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Selbstständigkeit Was kann mein Kind ab wann schon alleine?

Mädchen rennt
© A3pfamily / Shutterstock
Rund um den ersten Geburtstag geht es los: die Forderung der Kinder nach Selbstständigkeit, etwas alleine machen. Je größer sie werden desto mehr Eigenständigkeit fordern sie ein. Ab wann Kinder ohne Aufsicht spielen oder bei einer Freund:in übernachten können, erfahrt ihr hier.

Die meisten Kinder fangen kurz nach dem ersten Geburtstag an, Dinge selbstständig meistern zu wollen: die ersten Schritte, die ersten Wörter, Bauklötze aufstellen. Im Alter von 18 Monaten kann dein Kind schon recht selbstständig gehen, unter Umständen sogar rennen, Bälle werfen. In dieser Zeit steht sein oder ihr Erforscherdrang im Vordergrund. In den nächsten Jahren ist dein Schatz noch auf jede Menge Unterstützung und Hilfe angewiesen, doch um den vierten Geburtstag herum wird er die Grundlagen schon gut meistern können – anziehen, Zähne putzen, auf Toilette gehen, Essen und Hände waschen.

Nun wird es spannend, denn je selbstständiger dein Kind wird, desto unabhängiger ist es auch von dir – und ganz neue Fragestellungen tun sich auf: Ab wann kann mein Kind alleine bleiben? Kann es bei einer Freundin übernachten? Oder alleine mit seinem Freund zur Schule gehen? Generell gilt es bei allen Fragestellungen den goldenen Mittelweg zu finden, denn "mit der Selbstständigkeit bei Kindern ist es wie mit allen Dingen in der Erziehung: fördern, aber die Kinder nicht überfordern", sagt Dr. Dieter Spanhel, emeritierter Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität Erlangen- Nürnberg.

Deshalb hat Spanhel die Idee der Rahmen entwickelt: "Eltern sollten für jede Situation einen Rahmen vorgeben. Er bietet Kindern einen Spielraum und kennzeichnet zugleich die Grenzen ihres Tuns. Diese können räumlicher, gedanklicher oder zeitlicher Natur sein." Ein Beispiel: Dein Kind darf alleine auf dem nächstliegenden Spielplatz spielen. Der Rahmen kann in diesem Fall so aussehen: Dein Kind darf alleine hingehen, aber nur über die Ampel und nicht über den näher gelegenen Zebrastreifen. Es darf nur auf dem Spielplatz bleiben und das Gelände nicht verlassen. Um 17 Uhr kommt es den gleichen Weg nach Hause. Ein anderes Rahmenbeispiel ist, dass es zwar auf den Spielplatz alleine darf, aber noch nicht auf den großen Kletterturm.

"Wichtig dabei: Der Rahmen muss eingehalten werden", so Dr. Spanhel. "Tut das Kind dies nicht, muss es eine Konsequenz spüren, denn: Nur so kann ein Kind lernen, sein Verhalten zu kontrollieren." Innerhalb des Rahmens gibt es hingegen den Freiraum, den das Kind selbst ausfüllen kann. Und der wird natürlich umso größer, je älter das Kind wird.

Ab wann kann mein Kind alleine zu Hause bleiben?

Kind spielt mit Dinos
© bearmoney / Shutterstock

Kinder haben nach der „UN-Konvention über die Rechte des Kindes“ das Recht auf elterliche Fürsorge. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) definiert in § 1631 als Pflicht von Eltern, „ […] das Kind zu pflegen, zu erziehen und zu beaufsichtigen […]“. Die Eltern müssen also ihrer Aufsichtspflicht unbedingt nachkommen.

Gleichzeitig räumt der Gesetzgeber Kindern und Jugendlichen das Recht ein, sich selbstständig zu entwickeln. In § 1626 BGB heißt es zum Beispiel, Eltern sollten „bei der Pflege und Erziehung, die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem verantwortungsbewusstem Handeln“ berücksichtigen. Rechtlich gesehen bewegen sich Eltern bei dieser Fragestellung also zwischen Fürsorge und Kontrolle. Vom Gesetzgeber ist die Frage nicht eindeutig geregelt.

