Zum Thema Schwangerschaftsmythen haben uns Anja und Marie, zwei ausgebildete Hebammen aus Heidelberg, so einige Fakten verraten. Sie sind tolle Expertinnen, die in ihrer täglichen Arbeit einen großen Mangel an Nachsorgehebammen spüren. Deshalb haben sie mit "hallohebamme" eine Art der modernen Wochenbettbetreuung geschaffen. Auf verschiedenen Social-Media-Kanälen (Instagram, TikTok und Co.), mit einem eigenen Podcast und ihrem Blog stehen sie Frauen und jungen Familien mit zusätzlichen Tipps und Tricks zur Seite.
Neben fundierten Informationen und Hebammentipps aus dem echten Leben teilen sie auch Lustiges und Kurioses aus ihrem Berufsalltag. Aber ihnen ist vor allem wichtig, Tabuthemen anzusprechen und aufzuklären, um (werdende) Eltern auch bei schwierigen Fragen zu unterstützen.
Schwangerschaftsmythen im Faktencheck:
1. In der Schwangerschaft wachsen die Füße und werden ca. eine halbe bis eine Schuhgröße größer.
"Ja, das kann passieren. In der Schwangerschaft können die Füße durch Wassereinlagerungen, die erhöhte Blutmenge und das allgemein gelockerte Gewebe anschwellen/ größer werden. Üblicherweise verschwinden diese Symptome nach der Schwangerschaft aber wieder. Was allerdings sein kann, ist, dass sich durch das erhöhte Gewicht der Schwangeren die Fußform etwas verändert und ein eh schon enger Schuh nach der Schwangerschaft tatsächlich nicht mehr passt."
2. Auch die Nase wächst in der Schwangerschaft. Während einer Schwangerschaft verändert sich im Grunde der ganze Körper.
"Tatsächlich können die bessere Durchblutung der Gefäße und durch das Hormon Progesteron verursachte Wassereinlagerungen zu Schwellungen auch im Gesicht, das heißt auch an der Nase, führen."
3. Wenn man als Schwangere unter Sodbrennen leidet, hat das Baby schon viele Haare auf dem Kopf.
"Das hört man immer wieder, stimmt aber nicht. Sodbrennen hat meist eine einfache Ursache: Hormone sorgen dafür, dass das Gewebe und die Muskulatur der Schwangeren weicher und entspannter werden. So auch der sog. Magenpförtner-Muskel zwischen der Speiseröhre und dem Magen. Dann drückt im Laufe der Zeit auch die wachsende Gebärmutter auf die Organe und so gelangt manchmal etwas Magensäure wieder in die Speiseröhre und verursacht Sodbrennen."
4. Wenn man unter starker Übelkeit in der Schwangerschaft leidet, bekommt man ein Mädchen.
"Dazu gibt es einige Untersuchungen und es scheint tatsächlich einen Zusammenhang zu geben. So dass Frauen, die unter extremer Übelkeit leiden, überdurchschnittlich oft ein Mädchen erwarten. Die Ursache liegt – mal wieder – am Hormonspiegel. Das bedeutet umgekehrt aber nicht automatisch, dass man am Grad der Übelkeit eindeutig das Geschlecht des Babys vorhersagen kann."
5. Hat man einen runden Bauch, bekommt man ein Mädchen, hat man einen spitzen Bauch, wird es ein Junge.
"Ein hartnäckiger Irrtum, dass manche Leute glauben, an der Form des Bauches das Geschlecht des Kindes erkennen zu können. Die Form des Bauches hängt jedoch von anderen Faktoren, zum Beispiel der Statur der Mutter oder der Lage des Babys im Bauch, ab."
6. Sex in der Schwangerschaft ist nicht gut für das Baby.
"Das stimmt nicht. Das Baby ist im Bauch gut geschützt. Und natürlich vorausgesetzt, der Sex ist für die werdende Mama angenehm, wirken sich ausgeschüttete Glücks- und Entspannungshormone sogar positiv auch auf das Ungeborene aus. Aber Achtung: Bei einer Risikoschwangerschaft kann das anders gelagert sein! Daher bitte im Falle einer Risikoschwangerschaft immer mit dem:der Gynäkolog:in sprechen!"
7. Schneller Herzschlag deutet auf ein Mädchen hin, langsamer auf einen Jungen.
"Studien sprechen bisher dagegen. Interessant ist aber, dass scheinbar anhand einer Pulsdiagnose aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) zwischen dem 3. und 6. Monat am Puls der Mutter das Geschlecht des Babys zum Teil durch erfahrene Therapeut:innen bestimmt werden kann."
8. Mit der Schwangerschaft verschlechtern sich die Zähne und jedes Kind kostet einen Zahn!
"Das ist ein Mythos, der sicher nicht zu 100 Prozent zutrifft, aber einen wahren Kern in sich trägt. So kann sich die bessere Durchblutung während der Schwangerschaft auch am Zahnfleisch bemerkbar machen, das dadurch schneller anfängt zu bluten. Das kann zum Beispiel zu Entzündungen und offenen Zahnhälsen führen, was sich auf die allgemeine Zahngesundheit auswirkt. Darum wird auch empfohlen, vor allem in der frühen Schwangerschaft Vorsorgetermine beim Zahnarzt:in wahrzunehmen und auf eine gründliche Zahnhygiene zu achten."
