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Woher kommt dieses andauernde Erbrechen in der Schwangerschaft?
Etwa zwei Prozent aller Schwangeren leiden unter Hyperemesis gravidarum. Warum, ist unklar: Diskutiert wird, ob vielleicht eine Mageninfektion mit dem Keim Helicobacter pylori ein Auslöser sein könnte, ein hoher Östrogen-Spiegel oder eine Empfindlichkeit auf das Schwangerschaftshormon hCG. Bei vielen Betroffenen ist auch der Wert des Schilddrüsenhormons Tyroxin auffällig.
Schwedische Forscher gehen deshalb zurzeit der Frage nach, ob es einen Zusammenhang mit der Überempfindlichkeit zwischen dem hCG sowie dem hohen Tryoxin-Wert und einer Plazentastörung gibt. Ihre Vermutung: Wenn in der frühen Schwangerschaft eine Störung dazu führt, dass die Gebärmutter zu wenig Sauerstoff erhält, schüttet der mütterliche Körper verstärkt hCG aus – und darauf reagiert die Schwangere dann unter Umständen mit Hyperemesis gravidarum. Ursache einer solchen Störung könnte nach Meinung der Wissenschaft wiederum der hohe Tryoxin-Wert sein.
Daneben scheint jedoch auch das Immunsystem eine große Rolle zu spielen: Möglicherweise gibt es eine Überreaktion, sobald sich der Fetus eingenistet hat – bei vielen Hyperemesis-Patientinnen fand man jedenfalls stark erhöhte Immunwerte, die wiederum Einfluss auf die übrigen Hormone im Körper haben könnten.
Welche Folgen hat das ständige Erbrechen in der Schwangerschaft?
Die größte Gefahr ist die Austrocknung: Bluthochdruck, Herzrasen sowie Nierenprobleme und Thrombose können die Folgen sein, ebenso Risse in der Speiseröhre und Schädigungen des zentralen Nervensystems. Hält die Hyperemesis gravidarum noch im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel an, steigt zudem das Risiko einer Präeklampsie. Dazu kommt die Übersäuerung des Blutes durch die Mangelernährung – das kann unbehandelt auch fürs Ungeborene gefährlich werden.
Mit Infusionen lassen sich diese Risiken einigermaßen kontrollieren – zwar kommen viele Babys früher und leichter zur Welt, langfristige Folgen für die Kinder wurden aber nicht beobachtet. Zur Sicherheit werden Schwangere, die unter Hyperemesis gravidarum leiden, jedoch von ihrer Gynäkologin oder ihrem Gynäkologen besonders sorgfältig überwacht: Neben der regelmäßigen Kontrolle des mütterlichen Blutdrucks werden dabei häufig auch Doppler-Ultraschalls eingesetzt, um Wachstum und Versorgung des Ungeborenen zu überprüfen.
Trotzdem sind die Mütter natürlich gebeutelt: Bei 80 Prozent der Betroffenen bestimmen Verzweiflung, Angst und Hilflosigkeit die Schwangerschaft. Und oft ist auch noch die Zeit nach der Geburt von dieser Erfahrung überschattet. Das ergab eine Übersichtsarbeit der Universität von Südkalifornien von 2011. Es kann sogar dazu kommen, dass Schwangere sich aus lauter Not für eine Abtreibung entscheiden, obwohl es sich um ein Wunschkind handelte. Sobald die Übelkeit dann nachlässt, bereuen sie die Entscheidung zutiefst, können sie aber nicht mehr ungeschehen machen.
Gibt es eine Therapie gegen dieses starke Erbrechen in der Schwangerschaft?
Die Behandlung der Symptome sollte möglichst früh und nach einem Stufenplan erfolgen. war liegen keine offiziellen Behandlungs-Leitlinien für die Indikation Übelkeit in der Schwangerschaft vor, doch es steht eine einzige Therapieoption auf Rezept zur Verfügung: die Kombination von 10 mg Doxylamin und 10 mg Pyridoxin (Vitamin B6). Das Antihistaminikum Doxylamin wirkt auf das Brechzentrum im Gehirn, Pyridoxin reguliert die Werte der Hormone Östrogen, Progesteron und HCG.
Gegen das Erbrechen hilft weiterhin eine Ernährungsumstellung, psychologische Betreuung, Akupunktur und Akupressur sowie die Gabe von Vitamin B6 und Ingwerextrakten. Wie eine aktuelle Studie aus Malaysia mit stationär aufgenommenen, an Hyperemesis gravidarum leidenden Schwangeren zeigt, kann die Anwendung von Akupressur-Armbändern auf dem Punkt P6, etwas unterhalb des Handgelenkes, die Symptome Übelkeit und Erbrechen deutlich lindern. Und zwar ohne zusätzliche Medikamentengabe und deshalb auch nebenwirkungsfrei.
Für das Baby belastender sind womöglich kortisonhaltige Medikamente, die meist erst in letzter Instanz verordnet werden - hier müssen die Ärzt:innen Risiko und Nutzen genau abwägen.
Wo kann ich mich zum Thema "Erbrechen in der Schwangerschaft" informieren?
Anders als in den USA, Kanada und England gibt es bei uns noch keine Stiftung und kein Kompetenznetz, in dem alle Informationen zusammenlaufen. Oft wird Hyperemesis gravidarum noch immer mit psychischen Problemen verknüpft, obwohl das erwiesenermaßen falsch ist – lass dich also nicht verunsichern, falls du betroffen sein solltest! Um dich weiter zu informieren und in Kontakt mit anderen Betroffenen zu kommen, schau bei Hyperemesis vorbei oder bei www.hyperemesis-netz.de. Bei Embryotox gibt es fachlichen Rat zu untersuchten Medikamenten. Englischsprachige Infos findest du auf www.pregnancysicknesssupport.org.uk.
Quellen:
- Mylonas, Ioannis; Gingelmaier, Andrea; Kainer, Franz: Erbrechen in der Schwangerschaft, Dtsch. Ärzteblatt 2007; 104(25): A-1821 / B-1604 / C-1544
- Embryotox.de: Hyperemesis gravidarum/Emesis gravidarum, zuletzt abgerufen 21.03.2023
- Mohd Nafiah, N.A., et al.: Effect of Acupressure at P6 on Nausea and Vomiting in Women with Hyperemesis Gravidarum: A Randomized Controlled Trial. Int. J. Environ. Res. Public Health 2022, 19, 10886
- Pharmazeutische Zeitung: Übler Start in die Schwangerschaft, 12.07.23