„Es gibt keine klare gesetzliche Vorschrift darüber, ob und wie lange Eltern Kinder allein lassen dürfen“, sagt die Münchener Rechtsanwältin Dr. Undine Krebs, Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein (DAV). „Ein Kind muss jedenfalls nicht unter ständiger elterlicher Obhut stehen."

Ob dein Kind schon alleine zu Hause bleiben kann, ist dementsprechend eine persönliche Entscheidung der Eltern, die von verschiedenen Faktoren abhängig ist: zuallererst natürlich vom Alter, aber auch von der Reife deines Kindes und seiner oder ihrer Persönlichkeit.

Um den Eltern trotzdem etwas Unterstützung an die Hand zu geben, haben sich folgende Regeln etabliert. Sie leiten sich teils aus pädagogischen Grundsätzen ab, teils folgen sie der praktischen Rechtsprechung und richterlichen Entscheidungen:

Grundsätzlich sollen Kinder bis zum dritten Lebensjahr immer beaufsichtigt sein und niemals alleine gelassen werden. Ab dem vierten Lebensjahr kann dein Kind 15 bis 30 Minuten alleine sein, aber nur wenn du in der unmittelbaren Umgebung bleibst. Ab dem siebten Lebensjahr kann man den meisten Kindern zumuten, zwei Stunden alleine zu bleiben. Ab einem Alter von 14 Jahren können die Jugendlichen auch laut Gesetzgeber allein gelassen werden.

Triff für die Zeit, in der dein Kind alleine zu Hause ist, ganz klare Absprachen mit ihm oder ihr: Wie soll es sich verhalten, wenn es an der Tür klingelt, das Telefon läutet oder es Hunger bekommt? Darf es sich selber Essen zubereiten? Wichtig ist auch, dass dein Kind ganz genau weiß, zu welcher Uhrzeit du zurückkommst und dich bestenfalls auch telefonisch erreichen kann.

Schließe nicht die Tür ab, damit dein Kind bei Gefahr die Wohnung zügig verlassen kann und kläre mit ihm oder ihr, was es tun kann, wenn etwas Unvorhersehbares passiert. Zum Beispiel aus Versehen eine Glaskaraffe kaputtmacht und überall Scherben liegen.

Ab wann kann mein Kind alleine draußen spielen?

Zwei Jungs spielen Fußball
© Tomsickova Tatyana / Shutterstock

2009 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil festgelegt: Je jünger und unvernünftiger ein Kind ist, desto mehr sollten und müssen Eltern es beaufsichtigen (AZ: VI ZR 51/08). Dieses Urteil ist maßgeblich für die Entscheidung, ab wann ein Kind alleine zu Hause bleiben darf, aber auch ab wann es ohne Aufsicht spielen darf.

Nach diesem BGH-Urteil dürfen Kinder ab einem bestimmten Alter allein draußen spielen, die Eltern müssen dabei nicht die ganze Zeit auf das Kind aufpassen. Dabei gilt: Kinder ab vier Jahre müssen von den Eltern immer wieder beobachtet werden. Bei Vorschulkindern sollten Eltern alle 15 bis 30 Minuten schauen, womit sich ihr Kind beschäftigt und – wenn nötig – eingreifen. Ältere Kinder von sieben oder acht Jahren müssen Eltern nicht in so kurzen oder regelmäßigen Abständen kontrollieren.

Du merkst, auch diese Fragestellung ist schwer zu beantworten und vom Gesetzgeber nicht eindeutig geregelt. Orientiere dich an der Entwicklung deines Kindes und auch daran, was es sich selber schon zutraut. Achte darauf, dass ihr klare Absprachen trefft und du weißt, wo sich dein Kind aufhält.

Ab wann kann sich mein Kind alleine im Straßenverkehr bewegen?

Mädchen läuft über die Straße
© Photographee.eu / Shutterstock

Grundlegend für die Beantwortung dieser Frage ist die Entwicklung des Gefahrenbewusstseins bei Kindern, die sich in drei Phasen unterteilen lässt. In den ersten Jahren haben Kinder überhaupt kein Gefahrenempfinden. Das stellt sich erst mit fünf oder sechs Jahren ein. In diesem Alter und somit der ersten Phase verfügen Kinder über ein akutes Gefahrenbewusstsein. Das heißt, sie erkennen eine gefährliche Situation erst, wenn sie eingetreten ist. Zeit zum Handeln bleibt kaum mehr. Auch verbinden Kinder in diesem Alter Gefahren mit konkreten Orten und Situationen. Was dein sechsjähriges Kind an Kreuzung A lernt, kann es nicht auf Kreuzung B übertragen. Das ändert sich erst in Phase zwei.

