
Eines der größten Hindernisse beim Englischlernen ist die Sorge, sich zu blamieren. Schon Fünftklässler verlangen von sich, möglichst fehlerlos zu sprechen. Denn als Beinahe- Pubertierender plötzlich wieder mit der Aussprache zu kämpfen, ist verdammt uncool. Grundschüler verschwenden an derartige Peinlichkeiten noch keinen Gedanken.
Dein Kind schweigt? Kein Grund zur Sorge!
Während der eine Grundschüler nach den ersten Englischstunden stolz beim Frühstück "Milk, please!" ordert, kommt dem anderen nicht eine neue Vokabel über die Lippen. Das große Schweigen zeugt aber weder von mangelndem Sprachtalent noch ist es ein Fall für gezielte Nachhilfe! Sprachlernforscher gehen heute davon aus, dass der Fremdsprachenerwerb in denselben Etappen erfolgt wie das Erlernen der Muttersprache. So wie Ein- und Zweijährige zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit dem Sprechen beginnen und immer wieder versuchen, neue Wörter und später Sätze zu formen, ergeht es auch den Grundschülern mit der Fremdsprache. Anders als in der weiterführenden Schule gibt man den Kindern in der Grundschule viel Raum für diese Lernphase, die man treffend als "silent period" (stille Phase) bezeichnet. Das ist gut so, denn still heißt keineswegs passiv. Im Gegenteil: Das Gehirn speichert und speichert – neue Laute, eine neue Satzmelodie, neue Vokabeln.
So können Sie helfen:
Weil selbst winzige Englischhäppchen den Einstieg ins Sprachenlernen erleichtern, können Eltern ihr Kind gerade zur Zeit des Anfangsunterrichts gut unterstützen.
Zum Beispiel so:
- Wiederhole immer wieder die gleichen kleinen Sätze, wie: "Pass me the salt, please", "Pass me the sugar, please" oder "Turn on the TV". Und zum Abschied: "Bye, tschüss!"
- Verknüpfe ab und zu neue englische Wörter mit Begriffen, die Dein Kind schon kennt. Wer zum Beispiel weiß, dass "King" König heißt, kann sich leicht neue Wörter wie "Queen" oder "Princess" aus der Märchenwelt merken.
- Betrachtet als Gute-Nacht-Geschichte doch mal ein englisches Bilderbuch. Es reicht, hier oder da ein Wort oder einen Satz herauszugreifen, um Kinder neugierig zu machen. Denn in "real books" reden die Charaktere so wie englische Kinder: natürlich, kreativ, witzig. Diese authentische Sprache geht deutschen Kindern besser ins Ohr als jeder ausgeklügelte Sprachlehrgang.
- Entdecke Sie mit Deinem Kind englische Wörter im Alltag. Jedes Kind kennt und gebraucht englische Wörter. Aber den wenigsten ist bewusst, wie viel sie schon können. Es kann eine praktische Angewohnheit werden, das eigene Kind regelmäßig auf den einen oder anderen Begriff wie "cool", "super", "base-cap" aufmerksam zu machen. Viele Wörter musst Du nicht einmal übersetzen, weil Dein Kind die Bedeutung schon kennt. Das macht stolz und motiviert!
- Begleite Dein Kind ähnlich wie beim Erlernen der Muttersprache: falsche Aussprache oder grammatische Fehler also nicht im Sinne von "Hör mal zu, wie man das ausspricht ..." korrigieren, sondern einfach das Wort oder den Satz richtig ausgesprochen wiederholen.
Die fünf wichtigsten Fragen und Antworten
1. Was bringt es?
Vor allem ungetrübten Spaß an fremden Sprachen. Denn das größte Hindernis beim Sprachenlernen ab Klasse 5 - die Angst, sich zu blamieren - ist noch gar nicht aufgebaut.
2. Wie werden Fremdsprachen in der Grundschule unterrichtet?
Der Aufbau gleicht dem Erlernen der Muttersprache. Sprachlernforscher haben herausgefunden, dass Fremdsprachen in denselben Schritten erfasst werden, wie die Erstsprache. Das bedeutet: Wie schnell und wie viel ein Kind spricht, ist Typsache. Der eine plappert sofort los, der andere startet erst durch, wenn er sich ganz sicher fühlt, und ein Dritter wird nie mehr als nötig reden, weil er es auch in seiner Muttersprache nicht tut. Doch selbst die kleinen Schweiger kommen im Grundschulunterricht oft zu Wort, denn beim gemeinsamen Singen oder Sprechen von Reimen machen alle gerne mit.
3. Verwirren Fremdsprachen beim Erlernen der deutschen Rechtschreibung?
Nein. Egal, ob es sich um Englisch oder Französisch handelt, in der Grundschule geht es um Kommunikation - also ums Zuhören, Nachsprechen und Verstehen. Geschriebenes kommt nur am Rande vor. Deshalb gibt es auch nur selten Hausaufgaben und kein Durcheinander mit den deutschen Rechtschreibregeln.
4. Was können Eltern tun?
- Begleite Dein Kind ähnlich wie beim Erlernen der Muttersprache. Falsche Aussprache oder grammatische Fehler also nicht im Sinne von "Hör mal zu, wie man das ausspricht ..." korrigieren, sondern nur das Wort oder den Satz richtig wiederholen.
- Verwende im Alltag immer wieder die gleichen kleinen Sätze, wie: "Pass me the salt, please." Oder: "Merci beaucoup, ma chère." So entwickelt das Kind nebenbei ein erstes Gefühl für den Klang und die Grammatik der Sprache.
- Mach Dein Kind hin und wieder auf den ein oder anderen Begriff wie "cool", "super", "pardon" oder "Portemonnaie" aufmerksam. Denn jedes Kind kennt und nutzt bereits englische oder französische Wörter, aber den wenigsten ist das bewusst.
- Lest ab und zu ein "echtes" englisches oder französisches Bilderbuch. Die authentische Sprache geht besonders gut ins Ohr.
5. Was sollten Kinder Ende der Klasse 4 können?
Mit gutem Fremdsprachenunterricht erreichen Viertklässler die folgenden Ziele:
- Sie können sich begrüßen, verabschieden, sich bedanken und nach dem Befinden fragen.
- Sie können Gefühle wie Trauer oder Freude ausdrücken und jemandem etwas wünschen.
- Sie können ihren eigenen Willen bekunden und eigene Wünsche äußern.
- Sie können Personen und Tiere beschreiben sowie Zeit- und Ortsangaben machen.
Fachliche Beratung: Anke Diekmann leitet eine Grundschule in Münster und ist Mitherausgeberin der Fachzeitschrift "Grundschule Englisch".