Artikelinhalt
Dieser Moment, wenn der Schwangerschaftstest ein positives Ergebnis zeigt, ändert alles. Ich bin schwanger! Wir bekommen ein Kind! Auch, wenn die befruchtete Eizelle noch kaum mit bloßem Auge zu erkennen ist und es noch ein paar Tage dauert, bis das winzige Herzchen zu schlagen beginnt: Für seine Eltern ist das Baby, das da gerade entsteht, schon ganz real – die Liebe beginnt. Und in den meisten Fällen wächst aus dieser befruchteten Eizelle ja auch ein gesundes Baby heran. Bei vielen Paaren aber ist die Freude doch noch etwas gedämpft. Schließlich ist doch das Risiko, eine Fehlgeburt zu erleiden, in den ersten zwölf Wochen ziemlich hoch, oder?
Die Antwort lautet: ja und nein! Ja, die allermeisten Fehlgeburten ereignen sich in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft. Und ja, gerade in dieser Zeit sind Fehlgeburten nicht selten. Aber: Das individuelle Fehlgeburts-Risiko hängt von vielen Faktoren ab – es sind also nicht alle Frauen gleichermaßen betroffen. Hier erfährst du mehr über die Details.
Was genau ist eigentlich eine Fehlgeburt?
Rechtlich betrachtet liegt eine Fehlgeburt vor, wenn
- außerhalb des Mutterleibs keine Lebensmerkmale erkennbar sind,
- die Geburt vor der 24. SSW erfolgt ist,
- das Geburtsgewicht unter 500 Gramm liegt.
Eine Fehlgeburt bedeutet also, dass eine Schwangerschaft so früh zu Ende geht, dass das Kind nicht lebensfähig geboren wird. Mit dem medizinischen Fortschritt kommt es mittlerweile aber auch vor, dass extrem früh geborene Babys überleben können.
Die allermeisten Fehlgeburten (auch Abort genannt) ereignen sich in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft, dann spricht man von einem „Frühabort“. Passiert die Fehlgeburt später, wird von einem „Spätabort“gesprochen.
Was ist der Unterschied zwischen einer Fehlgeburt und einer Missed Abortion?
Bei einer Fehlgeburt kommt es – wie die Bezeichnung schon sagt – zu einer Geburt. Das heißt: Der Fötus oder Embryo wird mitsamt aller Gewebereste aus der Gebärmutterhöhle gestoßen. Die Fehlgeburt ist in der Regel von krampfartigen Schmerzen und Blutungen begleitet oder kann – bei einem Frühabort – von den Schwangeren auch als Periode wahrgenommen werden.
Bei einer Missed Abortion bleiben Blutungen, Schmerzen und Abgang des Embryos bzw. Fötus aus – er verbleit in der Gebärmutterhöhle. Oft wird erst bei der nächsten Ultraschalluntersuchung von Arzt oder Ärztin festgestellt, dass sich kein Herzschlag mehr finden lässt. In der Regel kommt es dann zu einer Ausschabung (Kürettage): Das bedeutet, Embryo/Fötus und Gewebereste werden operativ aus der Gebärmutterhöhle entfernt. Verbleibt der abgestorbene Fetus in der Gebärmutter, kann dies Infektionen der Mutter führen.
Lese-Tipp: Hier erfährst du mehr über Ursachen, Symptome und Behandlung einer Missed Abortion.
Was sind die häufigsten Ursachen für Fehlgeburten?
Längst nicht immer lässt sich erklären, warum eine Schwangerschaft vorzeitig zu Ende geht. In den meisten Fällen (bei mehr als 80 Prozent) sind aber genetische Auffälligkeiten die Ursache. "Die Frauen und Männer haben meist keine genetischen Krankheiten", stellt Dr. Ingeborg Reckel-Botzem, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Hainburg und stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte, Landesverband Hessen, klar. "Aber die Natur macht Fehler."
