Artikelinhalt
- Leichte Geburtsverletzungen: Hämatome und Überdehnungen
- Rissverletzungen: Dammriss und Co.
- Seltene Geburtsverletzungen: Uterusruptur und Scheidenabriss
- Längerfristige Verletzungen: Der Beckenboden
- Was erhöht das Risiko für Geburtsverletzungen?
- Kann man Geburtsverletzungen vorbeugen?
- Was fördert die Wundheilung?
Viele Frauen sorgen sich vor der Geburt vor dem berüchtigten Dammriss, doch es gibt noch weitaus mehr mögliche Geburtsverletzungen. Panik ist trotzdem nicht nötig – die große Mehrzahl der Verletzungen heilt schnell und hat keine weiteren Beeinträchtigungen zur Folge. Und es gibt sogar Maßnahmen, mit denen du bereits in der Schwangerschaft aktiv einer Geburtsverletzung vorbeugen kannst. Alles Wissenswerte erfährst du hier.
Leichte Geburtsverletzungen: Hämatome und Überdehnungen
Die meisten Verletzungen, die unter der Entbindung entstehen, sind leicht und heilen schnell. Zu ihnen gehören Blutergüsse und Überdehnungen.
Blutergüsse (Hämatome)
Während einer vaginalen Geburt können durch den Druck auf das Gewebe von Scheide, Schamlippen oder Damm kleine Einblutungen in den Unterhautschichten entstehen. Das Gewebe schwillt an und Blutergüsse (Hämatome) entstehen unter Haut. Diese blauen Flecke können in den ersten Tagen nach der Geburt beim Sitzen und Laufen schmerzen oder zu einem Druckgefühl in der Scheide führen. Die Hämatome heilen in der Regel nach wenigen Tagen von selbst ab und bedürfen keiner Behandlung. In seltenen Fällen – wenn das Hämatom sehr groß ist und sich nicht zurückbildet – wird es unter Vollnarkose entfernt. Die Beschwerden während des Heilungsverlaufs kannst du durch Kühlen lindern.
Tipp: Deponiere eine Binde für einige Zeit im Gefrierfach und lege sie dir dann in den Slip – so kannst du Schwellungen in deinem Intimbereich ganz unkompliziert kühlen.
Überdehnung
Der Beckenboden wird unter der Geburt stark beansprucht. Kommt es zu einer Überdehnung des Gewebes, kann im Wochenbett ein Gefühl von Druck nach unten oder Weichheit der Scheide entstehen. Auch eine vorübergehende Blasenschwäche ist möglich. In der Regel bessern sich die Beschwerden in den Monaten nach der Geburt von allein, ein Rückbildungskurs ist dennoch zu empfehlen. Und auch ein Muskelkater kann durch die Belastung der Beckenmuskulatur auftreten.
Ebenso kann es unter der Entbindung zu einer Überdehnung der Schambeinfuge (Symphyse) kommen: Diese Symphysendehnung bildet sich in der Regel von selbst zurück. Ein Riss in der Symphyse (Symphysenruptur) kommt hingegen sehr selten vor – hierbei reißt ein Teil des verbindenden Faserknorpels vom Schambeinknochen ab.
Rissverletzungen: Dammriss und Co.
Blutende Geburtsverletzungen mit Einrissen im Gewebe werden als Rissverletzungen bezeichnet. Sie können die Scheide, die Schamlippen, die Klitoris, den Gebärmutterhals oder den Damm betreffen. Es gibt leichte Rissverletzungen, die schnell und ohne große Behandlung heilen und schwerere Risse, die genäht werden müssen.
Scheidenriss
Im Geburtskanal der Scheide kann es durch die Geburt zu blutenden Rissen oder Abschürfungen – also äußeren Verletzungen des Gewebes – kommen. Die Risse können am Scheideneingang, aber auch weit oben im Inneren entstehen. Häufige Ursache für einen Scheidenriss ist eine Zangen- oder Saugglockengeburt, doch auch ohne geburtshilfliche Instrumente kann ein Scheidenriss auftreten. Hier erhöhen ein großer Kopf oder Lageanomalien des Kindes sowie zu starkes Pressen während der Geburt das Risiko für die Verletzung. In der Regel heilen Scheidenrisse sehr gut innerhalb von wenigen Tagen selbst ab, da sich das Scheidengewebe schnell regeneriert. Ist der Riss allerdings sehr groß oder liegt nahe der Gebärmutter, muss er genäht werden. Dies passiert bei Rissen am Scheideneingang meistens unter lokaler Betäubung, bei Scheidenrissen nahe der Gebärmutter hingegen in Vollnarkose. Scheidenrisse – genäht oder nicht – können in den ersten Tagen im Wochenbett zu brennenden Schmerzen beim Wasserlassen führen. Du möchtest mehr wissen? Hier findest du weiterführende Informationen zum Thema Scheidenriss.
