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Gerät die Geburt ins Stocken und ist der Kopf des Kindes bereits tief ins Becken eingetreten, kann der Arzt deinem Kind mithilfe einer Saugglocke auf die Welt helfen.
Die Saugglockengeburt zählt zu den vaginal-operativen Entbindungen. Das heißt, du entbindest zwar im Kreißsaal, ein Gynäkologe muss aber medizinische Instrumente einsetzen, um dein Baby auf die Welt zu holen. Frauen, die sich schon in der Schwangerschaft davor fürchten, sei gesagt: Die Saugglocke wird nur in etwa 6% aller Geburten eingesetzt. Warum die Methode gar nicht so gruselig ist, wie sie sich vielleicht anhört, erklären wir dir hier.
Was ist eine Saugglocke?
Eine Saugglocke, auch Vakuumextraktor genannt, musst du dir vom Aussehen her wie einen Toiletten-Pümpel vorstellen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um einen Sanitär-Artikel, sondern um ein medizinisches Instrument, dass eine Schale aus Silikon oder Metall hat und einen Stab, an dem gezogen wird. Mit einem mechanischen Unterdrucksystem wird die Saugglocke unter der Geburt am Köpfchen des Kindes befestigt. Jeweils mit einer Wehe kann der Arzt oder die Hebamme an dem Stab ziehen und dem Baby damit aus dem Geburtskanal helfen.
In der Geburtshilfe wird heute auch häufig eine Einmalsaugglocke, die sogenannte Kiwiglocke, eingesetzt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Saugglocken wird der Unterdruck nicht über Strom, sondern manuell hergestellt. Das ist für das Baby oft schonender.

Wann wird sie angewendet?
Die Saugglocke kommt dann zum Einsatz, wenn die Geburt nicht fortschreitet, obwohl das Kind schon in den Geburtskanal eingetreten und der Muttermund vollständig geöffnet ist. Oft bekommt das Baby dann zu wenig Sauerstoff, seine Herzfrequenz fällt ab. Ein Kaiserschnitt ist zu diesem Zeitpunkt der Entbindung nicht mehr möglich ¬– deshalb wird das Kind in solchen Fällen auch heute noch mithilfe der Saugglocke oder (seltener) in einer Zangengeburt geholt. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn:
- die Sauerstoffwerte und/oder Herztöne des Kindes sich gegen Ende der Geburt auffällig verschlechtern,
- die Mutter zu erschöpft zum Pressen ist,
- das Baby ungünstig im Geburtskanal liegt oder
- der Kopf des Kindes trotz guter Wehentätigkeit und aktivem Mitpressen der Mutter nicht tiefer ins Becken eintritt.
Außerdem können bestimmte Erkrankungen der Mutter, beispielsweise am Herzen oder den Augen, dazu führen, dass sie bei der Geburt nicht aktiv mitpressen kann oder darf. Dank der Saugglocke muss dann kein Kaiserschnitt durchgeführt werden.
Eine Vakuumextraktion wird nicht durchgeführt, wenn:
- der Muttermund noch nicht vollständig geöffnet ist,
- die Fruchtblase noch nicht gesprungen ist,
- das Baby in Beckenendlage oder mit dem Gesicht voran liegt oder
- das Baby eine Frühgeburt ist.
Wie läuft eine Saugglockengeburt ab?

