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Kritikfähigkeit So bringst du sie Kindern bei

Kritikfähigkeit: eine junge Mutter redet mit ihrem kleinen Sohn
© Halfpoint / Shutterstock
Kritik einstecken ist nicht ohne – deshalb lernt man es am besten von klein auf. Wie das geht, verraten wir euch hier. 

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Auch Erwachsene müssen immer wieder lernen, mit Kritik umzugehen. Noch viel wichtiger ist es deshalb, sie seinen Kindern so früh wie möglich beizubringen. Wir haben ein paar Tipps und Tricks nach Altersstufen für euch zusammengefasst:

Ab 3 Jahren

Auch Mamas und Papas brechen Zacken aus der Krone

  • Eltern und Erzieher prägen schon früh die Kritikfähigkeit
    So direkt wie im Kindergarten wird man später nur selten kritisiert: "Du bist doof, mit dir spiel ich nich." Klare Ansage. Und die erste große Chance zu lernen, dass man es nie allen recht machen, aber trotzdem glücklich mit sich selbst und anderen sein kann. Mit Kritik umzugehen ist eine Basiskompetenz, die Kinder sich schon früh bei Eltern und Erziehern abschauen – und Schritt für Schritt aneignen. Umso wichtiger ist es, hier ein Vorbild zu sein.
  • Der Ton macht die Musik
    Wer über eigene Erlebnisse nachdenkt, merkt: Meist ist es nicht die Kritik selbst, die schmerzt, sondern der Tonfall, mit dem sie herausposaunt wird. Wenn ein anderer Erwachsener uns – zum Beispiel im Straßenverkehr – aggressiv zurechtweist, werden wir ruck, zuck wieder selbst zum Kind. Oft zu einem sehr trotzigen. Deshalb: durchatmen! In die Knie gehen. Und dem eigenen Kind sachlich erklären: "Du rufst die ganze Zeit dazwischen, wenn ich mit meiner Freundin rede. Das ärgert mich, weil ich gar nicht verstehe, was sie sagt. Gleich bist du dran, okay?" Das verstehen auch schon Dreijährige. Vor allem den Tonfall und die zugewandte Haltung – selbst dann, wenn sie nicht sofort wie gewünscht reagieren. Wenn wir uns dazu noch selbst beim Wort nehmen und dem Kind den versprochenen Raum später wirklich geben, lernt es, dass es nicht lautstark um Aufmerksamkeit kämpfen muss.
  • Konstruktiv bleiben
    Falls ein Kind sich sowieso schon über ein Missgeschick ärgert, etwa über ein Pipi-Malheur, können wir Großen uns die Kritik ganz sparen. Und lieber einen konstruktiven Vorschlag machen: "Nächstes Mal gehst du einfach noch mal aufs Klo, bevor wir losfahren, das ist sicherer." Positive Verstärkung – statt Schimpfen – ist eine Kunst, die die meisten von uns ausbauen dürfen. Es erspart uns und den Kindern viele kritische Situationen, wenn wir öfter sagen: "Guck, wenn du ein paar Bausteine abgibst, wollen die anderen auch gern mit dir spielen." Oder: "Ja, du bist traurig, weil die zwei heute mal allein spielen wollen." Und später: "Was könntest du denn noch machen? ’Ne Idee? Vielleicht mit dem Mädchen dahinten in der Sandkiste spielen? Das ist auch allein!"
  • Fehler? Sind menschlich und ganz normal!
    Wichtig im Umgang mit Kindern ist übrigens auch die Art, mit der wir Großen andere kritisieren – aber auch uns selbst. Also etwa wie wir über unseren Körper reden. Auch da sind wir Vorbild. Ertappen wir uns im Alltag beim Meckern oder Brüllen, müssen wir uns dafür nicht in Grund und Boden schämen. Etwas Achtsamkeit hilft aber schon: Wer sich bei den Kindern entschuldigen kann – für den Wutanfall oder das Getippe auf dem Handy –, der setzt im Alltag Zeichen, die Kinder sich früher oder später merken werden.

Und noch etwas:
Die Erfolgsformel für eine gute Beziehung lautet: 1:5. Auf jede kritische Anmerkung sollten also fünf Aussagen kommen, die das Kind bestärken, motivieren, freuen oder inspirieren.

Ab 8 Jahren

Humor ist die beste Wahl bei Kritik

  • Kleine und große Kritiker staunen nicht schlecht, wenn sie eine schlagfertige Antwort bekommen
    Allerdings kann längst nicht jedes Kind (und auch nicht jeder Erwachsene) witzige Antworten aus dem Ärmel schütteln, oder? Auf diese Frage hatte der Entertainer Rudi Carrell eine ebenso überraschende wie logische Antwort, er sagte: "Witze kann man nur dann aus dem Ärmel schütteln, wenn man sie vorher hineingesteckt hat." Und genau deshalb empfiehlt die Schauspielerin und Kommunikationstrainerin Katrin Hansmeier vom Deutschen Institut für Humor (humorinstitut.de) nicht nur ihren eigenen Kindern ein Humor-Tagebuch zu führen (siehe Humor-Workout) und die Schlagfertigkeit zu üben.

Hier zeigt Profi Katrin Hansmeier, was ihr für Antworten auf doofe Sätze einfallen:

"Deine Schuhe sehen echt scheiße aus!"

"Ja, und jetzt???"

"Sag das nicht meiner Mutter, die rastet aus."

"Die klaut mir wenigstens keiner."

"Besser als Hundesch... unterm Schuh!"

"Schuhe können doch gar nicht sehen!"

