Artikelinhalt
- Kurz und knapp: Die 5 häufigsten Fragen zu Alkohol in der Schwangerschaft
- Warum Alkohol in der Schwangerschaft so sehr schadet
- Worin sich alkoholgeschädigte Babys von gesunden unterscheiden
- Fatale Auswirkungen: Die Fetale Alkoholspektrumstörung (FASD)
- So kann sich eine FASD im Alltag auswirken
- Hilfsangebote für Schwangere
Ein Schlückchen wird schon nicht so schlimm sein – doch, das ist es! Jeder Drink schadet. Fachleute schätzen, dass pro Jahr etwa 10.000 Kinder mit sogenannten Fetalen Alkoholspektrum-Störungen (FASD) geboren werden. Das sind unheilbare Erkrankungen, die Betroffene lebenslang einschränken – und die zu 100 Prozent vermeidbar sind. Beim Thema Alkohol in der Schwangerschaft gibt es daher nur eine ganz einfache Ansage: Tu es nicht!
Kurz und knapp: Die 5 häufigsten Fragen zu Alkohol in der Schwangerschaft
- "Bevor ich wusste, dass ich schwanger bin, habe ich noch Alkohol getrunken. Muss ich mir jetzt Sorgen machen?" In den ersten beiden Wochen nach der Zeugung gilt das "Alles-oder-Nichts-Prinzip": Entweder entwickelt sich der Embryo normal oder gar nicht. Ab der 3. Schwangerschaftswoche verursacht der Alkohol dann Missbildungen und Fehlfunktionen (siehe unten).
- "Schadet auch ein Glas Wein oder nur der Vollsuff?" Es gibt keine gesicherten Daten über eine noch tolerierte Schwellendosis, ab der die Schädigung des Ungeborenen eintritt. Ab und zu ein Gläschen kann ebenso unwiderrufliche Folgen haben wie gelegentliche oder gar regelmäßige Exzesse. Deshalb raten Fachleuten eindringlich, während der gesamten Schwangerschaft und auch in der Stillzeit komplett auf den Alkoholkonsum zu verzichten.
- "Was ist, wenn der Vater bei der Zeugung betrunken war?" Das Risiko einer Fehlgeburt scheint erhöht, wenn der Mann oder die Frau zum Zeitpunkt der Zeugung stark betrunken waren. Oftmals kommt es dann zu einem unbemerkten Abgang. Paare, die sich ein Kind wünschen, gehen das Vorhaben also besser nüchtern an.
- "Kann ich mich auf die Bezeichnung 'alkoholfrei' verlassen?" Auch alkoholfreie Getränke wie Bier oder Sekt enthalten häufig einen kleinen Anteil Restalkohol. Um ganz sicher zu gehen, greifen Schwangere zu Flaschen, die ausdrücklich 0,0 Prozent Alkohol ausweisen. Der Restalkohol, der aufgrund von Gärprozessen in Apfelsaft, Bananen oder Brot enthalten ist, gilt dagegen als unbedenklich.
- "In manche Gerichte gehört ja ein Schuss Wein oder Schnaps. Verkocht der Alkohol beim Zubereiten?" Nur wenn die Speisen über mehrere Stunden vor sich hinköcheln, verflüchtigt sich der Alkohol. Meist bleibt er also erhalten. Vorsicht: Auch in Süßspeisen, Pralinen oder Torten ist häufig Alkohol enthalten. Diese sollten daher lieber erst nach der Schwangerschaft und Stillzeit wieder genossen werden.
Warum Alkohol in der Schwangerschaft so sehr schadet
Die Plazenta schirmt das Baby vor schädlichen Stoffen, die im mütterlichen Blutkreislauf kursieren, normalerweise gut ab. Alkoholmoleküle können die Plazenta allerdings ungehindert passieren. Deshalb trinkt das Ungeborene jeden Drink mit. Innerhalb nur weniger Minuten hat das über die Nabelschnur mit der Mutter verbundene Kind daher die gleiche Alkoholkonzentration im Blut wie sie. Allerdings dauert es bei dem Ungeborenen um das Zehnfache länger, bis der Alkohol sich wieder abgebaut hat. Denn das Organ, das für die Entgiftung zuständig ist, die Leber, muss erst noch ausreifen. Also zirkuliert das Zellgift – nichts anderes ist Alkohol – wesentlich länger im Organismus des Kindes. Und hat dort jede Menge Zeit, Schaden anzurichten.
Alkohol ist ein sogenanntes Mitosegift, das heißt, der Stoff stört die Zellteilung – extrem ungünstig in einer Schwangerschaft. Zudem beeinträchtigt Alkohol die Organbildung und wirkt neurotoxisch (schädigt das Nervensystem). Unumkehrbare körperliche und geistige Entwicklungsstörungen sind daher die Folge.
