Als du von deiner Schwangerschaft erfahren hast, war die Freude zunächst sicher immens: ein Baby, wie großartig! Doch je näher der errechnete Geburtstermin rückt, desto öfter schleichen sich vielleicht kleine, bohrende Gedanken in deinen Kopf. Du hättest zum Beispiel ja nichts dagegen, wenn das Baby vom Paketboten gebracht würde. So ließe sich wenigstens die Geburt umgehen!
Dass einem das bevorstehende Ereignis womöglich Angst macht, ist völlig verständlich: Kaum ein anderes Ereignis im Leben ist so individuell und so unvorhersehbar. Wegen der vielen Unbekannten reagiert der Mensch mit einem Schutzmechanismus: Die Alarmglocken schrillen, damit wir besonders vorsichtig und wachsam sind. Doof nur, dass dieser Zustand für eine Geburt alles andere als hilfreich ist, denn damit sie möglichst reibungslos abläuft, sind Entspannung, Loslassen und Vertrauen in den eigenen Körper gefragt.
Zum Glück können wir der Natur ein Schnippchen schlagen. Wie das gehen kann, erklären die beiden Hypnobirthing-Expertinnen Katrin Michel und Inken Arntzen. Sie betreiben in Hamburg unter anderem die Praxis "Gebärmütter“ für Geburtsvorbereitung und Mamasein (gebaermuetter.de).
1 – Lasse deine Gefühle zu
Erlaube dir, deine Angst, deine Sorge oder dein Unbehagen zu spüren. "Viele Frauen drücken das weg, weil es sich so unangenehm anfühlt“, sagt Katrin Michel. "Doch es ist ganz wichtig, diese Dinge wahrzunehmen und zu analysieren: Woher kommt die Angst? Was genau ist für mich der springende Punkt?“ Vielleicht sind es Horrorgeschichten, die in der Familie kursieren oder die man irgendwo aufgeschnappt hat. Auch typische Hollywood-Szenen können nachhaltig beeinflussen. "Wenn du diese Angst annimmst und akzeptierst, ist das der erste Schritt, um sie loslassen zu können.“ Setze dann an die Stelle, die dich so nervös macht, etwas Positives. Du kannst dich etwa mit ausschließlich schönen Geburtsgeschichten beschäftigen. Durch Recherche herausfinden, welche Mittel und Methoden gegen Schmerzen es gibt. Oder dein Unterbewusstsein mit Mut machenden Affirmationen stärken (siehe Punkt 6).
2 – Entwickle einen Safe Space
Schaffe dir geistig einen sicheren Ort, den du auch während der Geburt in Gedanken mühelos immer wieder betreten kannst. "Dadurch kannst du ein tiefes Erdungsgefühl abrufen, egal, was rundherum gerade geschieht“, erklärt Inken Arntzen. Etwa wenn du den Ort wechseln musst, von außen gestört wirst oder wenn eine überraschende Wendung eintritt. "Das funktioniert, weil wir in Bildern denken und träumen. Das Unterbewusstsein ist diese Art der Sprache also gewohnt und reagiert sofort darauf.“ Zieh dich dafür schon während der Schwangerschaft regelmäßig in diesen heimeligen Raum zurück und stelle ihn dir in allen Details vor: Wie sieht er in jeder Ecke aus, wie riecht er, wo ist dein Lieblingsplatz, was machst du dort? Setze dazu einen Erinnerungsanker, indem du währenddessen beispielsweise den Handballen massierst oder, noch besser, an einem Duft riechst. "Der Geruchssinn ist während der Geburt enorm aktiv“, sagt die Expertin. "Wenn du den Duft immer wieder mit deiner Visualisierung koppelst, reicht er bald allein aus, um sofort ein Gefühl des Wohlfühlens und der Entspannung zu spüren. Das hilft, die Kontrolle abzugeben, loszulassen, zu vertrauen.“ Und wer vertraut, kann keine Angst empfinden.
Musst du wissen!
