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Schwangerschaftsdepressionen Wenn tiefe Traurigkeit die Vorfreude verdrängt

Schwangerschaftsdepressionen: Frau mit verschränkten Armen am Strand in Dämmerung
© Marina Tolkacheva / Adobe Stock
Etwa zehn Prozent der werdenden Mütter leiden an Schwangerschaftsdepressionen – ein Tabuthema. Alles Wichtige über die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten erfährst du hier. 

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In freudiger Erwartung sein, guter Hoffnung – so die etwas förmlicheren Ausdrücke für die Schwangerschaft, die positive Gefühle praktisch vorschreiben. Doch was, wenn eine werdende Mutter diese von allen Seiten erwartete Freude nicht spüren kann? Wenn sie vielmehr von Ängsten und Mutlosigkeit überwältigt ist, sich leer und wie gelähmt fühlt? Und sie das selbst vielleicht am wenigsten verstehen kann?

Ja, nach der Geburt, da leiden manche Mütter an der berühmten Wochenbettdepression. Aber doch nicht vorher. Oder? Doch. Tatsächlich kommt eine Depression bei schwangeren Frauen ebenso häufig vor wie bei Frauen, die gerade kein Baby erwarten. Nur ist im Fall einer Schwangerschaftsdepression das Stigma noch größer.

Was sind Schwangerschaftsdepressionen?

Welche Frau kennt sie nicht, die berühmt-berüchtigten Stimmungsschwankungen während der Schwangerschaft! Auf der Gefühlsachterbahn geht es mitunter wild auf und ab, Freudensprüngen folgen Tränenausbrüche und umgekehrt. "Das sind die Hormone" – in diesem Fall stimmt der Spruch ausnahmsweise einmal. Eine Depression ist aber etwas anderes, nämlich eine ernstzunehmende Krankheit, die behandelt gehört und die sich zum Glück auch gut behandeln lässt. Dazu später mehr.

Die Fachwelt spricht von Schwangerschaftsdepressionen (auch pränatale oder perinatale Depression genannt), wenn die Gefühle von Niedergeschlagenheit und Traurigkeit beständig über einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen anhalten. Wenn nichts mehr Freude bereitet und die Grundstimmung aller Gedanken und Gefühle negativ bleibt. Obwohl kaum jemand darüber spricht, sind Schwangerschaftsdepressionen keine Seltenheit. Etwa jede zehnte Schwangere erlebt eine Depression oder depressive Episoden, zum Teil auch schon zu Beginn der Schwangerschaft.

Nach der Geburt (postpartal oder postnatal) betrifft es sogar etwa 15 Prozent. Diese sogenannte Wochenbettdepression oder postnatale Depression ist aber nicht zu verwechseln mit dem "Babyblues", der, hormonell getrieben, nach einigen Tagen von alleine wieder vergeht. Das ist bei einer Depression nicht der Fall.

Woran erkenne ich eine Schwangerschaftsdepression?

Die Abstufungen können von Frau zu Frau unterschiedlich ein. Als typische Anzeichen gelten:

  • täglich bedrückte Stimmung über mehr als zwei Wochen.
  • kein Interesse mehr an Dingen, die früher Freude bereitet haben.
  • beständiges Gefühl von Leere, Erschöpfung und Antriebslosigkeit.
  • es quälen dich ständig Selbstzweifel, Schuldgefühle.
  • du kannst dich kaum noch konzentrieren, bist leicht reizbar.

Auch körperliche Symptome können im Rahmen von Schwangerschaftsdepressionen auftreten:

  • Appetitlosigkeit
  • Schlafstörungen
  • Schwindel
  • Kreislaufbeschwerden
  • Kopfschmerzen

Die Aufzählung macht schon deutlich, warum es so schwerfällt, eine depressive Erkrankung zu erkennen: Die Symptome sind allesamt recht alltäglich und kommen durchaus einfach nur so vor, vor allem in einer Ausnahmesituation wie der Schwangerschaft. Entscheidend für die Einordnung ist die enorme Belastung, die das Leben der Schwangeren mit einer großen, schwarzen Wolke überzieht und gegen die keine Anstrengungen nach dem Motto "reiß' dich jetzt mal zusammen" nur das Geringste ausrichten können.

