Hat euer Kind Probleme beim Lesen und Schreiben? Liest es die Wörter einzeln, stockend und langsam? Eine Leseschwäche kann die Ursache sein. Alles Wichtige über Ursachen, Anzeichen und Unterstützungsmöglichkeiten.
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Wenn Kinder in die Grundschule kommen, sind Buchstaben für sie zunächst wie ein unverständlicher Code, den es zu entschlüsseln gilt. Im Laufe des ersten Schuljahres lernen eure Kids, aus Lettern Wörter zu formen und verinnerlichen die Schritte, die dafür notwendig sind. Für Kinder mit Leseschwäche ist das Lernen der Schrift deutlich schwerer – nicht nur das Lesen, sondern meist auch das Schreiben. Wir erklären, welche Anzeichen euch aufhorchen lassen sollten – und wie ihr euer Kind unterstützt.
Leseschwäche, LRS oder Legasthenie?
Das Wort "Legasthenie" stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt Leseschwäche. Es wird jedoch oft synonym zum Begriff der Lese-Rechtschreibschwäche genutzt, was etwas ungenau ist. Denn eine Leseschwäche kann auch einzeln auftreten, ohne dass Schwächen beim Rechtschreiben beobachtet werden. Auch gibt es eine isolierte Rechtschreibstörung. Meist treten die Probleme beim Lesen und Schreiben jedoch gleichzeitig auf. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt eine "umschriebene Lese-Rechtschreibschwäche" – auch LRS genannt – vor, wenn anhaltende Probleme beim Lesen und Schreiben nicht auf folgende Aspekte zurückgeführt werden können:
- Psychische Erkrankung
- Unterdurchschnittliche Intelligenz
- Fehlende Schulbildung
- Entwicklungsalter
- Medizinische Ursachen
Welche Anzeichen deuten auf eine Legasthenie hin?
Betroffene Kinder haben große Schwierigkeiten, einen Text zu lesen oder laut vorzulesen. Oft fehlt ihnen auch das Verständnis für das Gelesene. Erste Anzeichen für eine Leseschwäche zeigen sich bereits in der ersten und zweiten Klasse. Die Kinder lesen langsam und stockend, Buchstaben werden einzeln gelesen und nicht als Wort erkannt. Auch lesen die Kids Worte, die gar nicht im Text stehen – ein Zeichen dafür, dass euer Kind diesen auswendig vorträgt. Eltern können das überprüfen, indem sie ihrem Kind einen unbekannten Text vorlesen lassen.
Hinzukommt, dass die Kinder den Sinn des Gelesenen nicht gut verstehen, was für sie sowohl anstrengend und ermüdend ist als auch demotivierend wirkt. Da Kinder mit Leseschwäche täglich mit ihren Defiziten konfrontiert werden, können sie Verhaltensauffälligkeiten entwickeln. Etwa, indem sie besonders laut oder aggressiv auftreten – oder sich komplett zurückziehen und depressiv verstimmt sind.
Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. hebt u.a. diese Anzeichen hervor:
- Niedrige Lesegeschwindigkeit, häufiges Stocken oder Verlieren der Zeile
- Dysrhythmisches Lesen ohne Betonung, monotones Vortragen
- Schwierigkeiten, den Inhalt des gelesenen Textes wiederzugeben
- Unfähigkeit, das Gelesene zu wiederholen
Bei Kindern mit Rechtschreibschwäche solltet ihr zusätzlich auf folgende Anzeichen achten:
- Rechtschreibfehler über einen längeren Zeitraum
- Bereits bekannte und intensiv geübte Wörter werden falsch geschrieben
- Verwechslung klangähnlicher Laute und formähnlicher Buchstaben
- Häufig unleserliche Handschrift
- Hohe Fehlerzahl in Diktaten und beim Abschreiben von Texten – Wörter werden mehrfach und unterschiedlich falsch geschrieben
Welche Ursachen gibt es für eine Lese-Rechtschreibstörung?