Zu den häufigsten Auslösern einer Fehlgeburt gehören daher:
- Fehlbildungen oder Chromosomenstörungen
- Fehlbildungen der Spermien
- Fehlbildungen der Plazenta
- Einnistung einer nicht befruchteten Eizelle
- Eine Blasenmole (früher auch als "Windei" bezeichnet): Das Ei wurde zwar befruchtet, doch es entwickelt sich kein Embryo
- Angeborene Fehlbildungen der Frau, etwa eine herzförmige Gebärmutter.
- Eine Gebärmutterhalsschwäche (Cervix Insuffizienz)
- Hormonelle Störungen
Wie groß ist das Fehlgeburtsrisiko generell?
Das kommt darauf an, was man als Fehlgeburt zählt. Die meisten Fehlgeburten passieren nämlich so früh, dass sie oft unbemerkt bleiben: Etwa die Hälfte der befruchteten Eizellen werden bereits vor ihrer Einnistung in der Gebärmutter abgestoßen. Das heißt: Ei- und Samenzelle haben sich zwar vereinigt und so die Keimzelle für einen neuen Menschen gebildet, diese Keimzelle hat sich aber nicht weiterentwickelt beziehungsweise hat sich nicht in der Schleimhaut der Gebärmutter eingenistet. In den ersten Tagen der Schwangerschaft greift nämlich das Alles-oder-nicht-Prinzip: Ist die befruchtete Eizelle beschädigt, wird sie direkt abgestoßen.
Die Blutung, die daraufhin etwa zur Zeit der Periode oder etwas später einsetzt, halten die betroffenen Frauen dann meist für ihre einsetzende Regel. Es sei denn, sie haben sehr früh zu verwendende Messmethoden eingesetzt. Etwa einen Urin- oder Bluttest auf das Schwangerschaftshormon β-hCG.
Diese ganz frühen Fehlgeburten werden bei wissenschaftlichen Untersuchungen zu Fehlgeburtsrisiken nicht mitgezählt. Ohne Alter, Vorerkrankungen, Rauchen und andere Risikofaktoren zu berücksichtigen, liegt das Risiko einer Fehlgeburt bei Frauen, deren Periode ausgeblieben war und bei denen ein positiver Schwangerschaftstest vorlag, bei zwölf bis 24 Prozent. Ist erst einmal der Herzschlag nachgewiesen, liegt das Risiko für eine Fehlgeburt noch bei zwölf bis 15 Prozent.
Gilt das generelle Fehlgeburts-Risiko für alle Frauen gleichermaßen?
Nein, das persönliche Risiko ist sogar sehr unterschiedlich.
Das sind die wichtigsten Risikofaktoren:
- Alter der Mutter
Die Eizellen einer Frau sind immer so alt wie sie selbst, genau genommen sogar etwas älter – denn sie werden schon im Mutterleib angelegt. Das Problem: Auch sie altern. Und je älter eine Eizelle ist, desto eher kann es passieren, dass die Erbanlagen des Embryos fehlerhaft sind und er sich nicht weiterentwickelt.
Diese Tabelle zeigt, wie das Fehlgeburtsrisiko mit dem Alter steigt:
Altersgruppe in Jahren | Risiko einer Fehlgeburt in % |
20 – 24 | 11 % |
25 – 29 | 12 % |
30 – 34 | 15 % |
35 – 39 | 25 % |
40 – 44 | 51 % |
ab 45 | über 70 % |
- Alter des Vaters
Die Samenzellen bilden sich im Gegensatz zu den Eizellen immer neu. Deshalb dachte man lange, dass das Alter des Vaters bei Fehlbildungen der Chromosomen keine Rolle spielt. Inzwischen ist die Forschung weiter: Mit dem Alter des Mannes erhöht sich das Risiko, dass die neu gebildeten Samenzellen fehlerhaft sind und sich die befruchtete Eizelle aus diesem Grund nicht weiterentwickeln kann. - Vorherige Fehlgeburten
Zieht eine Fehlgeburt automatisch die nächste nach sich? Diese Sorge beschäftigt Frauen nach einer Fehlgeburt, aber: Nein, so ist es nicht. Die meisten Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten hatten, bringen mit der nächsten Schwangerschaft ein gesundes Kind zur Welt. Das gilt auch noch nach zwei Fehlgeburten. In der Sprechstunde der Reproduktionsmedizin der Uniklinik Bonn heißt es deshalb: „Auch zwei aufeinanderfolgende Aborte sind medizinisch nicht auffällig, auch wenn es sich für die betroffenen Paare oft sehr belastend anfühlt.“ Allerdings steigt das Risiko dann schon etwas an.
