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Schluss mit Baby-TV Ist Ultraschall gefährlich?

Schwangere sieht sich Ultraschallbild an
© petrunjela / iStock
Der Wunsch-Ultraschall ist ein Erfolgsmodell: Ärzte bieten für teures Geld Flatrates an, Hebammen richten Kinosäle für das große Ultraschall-Event ein. Doch jetzt soll die kommerzielle Ultraschall-Anwendung verboten werden.

Dieser Blick aufs Ungeborene, sobald der Ultraschallkopf auf dem Bauch landet – man könnte ihn als Schwangere ständig genießen. Und so kommt auch kaum eine Frau in ihrer Schwangerschaft mit den drei Ultraschall-Untersuchungen aus, die die Mutterschaftsrichtslinien empfehlen. Oft sind es fünf oder zehn oder noch mehr. Und zwar nicht unbedingt, weil es Sorgen oder Probleme gibt, die sich mithilfe einer sonografischen Untersuchung oftmals in Luft auflösen, sondern weil es einfach Spaß macht.

Nichts ist für eine Schwangere (und ihren Partner) großartiger als der Blick in den Bauch. Vor allem in den ersten Monaten, wenn das Projekt „Eltern werden“ noch so verrückt und irreal scheint. Wenn man noch nichts spürt und der Bauch noch keine Kugel ist. Manchmal möchte man sich dann gegenseitig kneifen und fragen: Stimmt das wirklich? Befindet sich in diesem Bauch tatsächlich ein kleiner Mensch? Weil Kneifen aber wehtut und letztlich die Frage nicht beantwortet, geht man lieber zum Arzt und guckt noch mal nach. Was man dann sieht, ist Glück pur: ein fertiges Baby in all seinen Dimensionen, das vielleicht gerade am Daumen lutscht oder das Gesicht verzieht, das ein Mädchen oder ein Junge wird und die Nase ganz bestimmt von Papa hat. Man kann das gut finden oder auch nicht, aber: So funktioniert pränatales Bonding im digitalen Zeitalter.

Ultraschall-Untersuchungen
Schluss mit Baby-TV: Ist Ultraschall gefährlich?
© PeopleImages / iStock

Mit genau diesen Spaß-Ultraschalls soll nun aber Schluss sein. Laut der neuen Strahlenschutzverordnung ist die Sonografie „zu einem nicht medizinischen Zweck“ ab Ende 2020 nicht mehr erlaubt. In der Begründung des Bundesministeriums für Umweltschutz und Reaktorsicherheit heißt es unter anderem: „Die für die Bildgebung notwendigen hohen Ultraschallintensitäten sind mit einem potenziellen Risiko für das Ungeborene verbunden (...).“
Eine Aussage mit Sprengkraft und von Schwangeren wie Fachleuten zurzeit heftig diskutiert. Von den Schwangeren, weil sie sich fragen: Ist Ultraschall jetzt doch gefährlich? Von den Fachleuten, weil die durchaus gerechtfertigte Kritik am Baby-Fernsehen zu einem allgemeinen Mistrauen gegenüber der Ultraschall-Diagnostik geführt hat, das sie nicht für gerechtfertigt halten. „Trotz jahrzehntelanger intensiver Forschungsarbeit gibt es nach wie vor keine fundierten Studienergebnisse, die einen ultraschallbedingten Schaden am Fötus nachweisen können“, sagt Dr. Kai-Sven Heling, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin. Die Gefahr, die von Ultraschallwellen ausgehe, sei eine rein theoretische.