Welche Ursachen kommen infrage?

Es können zahlreiche Faktoren eine Rolle spielen – innere, wie äußere. So konnte eine gewisse genetische Veranlagung bereits wissenschaftlich nachgewiesen werden, Depressionen treten in manchen Familien gehäuft auf. Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, liegt bei etwa 15 Prozent, wenn schon Verwandte ersten Grades davon betroffen sind. 

Häufig können auch familiäre oder finanzielle Probleme und fehlende Unterstützung in der Partnerschaft zur Entwicklung einer Depression beitragen, ebenso einschneidende belastende Erlebnisse, wie eine vorherige Fehlgeburt oder frühere Schwangerschaftskomplikationen – können, müssen aber nicht! Es trifft Frauen, die sich lange ein Kind gewünscht haben genauso wie Frauen, die völlig unerwartet schwanger werden. Die eine, eindeutige Ursache, die zwangsläufig zu einer Erkrankung führt, gibt es nicht.

Und bei manchen Frauen liegt einfach schon vor der Schwangerschaft eine Depression oder Angststörung vor – diagnostiziert oder noch unerkannt. 

Eines steht jedoch fest: Du kannst nichts für deine Gefühle, du bist nicht Schuld daran! Depressionen sind eine Krankheit und du brauchst dich dafür nicht zu schämen! Lass dir helfen, damit du wieder Freude empfinden kannst an deinem Leben und an deinem süßen Baby.

Schaden Schwangerschaftsdepressionen dem Baby?

Eine Depression bedeutet für die Schwangere ungeheuren Stress. Und diesen Stress spürt auch das Baby, weil der hohe Level an Stresshormonen über die Nabelschnur auch in seinem Blut zirkuliert. Es kann dadurch zu einer verfrühten Geburt und einem geringerem Geburtsgewicht kommen. Die Neugeborenen haben häufig Anpassungsstörungen, sind unruhiger, schreien mehr. Wie die Stiftung Deutsche Depressionshilfe angibt, können "prä- und postpartale Depressionen langfristig auch die Entwicklung kognitiver oder emotionaler Fähigkeiten des Kindes beeinträchtigen."

Eine Studie in Kanada konnte jetzt nachweisen, dass psychischer Stress der Mutter vor und kurz nach der Geburt die Immunabwehr des Kindes herabsetzt. Das hat eine erhöhte Neigung zur Folge, später Asthma und Allergien, Übergewicht und Autoimmunerkrankungen auszubilden. 

Hinzu kommt: Frauen mit Schwangerschaftsdepressionen nehmen oftmals nicht ausreichend zu und entwickeln vergleichsweise häufiger einen Schwangerschaftsdiabetes. Deshalb ist es so wichtig, auf die Situation zu reagieren und möglichst frühzeitig etwas dagegen zu unternehmen.

Wie lassen sich Schwangerschaftsdepressionen behandeln?

Achtung, Binsenweisheit: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Und doch ist dieser Satz alles andere als banal, denn der erste Schritt stellt für viele Betroffene häufig die größte Hürde dar. Sich einzugestehen, dass du Hilfe brauchst, und diese (professionelle) Begleitung auch anzunehmen, macht also ganz viel aus. Ignorieren und aussitzen lässt sich das Problem leider nicht. Unbehandelt kann sich eine Depression chronifizieren und dann das weitere Leben von Mutter und Kind (sowie die Partnerschaft) stark beeinträchtigen. 

Vermutest du, dass du an Schwangerschaftsdepressionen leidest, wende dich an deine Hebamme, Gynäkolog:in oder gleich an eine:n Psychotherapeut:in. Psychotherapeutische Verfahren wirken sehr gut bei Depressionen und Ängsten, wie zahlreiche Studien belegen. Aufgrund der Schwangerschaft käme vielleicht auch ein Aufenthalt in einer (Tages-)Klinik oder eine Kur infrage.  Da vielerorts die Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz mehrere Monate beträgt, kann ein Online-Angebot eine gute Option sein. Manche Apps lassen sich als Digitale Gesundheitsanwendung auf Rezept verordnen. Sprich deine Ärztin oder deinen Arzt auf die verschiedenen Möglichkeiten an. Gute Adressen sind auch lokale psychosoziale Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen. Die Webseite der Initiative peripartale psychische Erkrankungen, Schatten & Licht e.V., gibt eine gute Übersicht.