Mit ungefähr acht Jahren setzt die zweite Phase ein: das vorausschauende Gefahrenbewusstsein. In diesem Alter erkennen Kinder eine Gefahr zunehmend im Vorfeld und können sich die weitere Entwicklung der Situation vorstellen. Somit haben die Kleinen noch die Möglichkeit, Einfluss auf das Geschehen zu nehmen. Als Beispiel: Dein Kind möchte über die Straße gehen. Es hat grün. Das Auto, was rechts abbiegen möchte aber auch. Nun steht dein Kind einer komplexen Situation gegenüber. Es muss auf die Ampel achten und den PKW.

Ein vorbeugendes Gefahrenbewusstsein entwickeln Kinder in der Regel mit neun oder zehn Jahren und befinden sich dann in der dritten Phase. Sie können nun bewusst so handeln, dass mögliche Gefahren gar nicht erst eintreten.

Konkret bedeutet das für dich, dass dein Kind erst einigermaßen sicher am Straßenverkehr teilnehmen kann, wenn es mindestens die Stufe des vorrausschauenden Gefahrenbewusstseins erreicht hat. Doch auch hier gilt wie immer: Achte auf dein Kind und seinen oder ihren Entwicklungsstand.  

Gut zu wissen: Kinder unter sieben Jahren haften nicht. Im Straßenverkehr gilt dies sogar bis zu einem Alter von zehn Jahren. Das nennt man in der Fachsprache Deliktunfähigkeit. Das bedeutet, dass auch du als Elternteil nicht haftest, aber eben auch, dass der Geschädigte auf den Kosten sitzen bleibt.

Ab wann kann mein Kind alleine zur Schule laufen?

Junge läuft zur Schule
© Sharomka / Shutterstock

Die richtige Mischung aus Selbstständigkeit und Sicherheit zu finden, ist mit Kindern schwer. Hier gilt es den goldenen Mittelweg zu finden und sich an dem Entwicklungsstand deines Kindes zu orientierten.

Gesetzlich obliegt dir als Elternteil die Aufsichtspflicht auf dem Weg zur Schule oder von der Schule nach Hause. Allerdings sind Schüler an öffentlichen Schulen über die gesetzlichen Unfallversicherungen versichert. Werden Schüler mit dem Schulbus befördert, ist die Aufsichtspflicht Sache des Schulbusträgers.

Wir haben als Hilfestellung ein paar Fragen für dich formuliert:

  • Traust DU deinem Kind zu, alleine zur Schule zu laufen?
  • Kann sich dein Kind im Straßenverkehr gut konzentrieren? Oder lässt es sich noch leicht ablenken?
  • Wie sicher ist der Schulweg?
  • Seid ihr den Weg zur Schule schon früher häufig gelaufen, weil er beispielsweise auf dem direkten Weg zum Einkaufen liegt? Oder ist es ein neuer Weg, den dein Kind erst kennenlernen muss?
  • Geht dein Kind alleine oder mit älteren Geschwistern bzw. Freunden?
  • Wenn ja, wie verhält sich dein Kind in einer Gruppe mit Kindern im ähnlichen Alter? Vergisst es beim Erzählen mit dem Freund oder der Freundin, auf den Verkehr zu achten?
  • Traust du deinem Kind zu, in unvorhergesehenen Situationen richtig zu handeln?
  • Läuft dein Kind einfach los, wenn es einen Freund auf der anderen Straßenseite sieht oder lässt sich schnell überreden, einen anderen Weg zu gehen?
  • Hält sich dein Kind auch in anderen Situationen immer an die abgesprochenen Regeln?
  • Kennt es die wichtigsten Verkehrsregeln?