Chronischer Alkoholkonsum verhindert zudem, dass Vitamine und Mineralstoffe aus der Nahrung ausreichend im Körper der Mutter aufgenommen werden. Über die Nabelschnur als Verbindung beeinflusst das auch die Gesundheit des Babys. So beeinträchtigt zum Beispiel ein Vitamin A-Mangel das Sehvermögen des Kindes, fehlt Vitamin B12, kann es zu Blutarmut kommen, bei zu wenig Vitamin C im Organismus droht später eine höhere Infektanfälligkeit und nimmt der Körper nicht ausreichend Folat auf, kann das zum offenen Rücken (Spina bifida) führen.
Das Risiko besteht in jeder Phase der Schwangerschaft. In allen Entwicklungsphasen kann die Gesundheit von Embryo und Fötus durch Alkoholeffekte beeinträchtigt werden. In der Frühphase bewirkt der Alkoholkonsum vornehmlich schwere körperliche Schäden, später verursacht er eher Wachstums- und geistige Entwicklungsstörungen, die es erschweren, die üblichen Alltagskompetenzen auszubilden. Ein Schicksal, das sich vermeiden lässt, indem Schwangere konsequent auf Alkohol in der Schwangerschaft und in der Stillzeit verzichten.
Schwangerschaftsphase | Alkoholeffekte |
Die ersten 2 Wochen nach der Empfängnis | In der Zeit, in der die meisten Frauen noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind, gilt das "Alles-oder-Nichts"-Prinzip: Entweder entwickelt sich der Embryo weiter, oder aber die Schwangerschaft endet frühzeitig und die Regelblutung setzt ein. |
3.–10. SSW | Weil der Alkohol die Zellteilung negativ beeinflusst, und jetzt die meisten Organe angelegt werden, ist die Gefahr von körperlichen Missbildungen des Embryos besonders groß, vor allem im Bereich des Gehirns. |
11.–27. SSW | In dieser Phase kann es zu Wachstumsstörungen kommen, außerdem ist das Risiko einer Fehlgeburt erhöht. |
3. Trimester | Jetzt machen Gehirn und Körper einen besonders großen Wachstumsschub, doch der Alkoholkonsum funkt dazwischen. Es kann zu Entwicklungsstörungen kommen, die Nervenzellen im Gehirn vernetzen sich nicht richtig, sterben teilweise ab. |
Es existieren keine gesicherten Daten darüber, welche Alkoholmenge in welchem Stadium der Schwangerschaft wie sehr schaden kann. Es steht jedoch fest, dass nicht nur regelmäßiges Trinken sondern auch schon ein einzelner Rausch die Gesundheit des ungeborenen Kindes gefährden kann. Nur null Promille bedeuten null Risiko!
Worin sich alkoholgeschädigte Babys von gesunden unterscheiden
Nicht alle Auswirkungen und Alkoholschäden sind auf den ersten Blick zu erkennen. Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten zeigen sich oft erst im Laufe der Zeit. Neugeborene mit alkoholbedingter Störung fallen rein optisch durch folgende Merkmale auf:
- Sie sind klein und untergewichtig.
- Weil ihr Gehirn meist weniger Volumen aufweist, haben sie meist auch einen kleineren Kopf.
- Die Lidspalte (Abstand zwischen Ober- und Unterlid) ist verkürzt.
- Ihre Oberlippe ist sehr schmal, die senkrechte Einbuchtung zwischen Nase und Oberlippe (Philtrum) ist flach und wenig ausgeprägt.
Fatale Auswirkungen: Die Fetale Alkoholspektrumstörung (FASD)
Die körperlichen und geistigen Schädigungen des Kindes, die Alkoholkonsum während der Schwangerschaft verursacht, sind laut zahlreichen Langzeitstudien erheblich und unumkehrbar. Sie bestehen zeitlebens. Der Oberbegriff lautet FASD (fetal alcohol spectrum disorders).
Alkoholbedingte Störungen sind die häufigste nichtgenetische Ursache für geistige Behinderungen. Meist sind Betroffene, die neben einer Intelligenzminderung auch Verhaltensauffälligkeiten zeigen, nicht in der Lage, ein selbstständiges Leben zu führen. Zudem entwickeln bis zu 40 Prozent später selbst eine Alkoholabhängigkeit.
Die Alkoholschäden treten in verschieden starken Ausprägungen auf:
- Das Vollbild der Störung mit besonders stark ausgeprägten Defiziten nennt sich Fetales Alkoholsyndrom (FAS) oder auch Alkoholembryopathie (AE). Etwa 3.000 Babys kommen jährlich damit auf die Welt. Sie sind oft besonders reizbar und unruhig, weisen Herzfehler, Nierenschäden und einen mangelnden Saugreflex auf. Was die geistige Entwicklung angeht, zeigen sie später Lernschwierigkeiten, Konzentrationsschwäche und insgesamt eine verringerte Intelligenz. Häufig treten ADHS-ähnliche Symptome auf. Im Jugendalter kommen aggressive oder depressive Verhaltensmuster hinzu. Auffällig ist, dass Betroffene die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung kaum erfassen können.