Tipp: Stell dir einen Messbecher mit lauwarmem Wasser neben die Toilette und gieße ihn während des Wasserlassens über der Wunde oder der Naht aus. So kannst du das Brennen während des Heilungsverlaufes etwas lindern. Alternativ gibt es auch die tragbare Intim-Dusche von Happypo, die genau für solche Situationen erfunden wurde.
Schamlippenriss (Labienriss) und Klitorisriss
Neben dem Scheidengewebe können auch die kleinen Schamlippen und die Klitoris unter der Geburt einreißen. Häufig treten Schamlippenrisse (Labienrisse) und Scheidenrisse gemeinsam auf. Die Risse in den Schamlippen können vertikal und horizontal verlaufen und sind – aufgrund der vielen dort verlaufenden Nervenbahnen – oft sehr schmerzhaft. Doch auch hier ist die Heilungsprognose sehr gut: ein feiner Labienriss heilt meist schnell selbst ab, größere Risse in der Regel komplikationslos nach dem Nähen. Reicht der Riss bis zur Klitoris – was selten vorkommt – ist eine chirurgische Behandlung nötig. Schamlippen- und Klitorisrisse können, wie alle Rissverletzungen, zu Schmerzen während der Wundheilung führen – bei leichten Verletzungen verschwinden die Beschwerden aber meist nach wenigen Tagen. Hier erfahrt ihr mehr zum Thema Labienriss.
Riss im Gebärmutterhals (Zervixriss)
Eine seltene Rissverletzung unter der Geburt ist der Zervixriss: Hier entsteht bei etwa einer von zweihundert Geburten ein Riss im Gebärmutterhals. Ursächlich ist häufig ein zu frühes, aktives Pressen bei nicht komplett eröffnetem Muttermund. Risse im Gebärmutterhals bluten häufig stark und müssen genäht werden. Doch es gibt auch kleine Risse, die aufgrund der geringen Blutung unentdeckt bleiben können und von selbst heilen. Bleibt dabei ein Defekt zurück (Emmet-Riss), kann es zu vermehrtem Vaginalausfluss, eingeschränkter Fruchtbarkeit und Menstruationsbeschwerden kommen. Eine spätere operative Korrektur kann die Beschwerden hier häufig beheben.
Dammriss
Die wohl bekannteste Geburtsverletzung ist der Dammriss. Und viele Frauen fürchten sich davor – dabei sind schwerwiegende Dammrisse eher selten. Der Damm ist das verbindende Stück zwischen After und Scheide – und dieser Bereich ist während der Geburt äußerster Belastung ausgesetzt. Vor allem beim Austritt des kindlichen Kopfes ist das Dammgewebe bis zum Maximum – und darüber hinaus – gedehnt. Hält das Gewebe des Dammes dem Druck nicht stand, kommt es zum Dammriss.
Verletzungen im Dammbereich werden in verschiedene Schweregrade eingeteilt, je nachdem, wie viel von dem Dammgewebe betroffen ist: Es gibt Dammrisse 1., 2. und 3. oder 4. Grades. Bei Dammverletzungen des 3. und 4. Schwergrades ist neben dem Dammbereich auch der Schließmuskel betroffen – das kommt allerdings nur selten vor. Ist der Schließmuskel betroffen, wird die Verletzung chirurgisch versorgt. Hier könnt ihr mehr zum Thema Dammriss erfahren.
Sonderfall Dammschnitt (Episiotomie): Obwohl ein Dammschnitt absichtlich herbeigeführt wird, gilt er als Geburtsverletzung. Früher waren Dammschnitte weitverbreitet und Routine. Mittlerweile kommen die gezielten Schnitte nur noch in bestimmten Fällen zum Einsatz. Hier erfahrt ihr mehr zum Thema Dammschnitt.