Bevor dein Kind alleine den Schulweg meistern kann, ist genügend Übung nötig. Geht den Weg gemeinsam zahlreiche Male ab und beobachte dein Kind dabei. Worauf achtet es im Straßenverkehr? Schaut es zuverlässig nach rechts und links an einer Straße? Beachtet es die Radfahrwege? Gut ist es auch, wenn dein Schatz dir den Weg selber zeigt und sagt, wo es langgeht, ohne dass du eingreifst – von Gefahrensituationen mal abgesehen.  

Vertraue auf dein Bauchgefühl und auch darauf, was dein Kind sagt. Wenn es lieber noch von Mama oder Papa gebracht werden mag, ist es noch nicht soweit. Fordert dein Schatz aber tagtäglich ein, selber zur Schule laufen zu dürfen, fühlt es sich bereit für mehr Selbstständigkeit.

Ab wann kann mein Kind woanders übernachten?

Kinder kuscheln im Bett
© Gustova Svetlana / Shutterstock

Es gibt keinen festen Zeitpunkt, ab dem dein Kind woanders übernachten kann. Hier kommt es wie so häufig auf die Entwicklung deines Kindes an und womit ihr euch wohlfühlt. Manche Kinder übernachten schon mit sechs Monaten bei den Großeltern, andere erst mit drei Jahren und für wiederandere Kinder ist es im Alter von fünf Jahren völlig normal, bei einer:m Freund:in zu schlafen.

Stillst du dein Kind nachts noch bzw. gibst die Flasche, ist es unter Umständen noch etwas zu früh. Auch in der sogenannten Fremdelphase deines Kindes ist es mitunter besser, noch etwas mit der ersten Übernachtung zu warten.

Wichtig ist, dass du der Person vertraust und ein gutes Bauchgefühl hast. Zudem ist es wichtig, dass dein Kind mit der Person vertraut ist und sich in der Umgebung wohlfühlen. Steht die erste Übernachtung bei den Großeltern an, hilft es, wenn sie schon ein, zwei Mal bei eurem Übernachtungsritual zu Hause dabei waren oder mitgemacht haben. So können sie deinem Kind bei seiner oder ihrer ersten Übernachtung Halt geben.

Kinder, die schon häufiger bei vertrauten Familienangehörigen übernachtet haben, tun sich meistens leichter, später auch bei Freund:innen zu schlafen. Wichtig ist dabei, dass die Initiative vom Kind ausgeht und es nicht von einem anderen Kind überredet wurde oder sich unter Druck gesetzt fühlt. Sprich mit deinem Kind vor seiner oder ihrer ersten Übernachtung am besten alles in Ruhe durch und vermittle ihm oder ihr das Gefühl, dass es bei Heimweh auch jederzeit nach Hause kommen kann. Gut ist es auch, wenn die erste Übernachtung beim Freund oder der Freundin durch eine gemeinsame Aktivität vorbereitet wird.

Ab wann kann mein Kind alleine schwimmen gehen?

Kinder spielen im Wasser im Schwimmbad
© Dasha Petrenko / Shutterstock

Schwimmen ist für viele Kinder ein riesiges Vergnügen. Kein Wunder, dass die Kleinen irgendwann ankommen und fragen, ob sie mit der Freundin oder dem Freund selber ins Schwimmbad dürfen. Ab welchem Alter Kinder eigenständig schwimmen gehen dürfen, ist nicht einheitlich geregelt. Die Kommunen und Schwimmbadbetreiber legen das Mindestalter fest. Ein Durchschnittswert ist sieben Jahre.

Das heißt aber nicht automatisch, dass dein Kind ab sieben Jahren alleine ins Schwimmbad darf. Viel wichtiger als das Alter ist seine oder ihre Schwimmfähigkeit – und dafür reicht das Seepferdchenabzeichen alleine nicht aus. Gute Schwimmer:innen können 15 Minuten ohne Hilfestellung schwimmen, zwei Meter tauchen und vom Einmeterbrett springen. Außerdem sind sie mit den Baderegeln vertraut. Sie wissen genau, was erlaubt und was verboten ist. Doch bei aller Vorsicht vergiss auch nicht, dass es in allen Schwimmbädern Bademeister:innen gibt, die für den Schutz der Gäste zuständig sind.

Quellen:

ELTERN

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