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Spina Bifida Tagebuch: Unser Kampf um Rosalie (3)

In der 15. Schwangerschaftswoche erfahren Virginia und Steffen, dass ihr Baby an einem offenen Rücken leidet. Der Arzt spricht von Querschnittslähmung und Wasserkopf. Und rät zum Schwangerschaftsabbruch. Aber die beiden kämpfen für ihre Tochter. 3. Teil: Die Operation, eine gute und eine schlechte Nachricht.

8. Februar

Spina-Bifida-Operation
© Gabriela Acklin

Heute war die Operation. Sie hat gut zwei Stunden gedauert, danach Überwachungsstation. Eine tolle Überraschung, als ich wieder zu mir komme: Meine Eltern sitzen an meinem Bett! Bis zum 10. Februar soll ich auf dieser Station bleiben.
Ich bin so erleichtert! Die OP ist geschafft, der Rücken ist zu, nun kann es meinem Baby nur noch besser gehen. Jetzt erhole ich mich von der OP!

17. Februar

Ultraschall! Die OP war ein voller Erfolg, das Kleinhirn ist wieder zurück in den Kopf gerutscht, die Schädelform normal, Beinmotorik super. Die Ärztin ist begeistert und überzeugt: Alles was wir erreichen konnten, haben wir erreicht. Das Loch war 3,5 x 2,5 cm groß, die Ärztin sagt: „Gucken Sie sich mal diesen Kopf an!“ Und wir sind total erleichtert: Alles sieht aus, wie es sein sollte.
Ohne OP hätte Rosalie mit Sicherheit eine Querschnittlähmung, hätte höchstwahrscheinlich einen Shunt (Ventil für das Gehirnwasser) gebraucht, um einen Wasserkopf zu verhindern, und auch Störungen von Blase, Darm und Sexualfunktionen wären sehr wahrscheinlich gewesen. Jetzt, nach der gelungenen OP, ist die Gefahr einer Querschnittlähmung gebannt. Allerdings kann es sein, dass Rosalie eine Muskelschwäche in den Unterschenkeln haben wird. Auch die anderen Risiken sind sehr viel geringer geworden. Wir sind so froh: Alles hat sich gelohnt!
Dann die schlechte Nachricht: Leider haben sich unter der OP die Eihäute gelöst, was eine Frühgeburt zur Folge haben kann. Wenn sie sich nicht wieder anlegen, muss ich bis zur Geburt hier bleiben. Mir ist nur noch zum Heulen. Bis hierhin habe ich es geschafft, habe die OP geschafft, und nun muss ich noch mehr aushalten? Aber Steffen tröstet mich: „Denk nicht an die vielen Wochen“, sagt er, „Jeder Tag zählt! Denk erst mal bis zum nächsten MRT am 2. März und dann von Woche zu Woche. Ich nehme mir Urlaub – Du bist nie länger als zwei Wochen allein, versprochen! Und über Ostern komme ich dann zwei Wochen – mit Amalia“. Aber nicht nur Steffen, die ganze Familie macht mir Mut.

18. Februar

Heimweh quält mich, und die Sehnsucht nach meiner großen Tochter. Der Klinikseelsorger hat eine gute Idee: Jede Woche, die ich weiter in der Klinik bleiben muss, bestelle ich eine Kleinigkeit für Rosalie, einen Windeleimer, einen Schlüsselanhänger ....
Alltag in der Klinik: Viel Ruhe, viel trinken, raus darf ich leider nicht und sehe nur durchs Fenster, wie draußen langsam Frühling wird. Das tägliche CTG zeigt, dass die Herztöne super sind und Rosalie ein lebhaftes Kind ist. Der Plan jetzt: Wenn keine vorzeitigen Wehen dazwischen kommen, ist der Kaiserschnitt für den 4. Mai geplant, drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin.
Das Heimweh bleibt, wir telefonieren und skypen viel. Steffen muss zuhause auch noch die neue Wohnung renovieren, die wir gemietet hatten, bevor wir wussten, was alles auf uns zu kommt. Ohne meine Familie würden wir das alles nicht schaffen! Meine Eltern haben Amalia aufgenommen und mein Vater hilft Steffen nach Feierabend beim Tapezieren. Mama, Oma und meine Schwestern, teilweise sogar Nachbarn, waschen die Babysachen und räumen die Schränke ein. Ich muss also nichts machen. Eine große Erleichterung!
Ich staune über mich: Habe gar kein Selbstmitleid, sondern habe einen Plan und gehe ihn. Und wenn ich doch mal schwächle, dann ist Steffen da.
Erst langsam setzt sich der Gedanke, dass das alles mit unserer Familie passiert. Ich habe das Gefühl, seit Monaten nur auf Autopilot zu laufen und zu handeln. Und das musste ich auch, weil der Rückhalt, den ich mir von den Ärzten in Deutschland gewünscht hätte, komplett gefehlt hat.
Wir haben einen Weg gewählt und den gehen wir mit allem was dazu gehört! Ich weiß: Wenn wir uns anders entschieden hätten, hätte ich meine Tochter jeden Tag meines Lebens vermisst.

3. März

Das MRT sieht sehr gut aus: Die Naht auf Rosalies Rücken ist dicht und heilt gut. Und Rosalie kann mit den Beinen strampeln.

4. März

Heute ein Arztgespräch: Die Eihäute sind weiterhin lose. Nur am Muttermund hängen sie noch fest. Aus diesem Grund muss ich nun wirklich bis zur Geburt hier bleiben. Der Kaiserschnitt ist für den 6. Mai angesetzt. Aber kein Arzt glaubt, dass ich auch nur in die Nähe dieses Datums komme.
Das große Ziel ist jetzt erstmal der 16. März: Dann bin ich bei 30 + 0 angelangt und die kritische Zeit für Hirnblutungen ist vorbei.

Mehr Infos über die Spina Bifida-Operation im offenen Mutterleib

Für welche Fälle eine solche Operation wie bei Rosalie infrage kommt, welche Risiken und Chance sie birgt, darüber haben wir mit dem Operateur Prof. Dr. med.Martin Meuli aus Zürich gesprochen. Hier findet Ihr das Interview mit Prof. Meuli. Plus beeindruckenden Fotos aus dem OP-Saal.

Hier könnt Ihr die Fortsetzung lesen: Warten und Bangen von Woche zu Woche

Den Anfang des Tagebuchs gibt es hier: 1. Teil: Die Diagnose. Und die Frage, ob eine riskante OP helfen kann

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