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Für ungeborene Babys können verschiedene Virusinfektionen in der Schwangerschaft gefährlich werden, etwa Röteln, Influenza und Zytomegalie. Das weiß die medizinische Forschung schon lange. Aber wie sieht es mit dem Sars-CoV-2-Virus aus? Das ist offenbar auch in der Schwangerschaft für Überraschungen gut. Bisher nahm man an, dass das Virus den Ungeborenen eher indirekt schaden kann, etwa, indem es die Funktion der Plazenta stört. Aber es kann wohl auch die Gesundheit der Babys direkt angreifen.
Das legt jedenfalls die Studie einer Forschungsgruppe um Prof. Dr. Sophia Stöcklein von der Klinik und Poliklinik für Radiologie des LMU Klinikums und Privat-Dozentin Dr. Anne Hilgendorff vom Zentrum für Comprehensive Developmental Care des LMU Klinikums und von Helmholtz Munich nahe.
Studie mit 34 Schwangeren
Für diese Studie wurden insgesamt 34 schwangere Frauen und ihre ungeborenen Babys untersucht. Zuerst wurde mit PCR-Tests bestätigt, dass die Schwangeren sich mit der Alpha-Variante des SARS-CoV-2-Erregers infiziert hatten. Sie alle hatten einen unkomplizierten Krankheitsverlauf, waren also nicht schwer an Covid-19 erkrankt. (Zur Zeit dieser Untersuchung gab es noch keine Impfung.)
Danach wurden die Ungeborenen mithilfe von fetaler MRT untersucht. Diese Untersuchungsmethode ist ein hochspezialisiertes Verfahren, das es ermöglicht, die Entwicklung der Organe bereits vor Geburt detailliert zu untersuchen.
Infizierte Babys hatte nur zwei Drittel des gesunden Lungenvolumens
Besondere Aufmerksamkeit lenkten die Forscher:innen auf das Lungenvolumen der Babys. Dabei stellten sie fest, dass die Babys der infizierten Mütter ein deutlich geringeres Lungenvolumen hatten als Ungeborene, deren Mütter kein Covid-19 durchgemacht hatten. Besonders deutlich war der Unterschied, wenn die Infektion im letzten Drittel der Schwangerschaft stattgefunden hatte. In diesen Fällen lag das durchschnittliche Lungenvolumen bei nur 69 Prozent, also gut zwei Drittel des Durchschnittswerts bei normaler Lungenentwicklung.
Noch ist unklar, welche Folgen dieses Phänomen auf Dauer für die betroffenen Kinder hat. Nach der Geburt brauchten sie jedenfalls keine Unterstützung bei der Atmung.
Eine mögliche Erklärung für diese Entwicklung: Die Sars-CoV-2-Viren könnten über die Plazenta in das Fruchtwasser gelangt sein und von dort in die Lunge des Ungeborenen. „Dabei ist das dritte Trimenon in der Lungenentwicklung besonders durch die Reifung wichtiger Zellen an der Gasaustauschfläche gekennzeichnet“, erklärt Dr. Anne Hilgendorff, „sodass ein Kontakt dieser Zellen mit dem Virus eine Veränderung der Lungenentwicklung bedingen könnte.“
„Unsere Studienergebnisse könnten als ein weiterer Faktor gesehen werden, der die Impfempfehlung für Schwangere bekräftigt“, so die Forscher:innen.
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Originalstudie:
Sophia Stoecklein et al: Fetal MRI demonstrates impaired fetal lung growth in otherwise healthy SARS-CoV-2 infected pregnancies. In: The Lancet Respiratory Medicine, 16.3.2022