Anzeige
Anzeige

Geplanter Kaiserschnitt „Vielleicht wäre es auch anders gegangen“ – ein Erfahrungsbericht

Kaiserschnitt-Erfahrung: Frau legt ihre Hand auf ihre Kaiserschnittnarbe
© Sofiia Tiuleneva / Adobe Stock
Das erste Kind unserer Autorin wurde durch einen geplanten Kaiserschnitt geboren – aufgrund einer Beckenendlage. Und noch heute ist da dieses „Vielleicht wäre es auch anders gegangen“-Gefühl, das an ihr nagt. Ihr Fazit: Es braucht bessere Aufklärungsarbeit.

Artikelinhalt

Bereits kurz nachdem ich erfahren hatte, dass ich schwanger bin, war sie da: diese überschwängliche Vorfreude auf das bevorstehende Geburtserlebnis. Natürlich freute ich mich auch auf das Resultat: mein Baby. Aber schon allein die Geburt an sich übte eine magische Faszination auf mich aus. Und dann war da auch recht schnell die Angst: Was, wenn es nicht klappt?

Diagnose: Beckenendlage. Und jetzt?

Im Verlauf der Schwangerschaft wurde diese diffuse Sorge bald zur Realität. Denn mein Sohn fühlte sich in seiner Steißlage offenbar sehr wohl: Der Po liegt unten – immer noch. „Stellen Sie sich auf einen geplanten Kaiserschnitt ein“, sagte mir mein Frauenarzt bei den Vorsorgeuntersuchungen.
Aber wir haben doch noch Zeit, dachte ich. Und machte die Indische Brücke, ging zum Moxen, leuchtete mit der Taschenlampe vor meinem Intimbereich herum, sprach meinem Baby gut zu – und flehte es an: Bitte, bitte, dreh dich um! Doch es half alles nichts. Von Woche zu Woche wurde ich nervöser und ängstlicher. Und resignierter, weil ich mich der Situation ausgeliefert fühlte.

Schließlich fand ich mich in der Entbindungsklinik wieder – man wollte einen finalen Ultraschall durchführen und eventuell eine äußere Wendung vornehmen. Bei dem Versuch, das Baby von außen durch die Bauchdecke zu drehen, kann die Geburt ausgelöst werden – das Kaiserschnitt-Team stand also schon in den Startlöchern. Für mich bedeutete der Termin: letzte Chance.

"Es tut uns leid, Ihr Baby kann sich aufgrund Ihres Septums in der Gebärmutter nicht drehen – eine äußere Wendung ist nicht sinnvoll. Es führt kein Weg am Kaiserschnitt vorbei – aufgrund der Beckenendlage wollen wir Ihnen das dringend ans Herz legen." Die Worte der Ärztin erreichten mich kaum. Ich fühlte eine schreckliche Enttäuschung – und gleichzeitig eine Mischung aus Schuld und Scham: „Wieso ist es dir so wichtig? Du willst dein Baby doch nicht gefährden?“ Mein Mann sah mir den Schock an – und übernahm die Formalitäten.

Wir wurden zum Anästhesisten gebracht, dort unterschrieb ich das Aufklärungsformular für die Spinalanästhesie. Wir gingen zurück zur Ärztin und sie fragte lächelnd, welchen Geburtstag wir uns für unseren Sohn wünschen würden. „Der 02.02. ist doch ein schönes Datum.“ – „Ja, toll“, zischte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Dann unterschrieb ich das Aufklärungsformular für den Kaiserschnitt und man entließ uns nach Hause – business as usual.

Risiken abwägen? Ja, aber bitte mit allen dafür nötigen Informationen!

Eine Beckenendlage wird häufig als per se gefährlich eingestuft. Dass eine vaginale Entbindung möglich ist, wenn bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sind, fällt dabei unter den Tisch. Auch vonseiten der Ärzt:innen – zumindest war es in meiner Situation so.