- Das partielle Fetale Alkoholsyndrom (pFAS) ist keinesfalls nur eine abgeschwächte Form der Akoholembryopathie. Die Babys sind kleiner und leichter, darüber hinaus fehlen aber die körperlichen Merkmale. Auf kognitiver Ebene sind die Kinder jedoch ebenso beeinträchtigt wie beim FAS.
- Bei der alkoholbedingten neurologischen Entwicklungsstörung (ARND) beschränken sich die Schädigungen auf das zentrale Nervensystem und Fehlbildungen im Gehirn. Das hat Auswirkungen unter anderem auf das Gehör und die Sprache, die Feinmotorik und die Impulskontrolle.
So kann sich eine FASD im Alltag auswirken
Ein Baby mit FASD hat häufig Saug- und Schluckprobleme. Es nimmt daher nur schwer an Gewicht zu. Auch später bleibt das Essen ein Problem, so kann es bei Fünfjährigen zum Beispiel bis zu eine Stunde dauern, bis sie eine Banane gegessen haben.
Ein Kind mit FASD kann an manchen Tagen die Schuhe oder die Jacke selbst schließen, an anderen Tagen will es einfach nicht klappen, was zu Frustration und Wutanfällen führen kann. Auch einfache Aufträge, wie etwa das Licht vor der Haustür anzuschalten, stellt es vor Probleme, wie es in einer Broschüre der Drogenbeauftragen der Bundesregierung beschrieben wird: "Geht es zum Hauseingang, kann es sich jedoch nicht mehr an den Grund für sein Kommen erinnern, oder es geht in einen anderen Raum und macht dort das Licht an. Andererseits hätte das Kind den Auftrag aber wörtlich korrekt wiedergeben können."
Später stellen auch im Jugend- und Erwachsenenalter alltägliche Routinen, wie etwa der Weg nach Hause oder die Körperpflege ein Problem dar. Die Betroffenen vertauschen dann die Reihenfolge und ziehen sich noch nass und einshampooniert wieder an, was beim Umfeld zu Unverständnis und Ablehnung führt. Die meisten Betroffenen sind grundsätzlich nicht in der Lage, ein eigenverantwortliches Leben zu führen oder einen Beruf auszuüben und benötigen dauerhaft psychosoziale Betreuung.
Bleibt eine frühzeitige Diagnose der Alkoholschädigungen aus und wird das Umfeld dementsprechend nicht an die besonderen Bedürfnisse der FASD-Betroffenen angepasst, kommt es bei ihnen zu dauerhafter Anspannung und Überforderung. Das äußert sich darin, dass sie zusätzlich psychische Störungen wie Depressionen, Angst- und Suchterkrankungen entwickeln. Auch eine Neigung zu straffälligem Verhalten lässt sich belegen.
Hilfsangebote für Schwangere
In unserer Gesellschaft findet Vieles wie selbstverständlich mit alkoholischer Begleitung statt – ein festliches Essen, ein geselliger Abend unter Freunden, ein Umtrunk im Job. Wer Bescheid weiß, was Alkohol beim Ungeborenen anrichten kann, verzichtet sicher leichter für ein paar Monate auf diese Art von Genuss und Teilhabe. Frauen, denen es aber schwerfällt, auf den gewohnten Drink zu verzichten, können sich dabei helfen lassen.
- Erste Ansprechpartnerin kann immer die Hebamme oder die Frauenärztin sein.
- Im Online-Programm IRIS (www.iris-plattform.de) begleiten geschulte Therapeut:innen anonym und kostenlos Schwangere, die ihren Alkoholkonsum alleine nicht stoppen können. IRIS steht für „Individualisierte, risikoadaptierte, internetbasierte Intervention zur Verringerung des Alkohol- und Tabakkonsums bei Schwangeren“.
- Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet über ihre Webseite www.kenn-dein-limit.de Beratungsmöglichkeiten und vielseitiges Infomaterial zum Download an.
Und auch das Umfeld kann helfen, wenn nämlich der Partner oder die Partnerin, vielleicht sogar alle Anwesenden, einfach solidarisch 0,0 Prozent trinken. Gemeinsam klappt es leichter und schaden kann es auf keinen Fall. Zum Wohl!
Quellen:
- Ärzteblatt.de: Fetale Alkohol-Spektrum-Störungen. Persistierende Folgen im Erwachsenenalter, zuletzt aufgerufen am 14.11.22
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Alkohol in der Schwangerschaft, zuletzt aufgerufen am 14.11.22
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.: Kein Alkohol in der Schwangerschaft, zuletzt aufgerufen am 14.11.22
- Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Die Fetale Alkoholspektrumstörung, Broschüre zum kostenlosen Download, zuletzt abgerufen am 14.11.22
- Familienplanung.de: Alkohol und Schwangerschaft, zuletzt aufgerufen am 14.11.22
- Kinder- und Jugendärzte im Netz: Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD), zuletzt aufgerufen am 14.11.22
- Moder, Ordenewitz, Schlüter et. al., Fetale Alkoholspektrumstörungen – Diagnose, Prognose und Prävention, Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz, 2021; zuletzt aufgerufen am 14.11.22