Seltene Geburtsverletzungen: Uterusruptur und Scheidenabriss
In sehr seltenen Fällen kann es durch die Geburt zu schweren Verletzungen kommen. Diese erfordern sofortige notfallmedizinische Hilfe und können sogar lebensbedrohlich werden.
Gebärmutterriss (Uterusruptur)
Eine sehr seltene Geburtsverletzung ist die Uterussruptur: Hier reißt die Gebärmutterwand unter den Wehen – noch seltener während der späten Schwangerschaft – ein. Durch den Riss in der Gebärmutterwand kann das ungeborene Baby in die Bauchhöhle vorstoßen, was sowohl für Mutter als auch Kind sehr gefährlich werden kann. Eine Uterusruptur ist ein medizinischer Notfall, der sofort operiert werden muss und manchmal auch zum Entfernen der Gebärmutter führt.
Häufig treten Uterusrupturen entlang alten Narbengewebes auf, beispielsweise nach einem vorangegangenen Kaiserschnitt. Aber auch Mehrlingsschwangerschaften oder zu viel Fruchtwasser (Polyhydramnion) können das Risiko erhöhen.
Scheidenabriss (Kolporrhexis)
Ebenfalls extrem selten und ebenso gefährlich wie eine Uterusruptur ist ein Scheidenabriss (med. Kolporrhexis). Hierbei wird der Uterus teilweise oder komplett von der Vagina abgerissen, was zu starken Blutungen führt. Ursächlich für einen Scheidenabriss können eine verschleppte Querlage des Kindes oder ein stark verzögerter Geburtsverlauf sein. Der Abriss von der Gebärmutter ist ein gynäkologischer Notfall und wird umgehend chirurgisch behandelt.
Längerfristige Verletzungen: Der Beckenboden
Ist der Beckenboden durch die Geburt sehr in Mitleidenschaft gezogen, kann es zu einer langfristigen Beckenboden-Schwäche kommen. Diese äußert sich in Harninkontinenz, Stuhlinkontinenz oder einer Senkung der Organe (Blasen- oder Gebärmuttersenkung).
Doch es gibt gute Behandlungsmöglichkeiten: In erster Linie muss die Beckenbodenmuskulatur wieder gestärkt werden – gezielte Übungen können den Beckenboden wieder nachhaltig stärken und die Beschwerden bessern. Wichtig ist hierbei, dass die Übungen korrekt und regelmäßig ausgeführt werden; eine Beratung von Hebammen oder Physiotherapeut:innen ist hier also ratsam .
Wenn du das Gefühl hast, dass sich dein Beckenboden auch noch Monate nach der Geburt sehr weich anfühlt und nach unten drückt, du Schmerzen beim Geschlechtsverkehr hast oder inkontinent bist, sprich deine Frauenärztin oder deinen Frauenarzt darauf an. Er oder sie können dich in ein spezialisiertes Beckenbodenzentrum überweisen oder dir Physiotherapie verordnen.
Was erhöht das Risiko für Geburtsverletzungen?
Eine vaginale Geburt belastet und dehnt den Beckenboden, die Scheide und den Damm. An all diesen Stellen kann es im Geburtsverlauf aus verschiedenen Gründen zu Verletzungen kommen. Es gibt aber Faktoren, die das Verletzungsrisiko im Genitalbereich begünstigen können. Dazu zählen:
- Narben und Dehnbarkeit des mütterlichen Gewebes
- die Höhe des Dammes und die Größe des Schambogenwinkels
- psychische Faktoren; Ängste der Mutter unter der Geburt
- die Größe von kindlichem Kopf und Schultergürtel
- vaginaloperative Eingriffe (Zange, Saugglocke)
- Dammschnitte
- Gebären in Rückenlage
- Einsatz einer PDA
- Forciertes Pressen und Verkürzung der Austreibungsphase
Ob einer dieser Faktoren bei dir zu einer Geburtsverletzung führt, lässt sich natürlich nicht vorhersagen. Nicht jede Frau, deren Baby einen großen Kopf hat, erleidet eine Verletzung. Wenn du unsicher bist oder Angst vor möglichen Verletzungen hast, such vor der Geburt das Gespräch mit deiner Hebamme und deiner Gynäkologin oder deinem Gynäkologen.
