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Hyperaktive Kinder: Diagnose und Behandlung

Kinder, die nicht bei einer Sache bleiben können, ständig herumrennen und andere gerne unterbrechen, nennt man auch hyperaktiv. Ihnen wird oftmals ADHS diagnostiziert. Doch was verbirgt sich hinter der Abkürzung und welche Behandlungsmethoden gibt es?

Was bedeutet ADS?

Hyperaktive Kinder: Diagnose und Behandlung
© Kobold-knopf81 - Fotolia.com

Hinter der Abkürzung ADS verbirgt sich das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom. Schon in dem Wort steckt die Bedeutung: Die Kinder haben Probleme, aufmerksam zu sein. Da sie bei keiner Sache bleiben können, ständig herumrennen und andere gerne unterbrechen, nennt man sie auch hyperaktiv. Schon als Babys sind die ADS-Kinder besonders aufgeweckt und wollen viel Zuwendung. Spätestens bei Kindergarten- oder Schuleintritt fragen sich viele Eltern dann ernsthaft, was eigentlich mit ihrem Kind nicht stimmt. Denn es scheint nicht integrierbar zu sein.
So erging es auch Inge Hagen,36, mit ihrer heute neunjährigen Tochter: Die Beschwerden aus dem Kindergarten häuften sich: Ihre Tochter mache nirgendwo mit, renne ständig herum und sie solle sich überlegen, ihr Kind in einen Sonderkindergarten zu geben. Da dachte sie nur: "Bin ich unfähig, Kinder zu erziehen?" Das Verhalten ihrer Tochter blieb der berufstätigen Mutter ein Rätsel, weder mit besonderer Zuneigung noch mit Strenge konnte sie auf ihr Kind einwirken. Erst als sie eine Therapeutin der Frühförderstelle, wo ihre Tochter Sprachtherapie bekam, auf ADS hinwies, bekam sie die ersten Ahnungen und handelte: "Nach ausführlichen Tests und Untersuchungen war klar: meine Tochter hat ADS", so die Mutter. Auch hier stellte sich Erleichterung ein: "Endlich wussten wir, was mit unserer Tochter los ist und konnten ihr helfen." Was sich genau hinter ADS verbirgt, ist vielen nicht bekannt: Der Zappelphilipp gilt oft als ungezogen, frech, faul oder quengelig. Eltern wird vorgeworfen, nicht streng genug zu sein. Entlastend ist es dann, wenn die Diagnose gestellt wird: Denn ADS hat primär nichts mit Erziehung zu tun. Auch nicht mit einem schlechten Charakter.
Es ist heute gesichert, dass ADS durch eine Art Fehlschaltung im Gehirn verursacht wird: Die betroffenen Personen können nicht aufhören, Botschaften und Reize zu empfangen, was sie daran hindert, sich auf eine Sache zu konzentrieren.

Da in den letzten fünf Jahren die Zahl der hyperaktiven Kinder zunahm - sie liegt bei etwa 5% in Deutschland - fragte man sich, ob ADS als Diagnose "in Mode" sei. "Dabei wird vergessen, dass erst in letzter Zeit ADS als Problem erkannt wird", so Professor Gerd Lehmkuhl von der Universität Köln in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.
Doch immer wieder kommt es zu Aussagen, dass ADS als Diagnose die Folgen von Nichterziehung und übermäßigen Medienkonsum vertuschen möchte. Den Eltern von ADS-Kindern wird damit unrecht getan. Das kann Ruth Dittmar nur bestätigen: Die permanenten Auseinandersetzungen mit Nachbarschaft und Schule machten sie wütend. Auch die Lehrerin kapitulierte in kürzester Zeit und Thomas verweigerte den Unterricht. Sogar der Übertritt in eine Sonderschule wurde diskutiert: "Es war höchste Zeit zu handeln", sagt die Mutter heute. Von da an begann das Gerenne von Arzt zu Arzt - bis endlich die richtige Diagnose gestellt wurde.