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3 – Verbinde dich mit deinem Kind
Erzähle deinem ungeborenen Baby, was dich beschäftigt. Stell dir dabei vor, wie es geschützt in der Gebärmutter liegt, reise in Gedanken zu ihm, schau zu, kuschle mit ihm und stell dir einen Faden zwischen seinem und deinem Herzen vor, in dem ganz viel Liebe hin und her fließt. "Für viele Frauen ist das erst mal befremdlich“, weiß Katrin Michel. "Aber mit dem Kind zu kommunizieren, ihm Vertrauen schenken, ihm zu signalisieren: 'Du bist nicht alleine‘ – das prägt bereits jetzt das Urvertrauen.“ Oft reagiert das Baby durch Bewegung darauf. "So entsteht eine unglaubliche Bindung, durch die du auch angstfreier in die Geburt gehst.“
Du kannst das!
Frauenkörper sind ein Wunderwerk und dafür gemacht, ein Kind auf die Welt zu bringen. Die drei wichtigsten Facts für mehr Vertrauen:
• Dein Körper weiß genau, wie der fein aufeinander abgestimmte Prozess zu laufen hat, damit er die Geburt gut meistert. Treibende Kraft ist deine Gebärmutter, der größte Muskel deines Körpers. Sie unterstützt dich dabei, euer Baby auf die Welt zu schieben – mit der imposanten Power der Kontraktionen.
• Dein Körper schüttet viele sehr effektive Hormone aus, darunter Oxytocin für deine Kontraktionen, Prostaglandine zur Öffnung deines Muttermunds, Endorphine gegen deine Schmerzen und für mehr Zuversicht sowie Adrenalin für Kraft und Konzentration.
• Becken, Steißbein, Vagina und Muttermund werden durch die Geburtshormone weit und weich. Das schafft so viel Platz, dass dein Baby wirklich durch dich durchpasst!
4 – Lass. Los.
Deine Angst führt oft zu angespannten Muskeln. Was dann hilft: "Ganz feste Fäuste machen und zehn oder mehr Sekunden richtig, richtig fest drücken. Das kanalisiert die Anspannung“, sagt Katrin Michel. "Dann lässt du los – und kannst damit oft auch die Anspannung aus einem anderen Körperteil abschütteln.“ Man muss das zwar etwas üben, um die Reaktion des Körpers wirklich wahrzunehmen. "Aber wenn du erkennst, dass es funktioniert, kannst du es auch während der Geburt ohne Nachdenken abrufen.“ Alternativ könntest du auch tanzen oder einfach Arme, Nacken, Beine ausschütteln. "Das ist ein neurologisches Tool, das dich total einfach von Angst befreit. Selbst wenn du gerade eine PDA hast, kannst du die Arme schütteln. Das bringt auch schon was“, sagt Inken Arntzen. Lachen wirkt ähnlich, etwa wenn du in den (anfangs noch langen) Kontraktions-Pausen Stand-up-Comedy streamst oder einen lustigen Podcast hörst.
Bestens vorbereitet
Wenn du mit einem noch besseren Gefühl in den Kreißsaal willst: Unsere Autorin Susanne Pahler hat dazu ein lesenswertes Buch geschrieben – den ELTERN-Ratgeber "Dein Weg zur selbstbestimmten Geburt“ im Verlag Dorling Kindersley, 16,95 Euro.