Entscheiden Gynäkologe und Hebamme unter der Geburt, dass die Saugglocke eingesetzt werden muss, wird zunächst deine Blase mithilfe eines Katheters entleert. Dadurch wird zusätzlicher Platz im Becken geschaffen. Wenn du noch keine PDA hast, wirst du betäubt, damit du bei dem Eingriff keine Schmerzen hast. Eventuell wird ein Dammschnitt gesetzt, um Platz für das Instrument zu schaffen und weiteren Geburtsverletzungen vorzubeugen.
Der Arzt ertastet dann die genaue Lage deines Babys, führt die Saugglocke vaginal ein und befestigt sie mithilfe eines mechanischen Unterdrucksystems am Köpfchen des Kindes. Bei der nächsten Wehe wird er nun vorsichtig am Stab ziehen und dem Baby durch den Geburtskanal helfen. Sobald der Kopf geboren ist, löst der Arzt den Sog und entfernt die Glocke wieder. Der restliche Körper des Kindes wird dann ohne Unterstützung geboren.
Wie gefährlich ist eine Vakuumentbindung?
Eine Saugglockengeburt zählt zu den vaginal-operativen Entbindungen und ist damit nicht ganz risikofrei.
Die größte Sorge vieler werdender Eltern ist sicher, dass die Glocke Kopf und Gehirn des Kindes schädigen könnte. Zwar bildet sich an dem weichen Babykopf eine kleine Beule. Die ringförmige Schwellung (Kephalhämatom) und der Bluterguss verschwinden aber innerhalb der ersten zwei bis vier Tage meist von alleine.
Wichtig zu wissen: Neugeborene, die bei einer Saugglockengeburt ein Kephalhämatom entwickelt haben, haben ein erhöhtes Risiko, eine Neugeborenen-Gelbsucht oder eine Anämie zu entwickeln. Außerdem haben die Kleinen, ähnlich wie per Kaiserschnitt entbundene Kinder, häufiger Anpassungsschwierigkeiten. Das Risiko dafür steigt, wenn die Ärzte nicht schnell genug eingreifen und das Kind schon einige Zeit lang im Geburtskanal feststeckte. Daher beobachten Ärzte und Hebammen seine Entwicklung in den ersten Tagen genau.
Auch an Müttern geht die Vakuumextraktion häufig nicht spurlos vorüber. Neben Geburtsverletzungen wie einem Dammriss oder einem Scheidenriss leiden viele Frauen unter den psychischen Folgen eines solchen Eingriffs. Daher ist es wichtig, dass Frauen schon während der Schwangerschaft über mögliche Verläufe der Geburt informiert sind, um die Notwendigkeit von Hilfsmitteln einzuschätzen.
Wenn du eine Entbindung mit der Saugglocke hattest und dich vielleicht traumatisiert fühlst, such dir bitte unbedingt Hilfe bei deinem Gynäkologen oder deiner Hebamme. Du bist nicht alleine, viele Frauen haben Schwierigkeiten, einen unvorhergesehenen Geburtsverlauf zu verkraften.
Wie häufig wird eine Vakuumextraktion durchgeführt?

Die letzte Datenerhebung zu Saugglockengeburten hat das Statistische Bundesamt für das Jahr 2017 durchgeführt. Demnach wurden in Deutschland 45.166 Kinder per Vakuumentbindung entbunden. Das entspricht etwa 6% aller Geburten. Übrigens: Die Rate an Vakuumextraktionen hat sich in den letzten 20 Jahren nicht signifikant geändert, sondern schwankt zwischen 5% und 7%.
Geburt per Saugglocke oder Zange – wo ist der Unterschied?
Eine Alternative zur Saugglocke ist die Geburtszange (Forzeps). Dabei handelt es sich um ein löffelartiges Instrument, das in die Scheide eingeführt wird und den Kopf des Kindes umschließt. Der Arzt kann bei der nächsten Wehe an der Zange ziehen und dem Neugeborenen schnell aus dem Bauch seiner Mutter helfen.
Sollte im Geburtsverlauf überhaupt eines der beiden Instrumente erforderlich sein, erhält fast immer die Saugglocke den Vorzug. Sie ist schonender für Mutter und Kind und birgt weniger Verletzungsrisiken. Wenn aber beispielsweise die Herztöne des Babys plötzlich abfallen und es sofort geholt werden muss, bleibt für ihren Einsatz manchmal keine Zeit mehr. Denn bis sie richtig am Babykopf sitzt, vergehen wertvolle Minuten. In solchen Fällen kann es zu einer Zangengeburt kommen.
Quellen:
Werner Rath, Ulrich Gembruch, Stephan Schmidt (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatalmedizin. Pränataldiagnostik – Erkrankungen – Entbindung. 2. Vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart 2010.
www.destatis.de
www.familienplanung.de
www.faz.net
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