Kommentar Katrin Hansmeier: "Achtjährige lieben Wortspiele – und können sich auch schon selbst welche ausdenken."

"Seine Mami nennt ihn Häschen ... hihi."

"Ach wie süß, er sagt noch MAMI …"

"Meine Mami? Meinst du den Terminator, der mich immer von der Schule abholt?"

"Ich nenn DICH gleich auch mal Häschen, aber Häschen in der Grube!"

Kommentar Katrin Hansmeier: "Das wäre aggressiver Humor. Der ist nicht unbedingt deeskalierend, tut aber manchmal gut als Konter."

"Warum starrst du mich immer so an?"

"Mein Lieblingsvogel ist der STARR."

"Weil ich dachte, du wärst nett."

"Ich will mich beim 'Tatort‘ bewerben. Als Leiche. Haha … verstehst du nicht, oder?"

Kommentar Katrin Hansmeier: "Ironie kann man zu Hause erklären – und auch schon im Grundschulalter miteinander üben. Kinder lernen das Prinzip am besten, wenn Eltern auf eine Fiesheit paradox reagieren."

"Du hast aber einen Schwabbelbauch."

"Du, da habe ich lange für gebraucht, mir den anzutrainieren. Man nennt das auch Torten-Six Pack …"

Kommentar Katrin Hansmeier: "Wenn ein Kind sich hier gemobbt fühlt, sollte es auch ruhig sagen, dass es so nicht angesprochen werden will."

Das Humor-Workout

So trainiert man den Humor und die Schlagfertigkeit in der Familie:

  • Gute Antworten, Sprüche und Witze wandern ins Humor-Tagebuch – dann fallen sie einem bei nächster Gelegenheit auch ein. Besonders lustig ist, wenn Eltern und Kinder das Tagebuch zusammen führen.
  • Immer wieder Wortspiele machen und Teekesselchen erraten
  • Sich gegenseitig witzige Alltagsgeschichten erzählen

Ab 12 Jahren

"Am besten keine Angriffsfläche bieten"

Ein Gespräch mit Coach Birgit Harders (anima-vita.de), die seit vielen Jahren auch mit Kindern arbeitet und sie berät

EF: Kritik von anderen tut immer ein bisschen weh, selbst wenn sie gut gemeint ist. Ab wann können Kinder unterscheiden, ob jemand ihnen ein – eventuell nützliches – Feedback geben möchte oder ob er bloß beleidigen will?

Birgit Harders: Das ist keine Frage des Alters, sondern hängt davon ab, wie gefestigt Kinder innerlich sind. Wenn sie in einem stabilen Umfeld aufwachsen, haben sie normalerweise auch ein realistisches Selbstbild, und können mit Kritik – selbst mit ungerechter – umgehen. Wenn sie aber sowieso schon die ganze Zeit unter dem Gefühl leiden, dass sie nicht gut und richtig sind, werden sie sich wahrscheinlich schnell verletzt und gedemütigt zurückziehen.

Gerade Pubertierende teilen ja oft heftig aus, ohne groß über die Folgen nachzudenken.

Ja, auf den Ton kommt es natürlich auch an. Es macht einen Riesenunterschied, ob man vor anderen gesagt bekommt: "Hey, du stinkst" oder unbeobachtet und diskret: "Darf ich dir etwas sagen? Du riechst etwas nach Schweiß." Ein zwölfjähriges Kind kann immer überprüfen: Stimmt das denn? Oder stimmt das nicht? Dann kann man entscheiden, ob man mal wieder das T-Shirt wechselt und sich wäscht. Oder entschieden sagt: "Nö, das bin ich nicht."

Manche Therapeuten raten Kindern auch, im Dialog mit dem Kritiker zu bleiben. Zum Beispiel indem man fragt: "Was nimmst denn du für ein Deo? Hast du ’nen Tipp?"

Das kann man probieren. An der Reaktion wird man schnell ablesen, was das andere Kind bewirken will. Will es sich selbst groß machen, indem es andere klein macht? Dann tritt es nach. In diesem Fall sollte man keine Angriffsfläche bieten und sich auch auf keine weitere Diskussion einlassen. Denn wenn ein Kind Schwäche signalisiert – indem es sich umständlich verteidigt, jammert oder weinend wegläuft –, dann haben die anderen das ganz schnell raus und wissen: Mit dem kann man’s machen. Solche Reaktionen laden zum Mobbing ein.

Wie macht man sich für Angreifer uninteressant?

Durch Schlagfertigkeit – oder auch indem man möglichst emotionslos klare Ansagen macht und den Mobbern keine weitere Aufmerksamkeit schenkt. Die anderen lernen dann mit der Zeit: Hier kann ich kein Tor mehr schießen.

Ganz schön schwer! Wie kommen labile Kinder zu solcher Stärke?

Schlagfertigkeit und Emotionskontrolle kann man natürlich üben. Aber wenn die Sache wirklich in Richtung Mobbing geht, müssen Erwachsene helfen und unterstützen, indem sie dem Kind zuhören und seine Situation wirklich ernst nehmen. Rückendeckung geben auch spezialisierte Beratungsstellen – und natürlich auch Therapeuten.

Wer hilft bei Mobbing?

• Gute Tipps für Schlagfertigkeit auf dem Schulhof gibt es bei Matthias Poehm (poehm.com/schlagfertig-auf-dem-schulhof)

• Hilfe bei Cybermobbing und Whats-App-Stress bietet juuuport.de

• Schüler, Eltern und Lehrer können sich außerdem an die Anlaufstelle für Diskriminierung an Schulen ADAS wenden (adas-berlin.de)

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