Insgesamt 1.015 Lehrer:innen nahmen an der Folgeumfrage teil, die Forsa im Auftrag der Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit der ZEIT im Dezember 2020 durchgeführt hat. Die Ergebnisse der aktuellen Befragung zusammen mit der Umfrage vom ersten Lockdown Anfang April 2020 ergeben ein umfassendes Bild der Situation der Schulen in der Corona-Krise.
Lernplattformen verstärkt genutzt, digitale Ausstattung bleibt mangelhaft
Eine erste positive Entwicklung, die sich hier zeigt: Der ad hoc Fernunterricht vom vergangenen Frühjahr hat etwas bewirkt. Immer mehr Lehrpersonal hat sich umgestellt. 73 Prozent der befragten Lehrer:innen arbeiten nun verstärkt mit Lernplattformen und digitalen Tools. Das sind ganze 28 Prozent mehr als noch im April.
Versprochene Maßnahmen zur digitalen Ausstattung von Schüler:innen aus schwierigen Verhältnissen blieben aber aus. Opfer des Bürokratie-Wirrwarrs der Pandemie. Dies zeigt sich jetzt auch in den Zahlen: Satten 80 Prozent der Schüler:innen fehlt die entsprechende technische Ausstattung, um an einem erfolgversprechenden Fernunterricht teilnehmen zu können. Lehrpersonal und Schulen mangelt es ebenfalls an technischen Mitteln. Dies gaben noch jeweils 58 Prozent der Befragten an.
Wenig überraschend, dass dann auch die Landesregierungen schlechte Noten für ihre Schulpolitik in der Corona-Krise erhielten. Im Schnitt bekamen sie eine 4,2. Am schlechtesten schnitt Nordrhein-Westfalen ab – mit einer Note von 4,6. Mangelhaft.
„In einem Dreivierteljahr ist es nicht gelungen, die Schulen coronafest zu machen“, so Marlis Tepe, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und weiter: „Besonders deutlich wird dies beim Thema Digitalisierung. Interessant ist, dass die Lehrkräfte trotz mangelhafter Unterstützung durch Politik und Bildungsadministration feststellen, dass die Schulen die Weiterentwicklung in diesem Bereich deutlich vorangetrieben haben. Mit anderen Worten: Das Engagement der Lehrkräfte vor Ort hat den entscheidenden Beitrag geleistet, wenn Schulen mit ihren digitalen Angeboten heute besser aufgestellt sind als vor einem knappen Dreivierteljahr.“
Es hakt mit dem Internet
Um Fernunterricht erfolgreich durchführen zu können, ist eine stabile Internetverbindung unumgänglich. Genau hier hakt es aber. Viele der Lernplattformen konnten dem Ansturm von Schüler:innen nach den Weihnachtsferien beispielsweise nicht standhalten und brachen zusammen. Dies kann dann auch kein Engagement der Lehrer:innen vor Ort auffangen.
Aber nicht alle Schulen sind gleich betroffen. Laut Umfrageergebnis reicht die Internetverbindung bei immerhin 60 Prozent der Lehrkräfte an Gymnasien aus, um Unterricht via Livestream abzuhalten, bei den Förderschulen sind es nur noch 40 Prozent, bei den Grundschulen lediglich 34.
Von der Politik alleingelassen im neuen Arbeitsalltag
Die vielen Veränderungen in ihrem Arbeitsbereich, die unsichere Infektionslage, die mangelnde technische Ausstattung sowie der Druck von außen machen zahlreichen Lehrer:innen zunehmend zu schaffen. Keine leichte Ausgangssituation. Die Umfrage zeigt außerdem, dass die Sorge, sich mit Corona anzustecken, unter Lehrkräften viel höher ist als beim Rest der Bevölkerung.
„Das lange Festhalten der Politik am vollständigen Präsenzunterricht trotz massiv steigender Inzidenzzahlen und unzureichende Gesundheitsschutzmaßnahmen an Schulen sind mit Sicherheit dafür verantwortlich, dass bei Lehrkräften die Angst vor einer Infektion fast doppelt so hoch ist wie in der Gesamtbevölkerung! Die Politik ist gefordert, mehr dafür zu tun, Schulen zu sicheren Orten zu machen!“, so Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands.
Lernrückstände zeichnen sich ab
Für viele Eltern bestätigen die Umfrageergebnisse aber vor allem eine ihrer größten Sorgen – viele Schüler:innen kommen einfach nicht mehr mit. Vor allem an den Förderschulen seien bereits jetzt messbare Lernrückstände bei mehr als der Hälfte der Schüler:innen (54 Prozent) zu erkennen. „Vor allem benachteiligte Schülerinnen und Schüler brauchen jetzt Unterstützung", sagt Dr. Dagmar Wolf, Leiterin des Bereichs Bildung der Robert Bosch Stiftung. Aber nicht nur Förderschüler:innen sind betroffen. An den Gesamtschulen bleiben laut Umfrage 47 Prozent der Schülerschaft hinter ihren Voraussetzungen zurück, an Grundschulen und Gymnasien jeweils 32 Prozent. Überfällig sei neben dem individuellen Engagement der Lehrkräfte aber auch eine systematische Schul- und Unterrichtsentwicklung, so Wolf.
Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), zeigt sich von den Ergebnissen besorgt: „Das Schulbarometer zeigt, dass die Bildungsgerechtigkeit mehr denn je leidet. Durch die pandemiebedingten Maßnahmen seit März 2020 stellen die Lehrkräfte messbare Lernrückstände fest. Zwei von fünf Lehrkräften sagen, dass fast alle oder zumindest mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler Lernrückstände haben. Fast ein Drittel der Lehrkräfte sagt, dass dies bei weniger als der Hälfte der Fall ist. Gerade im Vergleich mit den Gleichaltrigen ist es fatal, wenn es bei einigen Schülerinnen und Schülern nicht gelingt, sie auf ein ähnliches Niveau zu bringen.“ Und weiter: „Es ist leicht zu erraten, welche Schülerinnen und Schüler gut mit dem Stoff zurechtkommen: diejenigen, deren Eltern sich intensiv kümmern können, gegebenenfalls selbst eine pädagogische Ausbildung haben und die sich eine gute technische Ausstattung sowie Nachhilfe für ihr Kind leisten können.“
Hier findet ihr alle Ergebnisse der Umfrage.
