkt dann wieder.
 
Sandra versucht, den Unterricht so gut wie möglich vormittags stattfinden zu lassen, damit ihre Töchter am Nachmittag auch ihre Freiräume haben. Aber ganz starr hält sie es mit den Regeln nicht. „Einen festen Plan, wer wann was genau macht, den gibt es nicht.“
 
Was Sandra aber besonders wichtig ist: „Der Fokus muss auf dem Kind liegen! Wenn man sich ablenken lässt, dann schweifen auch die Kinder sofort gedanklich ab.“ So möchte sie jegliche mediale Ablenkung von ihren Töchtern fernhalten. Deshalb gibt es bei ihr tagsüber kein Fernsehen, elektronische Geräte werden erst abends an die Kinder zurückgegeben. Sandra hat damit positive Erfahrungen gemacht: „Durch die so geschaffenen Freiräume entwickelt sich Kreativität und eigene Spiele werden erfunden.“

Dieser Artikel ist am 31. März 2020 erschienen und wurde im August 2020 aktualisiert.

Thumbnail Gemeinsam gegen Corona
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© Gruner + Jahr

Dieser Beitrag ist Teil der Initiative GEMEINSAM GEGEN CORONA der Bertelsmann Content Alliance, zu der auch der Verlag Gruner + Jahr gehört, in dem ELTERN erscheint. Gemeinsam setzen wir ein Zeichen im Kampf gegen die Ausbreitung des Corona-Virus.

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