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Totgeburt Opas Abschiedsbrief ans Sternenkind: "Ich hätte dich gerne an mich gedrückt, aber ich traute mich nicht"

Berührend: Der kleine Jonah mit seinen Eltern
Berührend: Der kleine Jonah mit seinen Eltern
© privat
Der Wiener Großvater Otmar Lahodynsky trauert um sein Enkelkind Jonah, das tot zur Welt kam – und nimmt mit einem liebevollen Brief Abschied.

Lieber Jonah!

Heute war dein Geburtstag, und ich habe dich mit deiner Oma im St. Josef Krankenhaus besucht.

Du bist so ein schönes Baby ­– so ein liebes Gesicht mit perfekten Lippen, kleiner Nase und wohlgeformten Ohren. Nur deine Augen habe ich nicht gesehen. Du hast sie nicht mehr öffnen können. Dann so kleine Hände und Füße.

Ich hätte dich gerne an mich gedrückt, aber ich traute mich nicht.

Ich weiß nicht, warum du deinen Kampf ums Leben auf dieser Welt am Sonntag aufgegeben hast. Du hattest ja nur noch einen Monat bis zum geplanten Geburtstermin. Und wir haben uns schon so auf dich, unseren Enkelsohn, gefreut. Zusammen mit Alma, deiner Cousine, wäre unser Glück als doppelte Großeltern unbeschreiblich gewesen.

Weißt du, hier hat gerade der Frühling begonnen. Überall blüht und sprießt es. Ich hätte dir gerne die Blumen und blühenden Bäume bei uns im Wienerwald gezeigt. Und dich auch unserem Hund Momo und den beiden Katzen, Willi und Augi, vorgestellt. Augi tröstet mich gerade schnurrend. Bald hättest du auch mit Alma spielen können, die mehr Glück hatte als du.

Wir haben ja schon vor einigen Monaten mit dir Kontakt aufgenommen, dich durch Valerias Bauch gespürt und mit dir geredet.

Kleiner Jonah, du wirst uns fehlen. Ich hätte dir als Opa gerne die schönen Berge und Seen im Salzkammergut gezeigt. Du hast sie ja schon irgendwie im Bauch deiner Mami mitbekommen. Du bist sogar schon mit ihr auf die Hochsteinalm gewandert. Und ich hätte später gerne mit dir und Alma Bergwanderungen unternommen. Keine Angst, keine Gewalttouren. Notfalls hätte ich dich auf den Schultern getragen. Und im Winter wären wir gemeinsam gerodelt und später auch skigefahren.

Ja, und ich wollte dir gerne meine Lieblingsmusik vorspielen. Ein wenig Folkpop wie Lindisfarne, Worldmusic wie Cheb Khaled oder die Sabri-Brüder aus Pakistan, zu deren Klängen ich mit deinem Onkel Stephan und deinem Papi in Brüssel gern wilde Tänze aufgeführt habe. Auch ein wenig Klassik: Mozart, Debussy und Mahler bis hin zu Philip Glass. Ich hatte schon vorsorglich Schallplatten für Kinder gekauft – Karneval der Tiere von Saint-Saens und Lieder von Janosch. Reggae-Rhythmen hast du ja schon von deinem Papa Christian aka Deliman gehört. Er hat so schöne Musik komponiert, voll von Liebe und Zuneigung. Und er ist so stolz auf dich und hat dich "mein kleiner Engel" genannt.

Du bist mit gefalteten Händen zur Welt gekommen. Auch deine Mutter, Valeria, hat dich monatelang liebevoll umsorgt. Du hast ihr Streicheln und andere Liebkosungen täglich gespürt. Deine Oma, Tante, Onkel und Cousinen in Passau haben sich auch schon so auf dich gefreut. Im Februar sind wir von Passau mit Kinderbett und Kleidung vollbepackt nach Wien gefahren. Entlang der Donau bis Linz, die Stadt, wo ich geboren wurde. Christian saß die meiste Zeit am Steuer – und wir haben es trotz Mega-Staus in Linz noch rechtzeitig zum Geburtsvorbereitungskurs in Wien geschafft.

Du hast es dann leider doch nicht geschafft. Vielleicht hast du dich zu viel bewegt und dabei in die Nabelschnur einen Knoten gemacht. Mit Nabelschnurumschlingungen haben schon ich und auch dein Onkel Stephan bei unserer Geburt zu kämpfen gehabt. Wir beide hatten einfach mehr Glück als du, mein kleiner Jonah.

Weißt du: Hier auf der Erde herrscht gerade ein schrecklicher Krieg in der Ukraine, wo dein Urgroßvater herkommt. Grüße ihn von mir. Dort werden jetzt sogar Geburtskliniken und Kindergärten bombardiert. Aber du hast deinen Frieden schon gefunden.

Lieber Jonah, wir werden dich nicht vergessen, du kleiner Engel. Eine gute Reise in eine Welt ohne Schmerz und Tod, voll von Liebe und ewigem Licht wünscht dir

Dein Opa Otmar

Und dieses Musikstück möge dich hinüber in eine bessere Welt begleiten:

"Pavane pour une infante défunte" von Maurice Ravel

https://www.youtube.com/watch?v=2_c8JRCKq1A

ELTERN

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