5 – Lerne, dich zu entspannen
Bezieh deinen Partner oder deine Partnerin ein, etwa für eine Handmassage, bei der er oder sie die Finger ausstreicht und von innen und außen an ihnen entlangfährt. "Konzentriere dich auf diese kleinen Bewegungen und lass dich fallen. So kann sich die Entspannung auf den ganzen Körper ausbreiten“, sagt Inken Arntzen. Auch die sogenannte "Light-Touch-Massage“ ist top: Dabei malt er oder sie mit der Rückseite der Fingerspitzen eine Art Springbrunnen auf deinen Rücken, vom unteren Rücken bis zu den Schulterblättern und an den Seiten zurück. Der Gänsehautmodus lässt die Endorphine sprudeln, was die Angst lindert, aber auch – sogar intensiver als Medikamente – gegen Schmerzen wirken kann. Ebenfalls sehr förderlich: den Kiefer entspannen, der eine direkte Verbindung zum Beckenboden hat und die Muskulatur entsprechend lockerer und durchgängiger macht. "Vereinbart am besten eine Geste, die dich immer wieder an den Kiefer erinnert, etwa indem der Partner, deine Partnerin leicht darüberstreicht oder sanft deine Schulter berührt, denn ein lockerer Kiefer ist sehr effektiv.“
6 – Verwandle dein Mindset
Ermutigende Sätzen, sogenannte Affirmationen, ersetzen Sorgen und Ängste durch neue, hilfreiche Gedanken. "Allein durch schlichte Wiederholung setzt du im Gehirn positive Erwartungen, auf die es entsprechend zustimmend reagiert“, sagt Katrin Michel und nennt auch ein paar Beispiele: "Ich bin als Frau dazu gemacht, mein Kind aus eigener Kraft zu gebären“, "Ich vertraue mir und der Natur und lasse alle Ängste los“ oder "Die Geburt meines Kindes wird einfach und sanft sein“. Such dir im Netz die Sätze heraus, die dich am meisten ansprechen oder berühren; du kannst dir auch selbst solche Affirmationen überlegen, in der Gegenwart und als Tatsache formuliert. Sprich diejenigen, die dich am meisten packen, aufs Handy und hör sie dir in den letzten sechs Wochen möglichst jeden Tag an, damit sie richtig gut in deinem Unterbewusstsein andocken. Dazu: Die Sätze auf Kärtchen schreiben und sichtbar in der Wohnung aufhängen. Ein Wirkverstärker ist, wie auch bei der Visualisierung unter Punkt 2, ein Duft- oder Berührungsanker. "Während der Geburt solltest du dann je nach Situation entscheiden, was passt – und nur einen Satz rezitieren, damit das Gehirn im Flow bleiben kann“, rät Katrin Michel.
7 – Sorgen um die Sorgen
Wenn Ängste körperliche Beschwerden wie Schlafprobleme oder Antriebslosigkeit verursachen oder du dich gar nicht auf das Baby freuen kannst, solltest du das mit deiner Gynäkologin oder dem Gynäkologen, deiner Vorsorge-Hebamme oder der Leiterin deines Geburtsvorbereitungskurses besprechen. Selten ist es nicht: In westlichen Staaten haben zwischen 7 und 16 Prozent der Frauen starke Geburtsangst, auch Tokophobie genannt.
Einatmen, ausatmen
Im Stress atmet man zu schnell oder hyperventiliert sogar. "Dann funktioniert die Geburt aber nicht mehr gut“, sagt Inken Arntzen. "Fahre dich deshalb immer wieder runter, indem du lange ausatmest. Damit signalisierst du deinem System, dass alles in Ordnung ist.“ Was es dazu braucht, ist ein bisschen Übung gegen Ende der Schwangerschaft, damit sich der Körper an die bewusste Atmung gewöhnt und du sie während der Geburt ohne viel Nachdenken abrufen kannst. Hol auch hier deinen Partner oder deine Partnerin mit ins Boot: "Wenn dich jemand von außen darauf hinweist oder sogar mitmacht, kann das sehr wirkungsvoll sein.“
8 – Vertraue deinem Team
Viele Schwangere sorgen sich, dass ihnen in der Klinik etwas Ungewolltes aufgezwungen wird. "Dadurch kommt man aber in einen Ablehnmodus und ist vor allem damit beschäftigt, sich abzugrenzen, wo man sich eigentlich fallenlassen sollte“, sagt Inken Arntzen. "Mache dir deshalb klar: Diese Menschen, die Hebamme, die Ärzte und Ärztinnen, dein Partner oder deine Partnerin – sie sind alle für dich da." Wichtig ist nur, von Anfang an offen zu kommunizieren: "Trau dich zu sagen, wenn dir ein Satz, eine Art, eine Person nicht guttut. Auch wenn du Angst oder Panik hast: Sag es dem Team! Diese Scheu zu verlieren, ist unglaublich wichtig. Du darfst dich mitteilen, es ist deine Geburt, du musst dich nicht zurückhalten und brav sein. Dazu kommt, dass deine Sorge schon alleine durchs Ansprechen an Macht verliert.“ Übrigens sind auch dein Körper und dein Baby ein Mini-Team, das nur für dich arbeitet. "Du bist also nie alleine“, sagt Inken Arntzen. Und je stärker deine Bindung zu deinem bald geborenen Baby ist (siehe Punkt 3), desto stärker kannst du diesem Mini-Team vertrauen – und desto weniger Angst wirst du haben.
Tipp: Mehr Tipps bei Angst vor der Geburt bekommst du hier.