Kann man Geburtsverletzungen vorbeugen?
Ja, durch präventive Maßnahmen lässt sich das Risiko einer Geburtsverletzung verringern. Dazu zählen Maßnahmen während der Schwangerschaft und unter der Geburt.
Prävention in der Schwangerschaft
- Gezieltes Beckenbodentraining: Durch regelmäßige Übungen wird die Beckenbodenmuskulatur gestärkt und besser durchblutet. Das führt unter der Geburt zu einer besseren Dehnbarkeit des Gewebes.
- Dammmassagen: In den letzten drei bis fünf Wochen vor der Geburt kann eine tägliche Dammmassage laut Studien das Verletzungsrisiko senken. Dammmassagen senken vor allem bei Erstgebärenden das Risiko für Dammverletzungen.
Prävention während der Geburt
- Gedämpftes Licht und eine warme, angenehme Umgebung
- feucht-heiße Kompressen auf dem Damm, sobald das Köpfchen austritt oder kurz davor ist (das übernimmt deine Hebamme)
- freie Wahl der Geburtspositionen und Bewegungsfreiheit; Möglichkeit einer Wassergeburt
- einfühlsame Berührungen beim Dammschutz und kein forciertes Pressen unter den Presswehen
Was fördert die Wundheilung?
Es gibt einige Dinge, die du zur Unterstützung deiner Wundheilung tun kannst. Egal, ob es um eine Naht oder um eine kleine Wunde geht. Wenn du eine Hebamme hast, die dich im Wochenbett betreut, wird sie die Heilung deiner Verletzungen regelmäßig kontrollieren. Falls du keine Wochenbett-Hebamme hast, wird die Wundheilung von deiner:deinem Gynäkolog:in bei der Nachuntersuchung nach der Geburt kontrolliert.
Du kannst aber selbstverständlich auch früher deine Ärztin oder deinen Arzt konsultieren, wenn du Schmerzen hast oder denkst, dass es Probleme mit der Heilung von Wunde und Naht gibt. Fäden müssen übrigens keine gezogen werden: Mittlerweile gibt es selbst auflösende Fäden, die sich nach und nach lösen.
Hier kommen unsere Tipps zur Heilung von Dammverletzungen und Co.
- Halte die Wunde sauber und trocken: Spüle deinen Intimbereich mehrmals täglich mit sauberem, lauwarmem Wasser ab und wechsle die Binden für den Wochenfluss regelmäßig.
- Kühlen: Kühlpacks oder gefrorene Binden wirken abschwellend.
- Pflegen: Es gibt spezielle Pflegesprays für Dammverletzungen, die regenerierend wirken. Alternativ können auch Sitzbäder angenehm sein. Diese sollten aber nicht zu häufig und zu lange durchgeführt werden, da die Wunde sonst aufweichen kann. Für das Sitzbad zu Hause gibt es extra Bidetbecken zu kaufen. Das Sitzbad kann einmal täglich für 10 bis 15 Minuten durchgeführt werden; wohltuende Beigaben sind Calendulaessenz oder Essenzen aus Frauenmantelkraut, Eichenrinde und Hamamelis.Lass dich zu Sitzbädern mit Essenzen am besten von deiner Hebamme beraten.
- Ruhe bewahren: Um deiner Verletzung beim Heilen zu helfen, schonst du dich im Wochenbett am besten so gut es geht. Langes stehen beim Wickeln und Herumlaufen mit dem Baby kann in dieser Zeit dein:e Partner:in übernehmen. Vermeide zudem den Schneidersitz und versuche, so wenig Druck wie möglich auf die Wunde – vor allem die Dammnaht – auszuüben.
Quellen:
- Stiefel, Andrea et al. (Hrsg.): Hebammenkunde: Lehrbuch für Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Beruf, 5. Auflage, Hippokrates Verlag, Stuttgart 2013.
- Pschyrembel online: Zervixriss, zuletzt aufgerufen am 10.01.2023.
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Verletzungen durch die Geburt, zuletzt aufgerufen am 10.01.2023.