Dürfen Schwangere Antidepressiva einnehmen?

Wie bei allen Medikamenten in der Schwangerschaft, die gewisse Nebenwirkungen mit sich bringen können, muss der Nutzen und das Risiko des entsprechenden Mittels ärztlich ganz genau abgewogen werden. Es stehen Wirkstoffe von Antidepressiva zur Verfügung, die bei mittelschweren oder schweren Depressionen auch in der Schwangerschaft zugelassen sind und die nach einer Anlaufphase von zwei bis drei Wochen spürbar für eine Stimmungsaufhellung sorgen. Fachleute und Laien können sich dazu auf der Webseite embryotox.de informieren, einem Portal des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin.

Vorsicht bei frei verkäuflichen Arzneimitteln. Auch Präparate mit pflanzlichen Wirkstoffen, wie zum Beispiel Johanniskraut, nimmst du als Schwangere am besten immer nur in Absprache mit dem Arzt oder der Ärztin ein. Generell gilt: Niemals ein Medikament eigenmächtig absetzen oder die Dosierung ändern.

Wie lange dauert eine Schwangerschaftdepression?

Das lässt sich nicht genau prophezeien und ist von Frau zu Frau unterschiedlich. Zum großen Teil kommt es darauf an, frühzeitig mit der Behandlung zu beginnen. Dann besteht eine gute Prognose, dass sich die Dunkelheit auf der Seele nach einigen Wochen bessert und auch nichts nachbleibt.

Frauen mit einer Depressions-Vorgeschichte können mit einem Risiko von etwa 60 Prozent bei einer weiteren Schwangerschaft einen Rückfall bekommen. Daher lautet der Rat für diese Frauen, sich schon in Behandlung zu begeben, bevor Symptome auftreten.

Was kann zusätzlich helfen?

  • In Bewegung bleiben: Auch wenn du dich kaum aufraffen kannst: Bewegung und frische Luft tun gut. Vor allem, wenn du vor der Schwangerschaft schon sportlich warst, kannst du mit einem angepassten Programm weitermachen. Moderater Ausdauersport wirkt erwiesenermaßen antidepressiv. Und auch schon ein Spaziergang am Tag, vielleicht mit einer lieben Freundin, schleust Sauerstoff in den Organismus und bringt den Kreislauf in Schwung.
  • Sonnenlicht tanken: Sehr wertvoller Nebeneffekt von Bewegung im Freien, auch vorbeugend: Trifft Sonnenlicht auf die Haut, produziert der Körper selbst Vitamin D. Personen, die an Depressionen erkranken, weisen häufig einen zu niedrigen Vitamin-D-Spiegel auf.  
  • Hilfe annehmen: Das gilt auch für alltägliche Aufgaben, etwa im Haushalt. Alles, was dich entastet, ist willkommen. Und wenn dir nur jemand aus der Familie oder dem Freundeskreis die Wäsche oder das Staubsaugen abnimmt. 
  • Sich gut ernähren: Gerade in der Schwangerschaft brauchst du reichlich Vitamine und Mineralstoffe, damit sich auch dein Baby gut entwickeln kann. Wenn du dich gerade nicht selbst kümmern kannst, bitte deine Familie, deine:n Partner:in oder eine:n Freund:in, dich gezielt mit frischen Lebensmitteln zu versorgen.
  • Verständnis und Geduld von anderen: Wenn Angehörige Druck machen, hilft das niemandem. So wenig nachvollziehbar die tiefe Traurigkeit für Außenstehende auch sein mag, es zählt im Moment nur, dass es der Schwangeren nicht gut geht. Punkt. Zuhören, für die Person da sein, weder Forderungen stellen noch Vorwürfe machen – das hilft viel mehr als jeder noch so gut gemeinte Ratschlag.
  • Nachsichtig mit sich selbst sein: Niemand ist perfekt und muss es auch nicht sein. Keine Angst, eine Schwangerschaftsdepression bedeutet nicht, dass du eine schlechte Mutter bist. Hab Geduld, auch wenn es ein wenig dauert: Die Behandlung deiner Krankheit wird sich auszahlen.

Quellen:

ELTERN

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