"Mentor" hilft derzeit rund 6.000 Kindern, die endlich Zugang zu Büchern bekommen möchten. Was hat Sie dazu bewegt, die Sache vor fünf Jahren in Gang zu bringen?
Die Begegnung mit einem Mädchen, das zu den vielen hilflosen Kindern gehörte, die ich vorher als Buchhändler gar nicht wahrgenommen hatte. In meinem Beruf ist man ja nur von lesenden Menschen umgeben. Nachdem ich mitbekam, wie still es war, hatte ich ihm nach und nach etliche Bücher geschenkt.
Und es hat sie gelesen?
Nein, überhaupt nicht! Daraufhin wurde mir klar, dass Bücher allein nicht genügen. Um sich auf den Weg ins Lesen machen zu können, brauchen Kinder erst einmal erfahrene Leser zum Sparringpartner.
Was heißt das genau?
Bei einem erfahrenen Leser können sich Leseanfänger viel Unterstützung holen. Es wird gemeinsam nach passenden Büchern gesucht und über das Gelesene gesprochen. Dabei gilt es für die Paten, sehr offen zu sein. Ich habe meine Vorstellungen bezüglich des ersten Buches inzwischen weit heruntergeschraubt. Gerade bei den pubertierenden Jungs muss auch schon mal Blut spritzen, damit das Buch interessiert. Die Erfahrung zeigt aber, dass es egal ist, was gelesen wird - Hauptsache, der Knoten platzt!
Warum kann die Schule in dieser Hinsicht nicht mehr leisten?
Dass Kinder Bücher lieben lernen, war traditionell Elternsache. Die Schulen waren deshalb nicht darauf vorbereitet, diese Aufgabe übernehmen zu müssen. Wir können aber nicht darauf warten, bis diese Lücke geschlossen wird. Wir müssen jetzt aktiv werden!
Wie gut das funktionieren kann, das zeigt Ihr Verein. Aber wie geht es Ihren Leselernhelfern mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit?
Natürlich besteht immer die Gefahr, als nützlicher Idiot zu erscheinen, wenn man unbezahlt eine Menge Arbeit investiert. Aber unsere typische Mentorin - 85 Prozent sind Frauen - macht mit jedem Kind die Erfahrung: Ich habe diesem Jungen oder diesem Mädchen die Lebensweichen besser gestellt. Und das ist ein wirklich gutes Gefühl!
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Lebensweichen verbessern - das klingt nach großen Veränderungen. Was erreichen Sie zum Beispiel?
Mein jüngster persönlicher Erfolg ist Florim, der nach den Sommerferien von der Förderschule auf die gemischte Haupt- und Realschule wechseln wird. Als er zu mir kam, sagte er in der Schule nicht mehr als "Ja" und "Nein" und galt als hoffnungsloser Fall. Es hatte niemand bemerkt, dass er kaum Deutsch versteht. Jetzt kann er es und kann deshalb auch in der Schule zeigen, was er drauf hat. Und Vanessa steuert inzwischen auf das Abitur zu. Die stille Hauptschülerin ist zur selbstbewussten und fleißigen Oberstufenschülerin geworden.
Linktipp
"Mentor - Die Leselernhelfer" ist die perfekte Anlaufstelle für alle, die Hilfe beim Lesen lernen suchen oder anbieten wollen: www.mentor-leselernhelfer.de.