Ich war jung, unerfahren und komplett ahnungslos in Sachen Geburt und habe mich darauf verlassen, dass schon alles seine Richtigkeit haben wird. Heute weiß ich: Der Leitlinie zur Aufklärung und Beratung bei der Entscheidung für oder gegen einen geplanten Kaiserschnitt entsprach meine „ärztliche Aufklärung“ nicht. Da gab es kein Für und Wider, kein Abwägen von Risiken – und vor allem keine Infragestellung, dass der geplante Kaiserschnitt für meine individuelle Lage das Richtige sei. Was es gab, war ein Pauschalurteil.

Es gab keine Aufklärung darüber, dass ein Kaiserschnitt negative Auswirkungen auf weitere Schwangerschaften und Geburten haben kann. Keine Einordnung der Tatsache, dass das mütterliche Risiko für Komplikationen bei einem Kaiserschnitt zum Teil deutlich über dem einer natürlichen Geburt liegt. Kein Hinweis darauf, dass Kinder, die vor der 39. Schwangerschaftswoche per geplanter Bauchgeburt entbunden werden, häufig Anpassungsstörungen entwickeln und Unterstützung bei der Atmung benötigen. Und, dass Kinder, die nach der Geburt kinderärztlich versorgt werden müssen, unter einer erhöhten Infektanfälligkeit leiden und öfter Allergien oder Asthma entwickeln.

Das alles weiß ich erst heute – vor allem, weil all dies bei meinem Sohn eingetroffen ist. Er wurde direkt aus meinem Bauch auf die Intensivstation verlegt und beatmet; hat bis heute mit Asthma und ständig wiederkehrenden, schweren Atemwegsinfekten zu tun. Doch nicht nur für ihn war es ein turbulenter Start ins Leben. Auch ich hatte mir meine Mutterwerdung ganz anders vorgestellt.

Es ist nicht egal, wie ein Kind auf die Welt kommt

Fünf Stunden nach dem Kaiserschnitt konnte ich mein Baby zum ersten Mal sehen. Sein winziges Gesicht war komplett bedeckt von einer Atemmaske. Unser erster Kontakt war meine Hand auf seinem Bauch – regungslos, unter Schock stehend (eigentlich sitzend, vor Schmerzen gekrümmt) und ungläubig schaute ich auf diesen kleinen Menschen. Das war MEIN Kind? Könnte es nicht auch das Kind von einer anderen sein? Ich fühlte nichts. Kein „Ich liebe dich bis in alle Ewigkeit“, kein „Das ist der glücklichste Moment meines Lebens“ – nur diese Ungläubigkeit, dass das tretende Wesen, das noch vor wenigen Stunden in meinem Bauch schwamm, nun hier vor mir liegen sollte.

Heute weiß ich: Eine Geburt ist nicht das bloße „Das-Kind-kommt-raus-Prozedere“ – egal wie. Es ist auch die Verarbeitung des Verstandes, dass da WIRKLICH ein Mensch aus einem herauskommt. Und es macht einen Unterschied, ob der Körper nach der Geburt einen ganzen Cocktail an Glückshormonen ausschüttet – oder nicht, wie bei einem geplanten Kaiserschnitt möglich. Mir fehlten sowohl die Verarbeitung als auch die Hormone. Ich habe nicht geboren, mein Kind wurde geboren – und das hat mein Gehirn nicht verstanden. Lange nicht. Es war ein passives Ereignis, das mich bis heute beschäftigt und mir klargemacht hat, dass es nicht egal ist, wie ein Kind geboren wird.

Vielleicht ist bei meinem Kaiserschnitt auch einfach vieles schiefgelaufen. Denn ich kenne tolle, wunderschöne Erfahrungsberichte von Kaiserschnitten. Und nichts liegt mir ferner, als diese Möglichkeit zu verteufeln oder anderen werdenden Müttern mit Horrorgeschichten Angst zu machen. Es ist eine medizinische Errungenschaft, die vielen Müttern und Kindern das Leben rettet. Aber es ist auch eine Möglichkeit, neben der natürliche Geburten ineffizient erscheinen – aus betriebswirtschaftlicher Perspektive einer Geburtsklinik betrachtet. Und daher sehe ich es – sicherlich auch aus einer nicht ganz objektiven Perspektive heraus – kritisch, dass viele der durchgeführten Kaiserschnitte vermeidbar wären.