9. Alle schwangeren Frauen haben Gelüste und essen alles wild durcheinander.
"So pauschal kann man das nicht sagen. Verschiedene und auch mal ungewöhnliche Gelüste kennt sicher jede schwangere Frau. Die Hormonumstellung wirkt sich auch auf den Geruchs- und Geschmackssinn aus und wird als Ursache für die berühmten Schwangerschaftsgelüste vermutet. Dass schwangere Frauen, sofern sie nicht von zu heftiger Übelkeit geplagt sind, einen guten Appetit haben, liegt mitunter daran, dass ihr Körper Höchstleistungen vollbringt und Reserven anlegen will."
10. Wenn Schwangere viel fluchen, bekommen die Kinder viele Muttermale.
"Das ist ein Ammenmärchen, mit dem vermutlich den Frauen das Fluchen untersagt werden sollte. Ob Muttermale entstehen, ist genetisch veranlagt, hat aber auch mit externen Faktoren (zum Beispiel Sonnenbaden) zu tun – mit der verbalen Ausdrucksweise der Schwangeren allerdings definitiv nicht."
11. Schwangere dürfen keinen Zimt essen, weil der vorzeitige Wehen auslöst.
"Jein. Zimt kann tatsächlich eine wehenanregende Wirkung haben, so dass es von manchen Hebammen unmittelbar vor der Geburt gerne unterstützend eingesetzt wird. Während der Schwangerschaft müsste eine Frau jedoch 250-300g Zimt zu sich nehmen, damit eine Wirkung bemerkbar wird. Die kleinen Mengen Zimt, die man üblicherweise im Essen hat, sind dagegen unbedenklich."
12. Wenn man in der Schwangerschaft viele kohlensäurehaltige Getränke trinkt, bekommt man ein sehr unruhiges Baby.
"Das stimmt nicht. Zu viel Kohlensäure kann Sodbrennen oder auch Blähungen verursachen. Auswirkungen auf das Baby hat sie jedoch keine. Bei einigen kohlensäurehaltigen Getränken sollte man sich eher wegen des Zuckergehalts oder künstlichen Zusatzstoffen Gedanken machen."
13. Hat man Appetit auf herzhaftes, bekommt man einen Jungen. Bevorzugt man Süßkram, wird es ein Mädchen.
"Das können wir nicht bestätigen. Die berühmten Schwangerschaftsgelüste sind eher individuell, also unabhängig vom Geschlecht des Kindes. Es gibt verschiedene Theorien, wonach der Körper der Mutter versucht, bestimmte Nährstoffmängel auszugleichen. Oder dass Gelüste auf Süßes oder Fettiges einfach einen schnellen Energieschub liefern, der manchmal von Nöten ist. Wissenschaftlich belegt ist dies jedoch nicht."
14. Mädchen rauben der Mutter in der Schwangerschaft die Schönheit.
"Die Folge: Fettige Haare, Pickel, Wassereinlagerungen. Falsch, denn: Eine Schwangerschaft bringt Veränderungen für den ganzen Körper mit sich. Diese Veränderungen können in beide Richtungen gehen. Manche Frauen strahlen geradezu (der berühmte 'Schwangerschafts-Glow'), andere Frauen sind von unschönen Begleiterscheinungen wie oben beschrieben geplagt. Wie ausgeprägt der eine oder der andere Fall eintritt, hängt davon ab, wie der Körper der Frau auf die Hormonumstellung reagiert. Aber nicht vom Geschlecht des Babys."
15. Bei Vollmond werden mehr Kinder geboren.
"Das ist unser 'Lieblingsmythos'. Zu diesem Thema gehen auch unter Kolleg:innen die Meinungen oft auseinander. Wissenschaftlich belegt ist diese Theorie nicht. Wobei in diesem Zusammenhang bei einem Verweis auf Zahlen oft vergessen wird, dass bei Geburtsstatistiken auch geplante Kaiserschnitte zählen, die im Normalfall tagsüber durchgeführt werden. Wir sagen dazu gern: Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die lassen sich wissenschaftlich nicht belegen, sind aber trotzdem so."
16. Schwangeren sollten keine Horrorfilme gucken, weil sich Ängste auf das Ungeborene übertragen.
"Ängste verursachen, dass im Körper Stresshormone ausgeschüttet werden. Die aber – das ist wichtig – nur eine Auswirkung auf das ungeborene Baby haben können, wenn diese Ängste und entsprechend die Hormonausschüttung dauerhaft und über einen langen Zeitraum anhalten. (Sollte das der Fall sein, sprich bitte immer mit deiner Hebamme und/ oder Frauenarzt:in.) Bei einem vergleichsweise kurzen Moment, während man zum Beispiel einen Horrorfilm schaut, passiert das nicht."
17. Wenn die Schwangere im Sitzen die Beine übereinanderschlägt, bekommt das Baby einen spitzen Kopf.
"Stimmt nicht. Abgesehen davon, dass es (Hoch-)Schwangeren aufgrund der Lockerung des Beckens oft eher unangenehm ist, so zu sitzen, oder es schlichtweg wegen des großen Babybauchs nicht mehr geht, ist das natürlich Quatsch. Das Baby liegt gut und ausreichend vor solchen äußeren Einflüssen geschützt in der Gebärmutter."