Der mühsame Weg von Arzt zu Arzt, von Psychologe zu Beratungsstelle ist typisch: Obwohl die Diagnosekriterien eindeutig sind und Spezialisten durchaus zwischen einem lediglich aufgeweckten und einem behandlungsbedürftigen Kind unterscheiden können, besteht immer noch ein hoher Aufklärungsbedarf bei Fachleuten. Und: Das Diagnoseverfahren ist zeitaufwendig. Aus Berichten über die bisherige Lebensgeschichte, dem Verhalten in verschiedenen Situationen sowie neurologischen und körperlichen Untersuchungen (IQ-Test und EEG) macht sich der Arzt ein Bild über das Kind. Ein international anerkannter Fragebogen (DSM IV) leistet zusätzliche Hilfe, ob das Kind an ADS leidet oder nicht. Hier finden sich neun Fragen zur Unaufmerksamkeit: Zum Beispiel, ob das Kind seine Aufmerksamkeit auf bestimmte Dinge lenken kann, zuhört, wenn man es anspricht oder sich schnell ablenken lässt. Weitere neun Punkte sind der Hyperaktivität gewidmet, wobei drei speziell die Impulsivität des Kindes abfragen. Man will hier wissen, ob das Kind häufig herumzappelt, übermäßig viel redet oder nicht sitzen bleiben kann. Ob es häufig stört, nicht warten kann und mit Antworten herausplatzt sind weitere Kriterien für ADS. Treffen insgesamt 12 der im Test aufgeführten Symptome zu, besteht ein starker Verdacht auf ADS. Vorausgesetzt die Schwierigkeiten dauern über sechs Monate und treten in verschiedenen Situationen auf.
Die Diagnose entlastet die Eltern von hyperaktiven Kindern in zweierlei Hinsicht: Zum einen kennen sie zum ersten Mal die Ursachen für das Verhalten ihres Kindes. Zum anderen kann hyperaktiven Kindern geholfen werden: Mit "Ritalin" (heute auch als "Medikinet" verfügbar), ein Medikament, dass betroffene Kinder von einer auf die andere Stunde verwandelt: Hibbelige Kinder werden ruhig und konzentrieren sich im Unterricht, Tobsuchtsanfälle bleiben aus und zum ersten Mal kann ausdauernd gespielt werden. Von Gegnern der medikamentösen Behandlung wird Ritalin abgelehnt: Die Kinder werden durch ein Psychopharmakon ruhig gestellt, argumentieren sie. Außerdem sei es beängstigend, dass das Medikament in den letzten fünf Jahren immer häufiger verordnet wird. Die Absatzzahlen sind in den USA auf das 40fache gestiegen und auch in Deutschland nehmen die Verordnungszahlen zu.

Wie wirkt Ritalin?

Ritalin verändert den gestörten Stoffwechsel von Dopamin, einem Botenstoff im Gehirn. Obwohl das Medikament eigentlich ein Aufputschmittel ist, hat es bei hyperaktiven Kinder eine paradoxe Wirkung: Sie werden ruhig, bleiben geistig jedoch genauso wach. Nach Einnahme zeigt sich die Wirkung nach etwa 20 bis 30 Minuten, hat ihren Höhepunkt nach drei bis vier Stunden und lässt nach sechs Stunden nach. Die Substanz wird wieder vollkommen vom Körper ausgeschieden: Ritalin kann später nicht mehr im Blut nachgewiesen werden. Körperlich abhängig macht das Medikament nicht, es können aber Nebenwirkungen wie Schlafstörungen und Appetitlosigkeit auftreten. ADS wächst sich zwar nicht aus, wird aber milder: Vor allem die Hyperaktivität lässt nach. Trotzdem können Jugendliche und sogar Erwachsene weiterhin von ADS betroffen sein.
Es ist sehr umstritten, Kindern unter vier Jahren Ritalin zu verabreichen. Die Behandlung mit Ritalin wird meist erst ab dem vierten oder fünften Lebensjahr begonnen und dauert oft bis zur Pubertät. Für kleinere Kinder hat sich ein Amphetaminsulfatpräparat in Saftform bewährt.

Hyperaktive Kinder bekommen von Eltern, Erziehern und anderen Kindern oft negative Reaktionen zu spüren - auch sie selbst merken: Vieles läuft schief. Eine Behandlung mit Ritalin macht hyperaktive Kinder erreichbar für die Erziehung und für Verhaltenstherapie. Sie schafft Raum, neue, positive Erfahrungen zu machen. Hyperaktive Kinder brauchen einen klar strukturierten Tagesablauf und klare, kurze Anweisungen. Eltern sollten sich hier von Erziehungsberatungsstellen oder einem Kinder- und Jugendpsychiater helfen lassen. Eine Verhaltenstherapie kann entscheidend dazu beitragen, Symptome abzubauen und das soziale Verhalten des Kindes zu verbessern. Eine Ergotherapie kann zusätzlich unterstützen. Eine amerikanische Studie belegt, dass sowohl eine Behandlung mit Ritalin als auch die Verhaltenstherapie gute Erfolge erzielen. Eine Kombination beider Methoden zeigte die deutlichsten Besserungen.

Buchtipps:
Cordula Neuhaus: "Das hyperaktive Kind und seine Probleme". Ravensburger, ca. 19,80 Mark
Dr. Elisabeth Aust-Klaus und Petra-Marina Hammer: "Das ADS-Buch". Oberstebrink Verlag, ca. 38 Mark
 

Im Internet:
www.ads-hyperaktivitaet.de
www.psychologie-online.ch/add
www.hypies.de
www.zappelphilipp.de

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