Warum ein Kind unter einer Leseschwäche oder LRS leidet, kann viele Ursachen haben. Trotz zahlreicher Studien sind diese jedoch nicht eindeutig geklärt. Manche Expert:innen gehen davon aus, dass Genetik eine große Rolle spielt. Hat bereits ein Elternteil Legasthenie, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch ein Kind eine Lese- oder Rechtschreibschwäche entwickelt.
Ursache für eine LRS können laut dem BVL auch neurobiologische Prozesse sein. Forschungsergebnisse zeigen, dass Kinder mit einer Lese-Rechtschreibstörung oft schon früh Unterschiede bei der Verarbeitung von Sprache entwickeln. Darüber hinaus scheint es bei Kindern mit Schreibschwäche zu Beeinträchtigungen im kognitiven Bereich zu kommen. Und das hat wiederum einen Einfluss auf das Arbeitsgedächtnis und die Aufmerksamkeit sowie auf die Wahrnehmung und Verarbeitung von visuellen und auditiven Reizen.
Was können Eltern tun, um ihr Kind zu unterstützen?
Solltet ihr Anzeichen für eine Leseschwäche feststellen, dann sucht zunächst das Gespräch mit dem:r Deutschlehrer:in eures Kindes. Bei Bedarf veranlassen die Lehrer:innen weitere Tests, wie etwa den Salzburger Lese- und Rechtschreibtest (SLRT II). Wenn sich eine Legasthenie bestätigt, könnt ihr Folgendes tun, um euer Kind zu unterstützen:
- Aufklären: Als Erstes solltet ihr euer Kind über die Lese-Rechtschreibschwäche aufklären – und was das für Folgen haben kann. Erklärt ihm, dass die Schwierigkeiten beim Lesen nichts mit seiner Intelligenz zu tun hat. Und informiert es, dass viele Menschen davon betroffen sind, damit es sich nicht allein fühlt.
- Entspannt bleiben: Macht die Leseschwäche oder LRS nicht zum Hauptthema in eurer Familie. Natürlich helft ihr bei den Hausaufgaben und dem Lernen, aber überfordert euer Kind nicht. Wenn ihr gemeinsam lernt, dann sorgt für eine entspannte Atmosphäre. Und wenn es heute nicht klappt, dann probiert es morgen wieder!
- Hilfe annehmen: Solltet ihr überfordert sein, dann sucht euch Hilfe bei Fachleuten. Sprecht mit den Lehrer:innen eures Kindes und denkt gemeinsam über das weitere Vorgehen nach. Euer Kind benötigt vermutlich eine Therapie, die direkt an den Lese- und/oder Rechtschreibschwierigkeiten ansetzt, um diese zu verbessern. Im Verlauf der Behandlung werden Strategien entwickelt, um mit den Problemen umzugehen – und auch die psychologische Stabilität gefördert.
Folgende 5 Tipps helfen euch beim Lernen mit euren Kindern
- Paired Reading oder Lese-Tandems: Bei dieser Methode lesen das Kind und ein Erwachsener einen Text synchron laut vor. Dieses gemeinsame Hören eines richtig gesprochenen Textes kann die Leseflüssigkeit und das Leseverstehen verbessern.
- Druckschrift statt Schreibschrift: Die Druckschrift ist deutlich leichter zu lesen als Schreibschrift. Generell verzichten viele Schulen bereits auf die komplizierte Ausgangsschrift.
- Lesen mit Lautgebärden: Lautgebärden werden gerne zur Unterstützung für Kinder mit Leselernproblemen eingesetzt, um das Gefühl für die Sprache zu fördern.
- Lautgetreues Lesen: Lautgetreue Lesebücher haben den Vorteil, dass alle zu erlesenden Worte so gesprochen werden, wie sie geschrieben werden. Silben werden mitgesprochen. Insbesondere Kinder mit Leseschwäche bekommen so einen sicheren Zugang zum Lesen und Schreiben.
- Lesepfeil verwenden: Ein Lesepfeil hilft Kindern mit Leseschwäche, nicht in der Zeile zu verrutschen.