Es braucht Verbesserungen – in der Aufklärung und der Geburtshilfe

Es ist ja alles gut ausgegangen – wir sind beide am Leben. Dem Kaiserschnitt sei Dank? Ich weiß es nicht. Möglicherweise wäre die vaginale Geburt für uns zur Katastrophe geworden – möglicherweise hätte ich eine unkomplizierte Geburt erlebt. Es ist müßig, sich darüber heute den Kopf zu zerbrechen.

Was ich mir jedoch wünschen würde – oder besser gesagt meinem jüngeren Ich gewünscht hätte – ist eine bessere Aufklärungsarbeit und eine andere Grundhaltung gegenüber der Notwendigkeit von Kaiserschnitten. Ich wünsche mir, dass der Kaiserschnitt in Geburtsvorbereitungskursen thematisiert wird – mit all seinen Risiken, auch den psychischen. Dass den Schwangeren die Gründe für einen Kaiserschnitt nachvollziehbar erklärt werden – und dass die Option einer natürlichen Geburt häufiger in Betracht gezogen wird. Dass die betroffenen Frauen besser abwägen können – auf Grundlage von Informationen, die Ihnen die Expert:innen in persönlichen Beratungsgesprächen zur Verfügung stellen.

Doch das kostet Zeit und Geld und bindet Personal, das ohnehin fehlt. Daher wünsche ich mir ebenso, dass sich die Arbeitsbedingungen für Geburtshelfer:innen verbessern und dass sich der Personalmangel nicht weiter verstärkt. Ich wünsche mir, dass Hebammen die Möglichkeit bekommen, Erfahrungen zu sammeln – auch bei spontanen Geburten in Beckenendlage. Vielleicht lässt sich so der eine oder andere – ungewünschte – Kaiserschnitt vermeiden.

Die zweite Geburt wurde zu einer heilsamen Erfahrung

Heute habe ich meinen Frieden gemacht – so halbwegs. Was bleibt ist dieses „Was wäre wenn“-Gefühl. Die Frage, ob ich mich anders entschieden hätte, wenn ich etwas besser informiert gewesen wäre. Das ist rückblickend betrachtet natürlich schwer zu sagen – denn das Trauma trübt die objektive Betrachtung. Doch wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, denke ich, ich hätte mich gegen den geplanten Kaiserschnitt entscheiden sollen.

Diese Schlussfolgerung ziehe ich vor allem auch aus der Erfahrung meiner zweiten Geburt: Auf gar keinem Fall wollte ich mich hier dem Duktus „Einmal Kaiserschnitt, immer Kaiserschnitt“ unterwerfen und las und las und las. Ich informierte mich so umfangreich, dass ich erst in diesem Moment begriff, wie übereilt die damalige Entscheidung für den Kaiserschnitt war.

Für mich hatte nun oberste Priorität: Bei der nächsten Geburt wird alles anders. Keine Bevormundung, keine Beeinflussung – ich möchte eine wirkliche Abwägung der Vor- und Nachteile. Geholfen haben mir dabei meine wahnsinnig tolle Beleghebamme und eine Geburtsklinik, die hebammengeleitete Geburten durchführt. Am Ende habe ich es doch noch geschafft: Mein zweiter Sohn kam nicht per Kaiserschnitt zur Welt.

Für diese Erfahrung bin ich sehr dankbar. Meine VBAC – eine vaginal birth after caesarean – wurde für mich zur heilsamen Erfahrung. Und heute hat sich auch zu meinem ersten Sohn die bedingungslose Liebe eingestellt, die unserer Beziehung in den ersten Monaten fehlte. Die Narbe ist verblasst – auf dem Bauch und auf der Seele.

Lese-Tipp: Hier erfährst du, wann ein geplanter Kaiserschnitt nötig ist und wie er abläuft!

nbi ELTERN

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel