Artikelinhalt
- Was genau ist eine Tokophobie?
- Wie unterscheidet man, ob Angst vor Schwangerschaft noch normal ist oder schon eine Tokophobie?
- Wie häufig kommen solche Ängste vor?
- Welche Symptome deuten auf eine Tokophobie hin?
- Welche Ursachen kann eine Tokophobie haben?
- Was tun gegen Angst vor Schwangerschaft?
- Hier findest Du Hilfe bei Ängsten vor und in der Schwangerschaft
Angst vor Schwangerschaft und Geburt? Lisa, 29, wäre vor ein paar Jahren nicht mal auf die Idee gekommen, dass sie so etwas haben könnte. Ihr Mann und sie wünschten sich ein Kind. Doch kaum hielt sie den positiven Schwangerschaftstest in den Händen, beschlich sie eine fiese Vorstellung: Der Embryo kam ihr vor wie ein fremdes Wesen, das sich jetzt in ihrem Körper breit machen würde, immer mehr, bis zur Geburt, und sie würde dem hilflos ausgeliefert sein. Fast wie in einem Horrorfilm!
Zugleich schämte sie sich: Hatte sie nicht ein Baby gewollt? Und sollte sie sich nicht freuen, dass es so schnell gegangen war mit der Schwangerschaft? War sie schon jetzt eine schlechte Mutter, wo ihr Kind doch erst ein paar Millimeter groß war?
Schließlich vertraute sie sich einer guten Freundin an. Der seelische Druck nahm schon beim Aussprechen ihrer Angstfantasien ab, und bald änderte sich ihr Gefühl: Ja, das Baby würde sich in ihr breitmachen. Aber das war auch gut so: Nur so konnte es wachsen und schließlich gesund zur Welt kommen.
Erst Jahre später erfuhr sie, dass ihre Angst einen Namen hat: Tokophobie. Und dass sie mit ihren Ängsten ein leichter Fall war. Denn es gibt Frauen, die trotz Kinderwunsch niemals ein Kind bekommen, weil sie unter panischer Angst vor einer Schwangerschaft oder einer Geburt leiden.
Was genau ist eine Tokophobie?
Tokophobie, auch Schwangerschaftsphobie, ist eine übersteigerte, oft panische Angst vor Schwangerschaft und Geburt.
Das Wort ist zusammengesetzt aus den altgriechischen Begriffen toko (Schwangerschaft) und phobos (Angst). Medizinisch gesehen gehört die Tokophobie zu den spezifischen Phobien, wie etwa Angst vor bestimmten Tieren, vor geschlossenen Räumen oder vor dem Zahnarztbesuch. Man unterscheidet primäre und sekundäre Tokophobie:
Die primäre Tokophobie betrifft Frauen, die noch nie schwanger waren und große Angst haben, es zu werden. Wovor sie dabei genau Angst haben, ist ganz unterschiedlich. Manche fürchten sich vor den körperlichen Veränderungen, andere vor dem Vorgang der Geburt, davor, dass sie die Geburt nicht aushalten oder ihr Kind nicht werden lieben können.
Die sekundäre Tokophobie kommt bei Frauen vor, die schon einmal schwanger waren und während der Schwangerschaft oder der Geburt traumatisiert wurden. Sie haben Angst, dass sich diese Erfahrung wiederholen könnte.
Wie unterscheidet man, ob Angst vor Schwangerschaft noch normal ist oder schon eine Tokophobie?
Das lässt sich nicht so leicht unterscheiden. Zum einen gibt es in der psychologischen Forschung unterschiedliche Fragenbögen, also keine allgemeingültige Bewertung von Schwangerschaftsängsten. Zum andern sind die Übergänge fließend. Noch dazu können Ängste auch mit der Zeit abflauen und zunehmen.
Für Betroffene ist der wichtigste Unterschied: Kann ich mit diesen Ängsten gut leben? Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Frau zum Beispiel zwar etwas Angst davor hat, wie ihr Körper sich in der Schwangerschaft verändern wird, sie sich aber dadurch nicht abhalten lässt, schwanger zu werden. Um ihre Ängste anzugehen, informiert sie sich etwa bei ihrer Ärztin oder Hebamme und überlegt, was sie ihrem Körper während der Schwangerschaft Gutes tun kann.
Krankhaft wird die Angst, wenn die Betroffene dauerhaft darunter leidet und die Angst sie daran hindert, ihr Leben so zu führen, wie sie es eigentlich möchte. Im Extrem könnte sie zum Beispiel komplett auf Sex verzichten oder sich in jungen Jahren sterilisieren lassen, nur aus Angst vor einer Geburt.
Wirklich beantworten kann das im konkreten Fall aber nur eine Person vom Fach, etwa eine Psycholog:in oder Psychiater:in.
Wie häufig kommen solche Ängste vor?
Auch das lässt sich nicht so einfach sagen. Die erste wissenschaftliche Studie zur Tokophobie wurde von den britischen Psychiater:innen Kristina Hofberg und Ian Brockington im Jahr 2000 in London durchgeführt. Dabei gaben 13 Prozent der nicht schwangeren Frauen an, eine Schwangerschaft aufgrund von Angst zu vermeiden oder zu verschieben.
Wie viele Frauen während der Schwangerschaft an Tokophobie leiden, dafür gehen die Schätzwerte weit auseinander, sie liegen zwischen drei und 43 Prozent.
Welche Symptome deuten auf eine Tokophobie hin?
Kinderlose Frauen mit starker Schwangerschaftsangst verhüten häufig besonders gründlich, etwa mit Pille UND Kondomen, und lassen sich häufiger und früher sterilisieren als andere Frauen.
Tokophobie während der Schwangerschaft kann sich in seelischen und körperlichen Symptomen ausdrücken:
- Starke Ängste vor körperlichen Veränderungen, vor Schmerzen und dem Gefühl, während der Geburt ausgeliefert zu sein
- Das Empfinden, das Ungeborene sei ein fremdes Wesen oder ein Parasit
- Gedankliches Kreisen um mögliche angstauslösende Situationen
- Niedergeschlagenheit
- Verspannungen
- Schweißausbrüche
- Herzklopfen
- Atemprobleme
- Hoher Blutdruck
- Kopfschmerzen
- Schwindel
- Panikattacken, bei denen mehrere dieser Symptome gleichzeitig auftreten
Welche Ursachen kann eine Tokophobie haben?
Die Ursachen können sehr vielfältig sein, zum Beispiel:
- traumatische Erlebnisse in der Kindheit, etwa Horrorschilderungen von Geburten, sehr körperfeindliche Erziehung, sexuelle Gewalt
- eine bestehende Angststörung oder Depression
- traumatische Erlebnisse während einer vorangegangenen Schwangerschaft / Geburt, etwa ein Not-Kaiserschnitt oder übermächtige Wehenschmerzen
- generell starke Angst vor körperlichen Veränderungen, vor Schmerzen oder vor dem Gefühl, eine Situation nicht kontrollieren zu können.
Was tun gegen Angst vor Schwangerschaft?
Ganz gleich, wie stark die Symptome sind: Das Wichtigste ist, das Tabu zu brechen und sich jemandem anvertrauen. Am besten jemanden, der/die sich mit Ängsten auskennt. Allein das Sprechen über die Angst in vertrauensvoller Atmosphäre kann die Angst schon verringern. Und die Fachleute in Beratungsstellen (siehe unten) können auch beurteilen, ob eine weiterführende psychologische Beratung oder Psychotherapie der richtige Weg sein könnte. Was Betroffene in der Schwangerschaft sonst noch tun können:
- Such dir so früh wie möglich eine (Beleg-)Hebamme, mit der du frei über deine Ängste und Befürchtungen sprechen kannst.
- Besuche einen Vorbereitungskurs, in dem du dich sachlich über alle Vorgänge der Geburt informieren und alle deine Fragen stellen kannst. Konkretes Wissen ist immer besser als Angstphantasien, auch, wenn die Beschäftigung mit dem Thema vielleicht erst einmal schwerfällt.
- Verbitte dir Horrorgeschichten von Geburten, mit denen manche Mütter gerne auftrumpfen. Meist sind sie übertrieben. Und: Jede Geburt ist anders.
- Buche einen Entspannungskurs für Schwangere – Adressen hat deine Frauenarzt-Praxis, sonst deine Krankenkasse.
- Wenn du denkst, dass diese Maßnahmen nicht genügen, dann wende dich an eine Beratungsstelle (siehe Adressen unten).
Hier findest Du Hilfe bei Ängsten vor und in der Schwangerschaft
Deutscher Hebammen-Verband: Hier findest du viele nützliche Links und kannst eine Hebamme in deiner Nähe suchen.
Schatten & Licht e. V.: Der Verein hat sich auf Krisen rund um die Geburt spezialisiert. Hier finden Betroffene unter anderem Informationen über mögliche Hilfsmaßnahmen sowie die Kontaktadressen von Berater:innen und Selbsthilfegruppen in ihrer Nähe.
Die Deutsche Gesellschaft für psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe e.V. bietet ebenfalls eine Expertensuche.
Noch mehr zu diesem Thema erfährst du in unserem Interview mit der Hebamme Jana Friedrich zum Thema Angst vor der Geburt.
Quellen:
Nele Langosch: Tokophobie: Die Angst vor der Entbindung, Spektrum.de, Stand: 10.06.2019
ICD-10-WHO Version 2019: Kapitel V, Psychische und Verhaltensstörungen, (F00-F99)
K. Hofberg, M.R. Ward: Fear of pregnancy and childbirth. Postgrad Med J2003;79:505–510
K. Hofberg, I Brockington: Tokophobia: an unreasoning dread of childbirth. A series of 26 cases. Br J Psychiatry. 2000 Jan; 176:83-5.
P. Slade et. al.: Establishing a valid construct of fear of childbirth: findings from in-depth interviews with women and midwives. BMC Pregnancy Childbirth. 2019 Mar 18;19(1):96.