Um das zu verstehen, muss man etwas weiter ausholen: Bei einer Ultraschalluntersuchung wird Schallenergie frei, die das abgetastete Gewebe lokal erwärmt. Je länger und je intensiver an einer Stelle geschallt wird, desto höher der Temperaturanstieg im untersuchten Organsystem. Ein weiterer bestimmender Faktor ist die Art des Ultraschalls. Je nachdem, ob es sich um einen 2D-, 3D- oder 4D-Ultraschall oder um eine Dopplersonografie handelt, variiert der Temperatureffekt stark. „Aber egal, welche Technik ein geschulter Facharzt anwendet – eine zellbiologisch wirksame Erwärmung des Gewebes ist nicht zu erwarten.“ Auch deshalb nicht, weil alle in Deutschland zugelassenen Geräte über einen Algorithmus verfügen, der die Geräte abschalten lässt, sobald ein bestimmter Grenzwert überschritten wird. Anders könnte es hingegen bei Langzeit-Sessions von kommerziellen Anbietern aussehen, die nicht ausreichend geschult sind. Auch Produkte für den Hausgebrauch müsse man kritisch sehen.

Es gibt allerdings auch Stimmen, die die ärztlich überwachten Ultraschall-Untersuchungen für gesundheitsgefährdend halten. So nennt der Heidelberger Neonatologe Professor Otwin Linderkamp eine Reihe von tierexperimentellen Untersuchungen (zu finden auf der Internet-Seite von Greenbirth e.V. www.greenbirth.de), die Hinweise darauf geben sollen, dass intensive pränatale Ultraschallanwendungen für die Zunahme von Erkrankungen wie Krebs, Autismus oder hyperkinetischen Störungen verantwortlich sein könnten.
Auch ein Zusammenhang mit Linkshändigkeit oder einem geringen Geburtsgewicht wird diskutiert. Ultraschall-Experte Heling hält alle diese Untersuchungen für nicht valide. „Jede einzelne dieser Studien kann man zerpflücken und durch andere seriöse Untersuchungen widerlegen.“ (Nachzulesen auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin, www.degum.de.) Völlig unabhängig von der hitzigen Diskussion, ob und wie gefährlich Ultraschall nun wirklich ist, stellt sich die Hebammenwissenschaftlerin Professor Dr. Nicola Bauer von der Hochschule für Gesundheit in Bochum noch eine ganz andere Frage: „Warum sind viele Schwangere heute so verunsichert? Warum fällt es ihnen so schwer, sich auf ihr Gefühl zu verlassen?“

Viele Frauen brauchten die häufigen Ultraschalluntersuchungen auch, um sich immer wieder zu versichern, dass mit dem Baby alles in Ordnung sei. Ihre Erfahrung sei je- doch, dass dies nur eine vermeintliche und sehr kurzfristige Sicherheit biete. „Ich bin davon überzeugt, dass man eine verunsicherte Schwangere mit einem einfühlsamen Gespräch besser, langfristiger und kostengünstiger beruhigen kann als mit einer sonografischen Untersuchung.“ Leider habe die psychosomatische Betreuung in der aktuellen Schwangerenvorsorge nur wenig Platz. In einer Zeit, in der jede dritte Schwangere eine sogenannte „Risiko-Schwangere“ sei, finde sich ohnehin meist eine Indikation für einen Ultraschall. „Aber ich bezweifle, dass das wirklich immer das ist, was die Frauen brauchen.“

Eines hat die ganze Diskussion jedenfalls bewirkt: Dass alle mal kurz innehalten und nachdenken über ein medizinisches Diagnoseverfahren, dass – zumindest in der Schwangerenbetreuung – immer öfter kommerziell ausgenutzt wird. Wenn Gynäkologen Ultraschall-Flatrates (inklusive Bilder und USB-Stick) für mehrere Hundert Euro anbieten, wenn Krankenkassen zur Anwerbung von jungen Mitgliedern mit attraktiven Zuschüssen zum 4D-Ultraschall winken, wenn völlig fachfremde Anbieter kleine Kinosäle einrichten, um Ultraschall-Partys für die ganze Familie zu veranstalten, wenn mobile Ultraschall-Geräte und entsprechendes Zubehör fürs Smartphone reißenden Absatz im Internet finden – dann läuft etwas schief.

Wir sollten uns darauf besinnen, dass der Ultraschall der pränatalen Diagnostik dient und – von geschulten Fachpersonen angewandt – jede Berechtigung hat. Dass die kommerzielle Nutzung als Baby-TV ab Ende 2020 verboten werden soll, ist wohl eher eine gute Nachricht.

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