Diese Tabelle zeigt, wie das Fehlgeburtsrisiko nach vorherigen Aborten steigt:
Fehlgeburtsrisiko nach einem Abort: | bis 21 % |
Fehlgeburtsrisiko nach zwei Aborten: | bis 29 % |
Fehlgeburtsrisiko nach drei Aborten: | bis 33 % |
Wichtig: Eine Fehlgeburt in der Vorgeschichte ist nicht direkt die Ursache für ein weiteres solches Ereignis. Aber wenn eine Frau mehrere Fehlgeburten erleidet, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass diese nicht durch zufällige kleine Fehler der Natur ausgelöst wurden, sondern durch andere Ursachen. Deshalb wird nach einer dritten Fehlgeburt gecheckt, welche anderen Ursachen dahinterstecken könnten. Zum Beispiel hormonelle Ursachen, Störungen des Gerinnungssystems oder immunologische Faktoren.
In welcher Schwangerschaftswoche ist das Risiko für eine Fehlgeburt am größten?
Wie vorher schon gesagt: Je früher in der Schwangerschaft, desto höher ist das Risiko einer Fehlgeburt. Passiert sie in der 4. oder 5. SSW, dann wird sie nur oft gar nicht bemerkt. In einer australischen Studie von 2008 an knapp 700 Frauen ohne besondere Risikofaktoren wurde das Fehlgeburts-Risiko pro SSW so angegeben (gemeint ist jeweils die vollendete SSW):
Man kann erkennen, dass das Risiko von Woche zu Woche sinkt, besonders deutlich ab der vollendeten 8. Schwangerschaftswoche. So ist auch verständlich, dass in vielen Frauenarztpraxen der Termin zum Feststellen der Schwangerschaft, bei dem auch der Mutterpass ausgestellt wird, erst ab der 8. SSW vereinbart wird. Und, so betont die Frauenärztin Dr. Reckel-Botzem:
Lese-Tipp: Wie kannst du dein persönliches Fehlgeburts-Risiko verringern? Kann man eine drohende Fehlgeburt noch abwenden? Und was sind die Symptome? Diese und noch mehr Fragen beantwortet dir unser Artikel zum Thema Fehlgeburt.
Quellen:
- Tong, S. et al: Miscarriage risk for asymptomatic women after a normal first-trimester prenatal visit. In: Obstretics and Gynaeology, 2008
- Universitätsklinikum Bonn: Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, “Wiederholte Fehlgeburten”, zuletzt aufgerufen am 12.04.2023.
- Homer, Hayden Anthony: Modern management of recurrent miscarriage. In: “The Australian and New Zealand Journal of Obstretics and Gynaeology, 2018, zuletzt aufgerufen am 12.04.2023.
- Nybo Andersen AM et al, BMJ, 2000, “Maternal Age and fetal loss: Population based Register linkage study”, zuletzt aufgerufen am 12.04.2023.
- Kleinhaus et al.: Paternal Age and Spontaneaus Abortion. In: Obstetrics & Gynecology 2006, zuletzt aufgerufen am 12.04.2023.
- AWMF Leitlinienprogramm: S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie von Frauen mit wiederholten Spontanaborten, zuletzt aufgerufen am 12.04.2023.
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Welche Regelungen gelten bei Fehlgeburt, Totgeburt oder Schwangerschaftsabbruch?, zuletzt aufgerufen am 12.04.2023.